Amazon:Ausgerechnet Amazon

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Das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit verschenkt Gutscheine des US-Händlers als Dankeschön. Kritiker sind empört.

Von Michael Kläsgen, München

Mit Geschenken und kleinen Aufmerksamkeiten ist das so eine Sache, man kann leicht mal danebenliegen: so wie gerade das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das IAB führt regelmäßig Befragungen von Personen durch und bietet den Befragten dabei oft auch ein "Dankeschön" an, um die Bereitschaft zu erhöhen, daran teilzunehmen. So ist das auch bei einer aktuell durchgeführten Online-Befragung über die "Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Beschäftigung und Haushalte". Bis heute hat das IAB nach eigenen Angaben dazu etwa 12 000 zufällig ausgewählte Personen befragt, darunter auch Mitarbeiter des Instituts, von denen 10 000 als Dankeschön je einen Gutschein des US-Internetkonzerns Amazon im Wert von zehn Euro erhielten.

Einer aus dem Umfeld der Befragten hat sich an die SZ gewandt, weil er es für einen "Skandal" hält, dass das IAB den "Marktgiganten" Amazon unterstützt. Er scheint nicht der einzige zu sein, der daran Anstoß nimmt. Die Amazon-Gutscheine sind längst auch IAB-intern "ein Thema, das uns sehr umtreibt", bestätigt eine Sprecherin.

Denn das IAB, das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und wird aus Beiträgen der Arbeitslosenversicherung sowie aus Steuer- und Drittmitteln finanziert. Die IAB-Sprecherin betont zwar, dass die mit Amazon-Gutscheinen incentivierte Umfrage "teilweise durch Drittmittel einer externen wissenschaftlichen Einrichtung finanziert" wurde. Die Einladung dazu wurde aber im Namen des IAB, seines Direktors Bernd Fitzenberger und dessen Stellvertreter versendet. Es handelt sich um eine IAB-Umfrage.

Doch besser dem stationären Handel helfen?

Die Kritik daran bezieht sich vor allem darauf, "dass Amazon ein zumindest umstrittener, wenn nicht sogar zerstörerischer Marktteilnehmer" sei, wie die Gewerkschaftsfunktionärin Sylwia Lech von Verdi sagt. Sie findet die Gutschein-Vergabe "voll daneben", auch wenn sie offenbar nicht ganz unüblich ist. Sie hätte jedenfalls "1000 Ideen, wie man dem stationären Handel helfen könnte". Zu Amazon fallen den Gutschein-Gegnern vor allem solche Stichworte ein: schlechte Behandlung der Mitarbeiter, Einschränkung der Mitarbeiterrechte, Tarifeinordnung Logistikbranche statt Einzelhandel, Verdrängung des stationären Handels, Verödung der Innenstädte, Preisdruck auf Lieferanten, etc. Es sei daher nicht hinnehmbar, so ein Kritiker, dass eine öffentliche Einrichtung ausgerechnet diesen Marktteilnehmer unterstütze und damit dessen Praktiken mitfinanziere.

Tatsächlich ist der führende Onlinehändler aufgrund der Einschränkungen für stationäre Händler einer der Gewinner in der Pandemie. Zehntausende Läden stehen dagegen laut dem Handelsverband Deutschland wegen Corona vor dem Aus. Sie finanzierten aber, so die Vorwürfe, "über die Lohnnebenkosten die Bundesagentur mit und indirekt damit jetzt ihren Mitbewerber Amazon". Der könnte obendrein dank der Gutschein-Aktion Neukunden gewinnen, die ihm gewogen bleiben und langfristig weit mehr als zehn Euro für Online-Einkäufe ausgeben.

Kein Unternehmen bevorteilen

Dabei hat sich das IAB bei der Auswahl der Gutscheine schon etwas gedacht. "Wir haben für das Dankeschön unterschiedliche Möglichkeiten geprüft", sagt die Sprecherin. Die Wahl fiel dann auf Amazon, weil "das Dankeschön für einen möglichst breiten Personenkreis attraktiv und gleichzeitig der administrative Aufwand nicht unverhältnismäßig hoch" sein sollte. Dieser Logik zufolge war es allerdings sehr wahrscheinlich, dass der größte Onlinehändler im Land zum Zuge kommt.

Das IAB will allerdings einlenken. "Wir verstehen die Kritik", sagt die Sprecherin, "und nehmen diese sehr ernst. Für uns spielt dabei auch eine Rolle, dass kein Unternehmen bevorteilt werden sollte." Das IAB arbeite nun daran, bei Befragungen eine andere Lösung mit mehr Vielfalt zu bieten, beispielsweise die Möglichkeit, aus verschiedenen Gutscheinen auszuwählen. Eine Absage an den "zerstörerischen Marktteilnehmer" Amazon ist das nicht. Ob die Kritiker damit besänftigt sind?

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