Amazon:Das Rezept für den Erfolg: Automatisierung und ein langer Atem

Das lateinische Motto auf dem Firmenlogo, "Gradatim Ferociter", lässt sich mit "Schritt für Schritt und doch unbeirrt voran" übersetzen - Bezos' Motto fürs Leben. Der Tech-Strategieforscher Ben Thomp-son, der den Blog Stratechery betreibt, formuliert das so: "Amazon will einen Anteil an jedem Bereich der Volkswirtschaft." Kern der Strategie ist Amazon Prime, der Abo-Service des Unternehmens, für den laut Schätzungen in den USA 80 Millionen Haushalte eine Jahresgebühr von 99 Dollar bezahlen, damit Lieferungen kostenlos sind.

Wer Prime-Kunde ist, hat sich so daran gewöhnt, bei Amazon zu bestellen, dass er oft Preise überhaupt nicht mehr vergleicht. Sich bei anderen Onlineläden anzumelden, wäre unpraktisch. Und schließlich lohnt sich die Jahresgebühr gefühlt eher, wenn man öfter bei Amazon bestellt. Prime ist eine Festung - und mit Lebensmitteln wird sie noch größer. Man muss sie quasi kaum mehr verlassen. Lebensmittel sind allein in den USA ein 800 Milliarden Dollar schwerer Markt - Bezos würde nie zulassen, dass sie sein Waterloo werden.

Dass Amazon damit bislang nicht sehr erfolgreich war, liegt zum einen daran, dass die meisten Menschen anders als bei vielen anderen Produkten noch darauf beharren, ihre Salatköpfe selbst in Augenschein zu nehmen, bevor sie einen kaufen. Zum anderen liegt es daran, dass Amazons Rezept für effizientes Liefern nicht wirkt: Es ist kein Massengeschäft, in dem es darum geht, Waren in riesigen Lagern vorzuhalten und dann möglichst kostengünstig zum Kunden zu bringen. Ein Steak muss anders behandelt werden als ein Salatkopf und anders als Eiscreme. Doch wer beobachtet hat, wie der Onlinehandel nach und nach fast jedes Produkt an sich gerissen hat, glaubt nicht mehr, dass er sich aufhalten lässt. Eine Studie des Marktforschers Nielsen prognostiziert eine Verfünffachung binnen zehn Jahren.

Die Festung wächst

Und obwohl sich Amazons Pläne bislang auf die USA beschränken, dürfte es dabei nicht bleiben - alles, was der Konzern plant, plant er für die Welt. Für die Konsumenten bedeutet der Zukauf zunächst vermutlich billigere Preise, Amazon ist dafür bekannt, die Kosten zu drücken - durch bessere Planung, größere Automatisierung und die Bereitschaft, für günstige Preise auch mal schlechtere Margen oder sogar Verluste hinzunehmen. Whole Foods hingegen ist für hohe Preise bekannt, der Spitzname lautet "Whole Paycheck", weil man leicht ein ganzes Monatsgehalt ausgeben kann. Außerdem leben mehr als 23 Millionen Amerikaner, darunter 6,5 Millionen Kinder, in Gegenden, in denen der nächste Supermarkt mehr als eine Meile entfernt ist - man nennt sie Lebensmittelwüsten. Frisches Gemüse ist für Amerikas Arme oft kaum zu bekommen. Amazons Liefer-Effizienz hingegen erreicht ganz Amerika.

Doch neben all der möglichen Vorteile bedeutet Amazons Vorstoß in das Supermarktgeschäft auch, dass andere Optionen verschwinden und die Festung Amazon wächst. Amazon wird mächtiger, die Konkurrenz verschwindet - langfristig können manche auf der Welt vielleicht ohne Amazon kaum noch etwas zu essen kaufen. Bezos sagte einmal: "Wir nehmen es in Kauf, lange Zeit missverstanden zu werden." Inzwischen jedoch missversteht kaum noch jemand ihn oder die Ziele seiner Firma: Das Leben soll ohne Amazon kaum noch möglich sein. Das hat nun auch Whole-Foods-Gründer Mackey gemerkt.

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