Altkanzler zur Wirtschaftspolitik:Schröder fordert Euro-Finanzminister und Agenda 2030

Eine neue Mammut-Reform für Deutschland, mehr Macht für Europa: In einem fast gedönsfreien Interview erklärt Gerhard Schröder, wie er sich Wirtschaftspolitik vorstellt. Über Ex-Finanzminister Steinbrück sagt der Altkanzler bedeutungsschwanger: "Er wird noch für andere Aufgaben gebraucht."

Gerhard Schröder zitiert erstmal eine eiserne Regel des Boxens: "They never come back" - sie kommen nie zurück. Soll heißen, er denkt nicht daran, wieder in den Ring zu steigen und in die Politik zurückzukehren. Nachdem das gesagt ist, holt der Altkanzler zum großen Rundumschlag aus. Drei Seiten im Handelsblatt hat Chefredakteur Gabor Steingart für ein Interview mit Schröder freigeräumt. Denn der hat zu allem was zu sagen: Schuldenkrise, europäische Integration, Frauenquote, Rente, Spitzensteuersatz.

Ex-Kanzler Schörder bei Eurogruppen-Präsident Jean-Claude Juncke

Agenda 2030 gefordert: Ex-Kanzler Schörder.

(Foto: dpa)

Europa müsse enger zusammenarbeiten - und die Staaten sollten auf nationale Souveränität verzichten, sagt Schröder. "Den Anfang könnte beispielsweise ein Euro-Finanzminister machen." Bislang gibt es nur den Vorsitzenden der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, der vielleicht vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) abgelöst werden könnte.

Viel lieber wollen die Journalisten aber wissen, ob Schröder seinen Parteigenossen und ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück für das Amt empfiehlt. Tut er nicht. Denn Steinbrück, sagt der Altkanzler, "wird ja noch für andere Aufgaben gebraucht". Das klingt schon fast nach einer Empfehlung für Steinbrück als Kanzlerkandidat, wie sie ein anderer sozialdemokratischer Altkanzler, nämlich Helmut Schmidt, vor einigen Monaten ausgesprochen hat - aber eben nur fast. "Ich möchte die Personaldebatte nicht unnötig befeuern", sagt Schröder.

Also redet er über die Krise und über die Politik seiner Nachfolgerin: Die Regierung Merkel habe zu lange gezögert, Griechenland zu helfen. Mittlerweile helfe sie aber solidarisch und habe erkannt, dass die Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa besser koordiniert werden müsse. Die EU sei mit den Beschlüssen vom Dezember auf den richtigen Weg eingeschwenkt, sie gehe den Weg zur Wirtschaftsregierung. Damals hatte die EU den Fiskalpakt beschlossen, der die Euro-Staaten zwingen soll, weniger Schulden zu machen, und der bei Verstößen automatische Sanktionen vorsieht.

Zu glauben, alle EU-Staaten seien ökonomisch auf Augenhöhe, ist für Schröder eine Illusion: "Die Europäische Union ist eine Transferunion." Früher hätte Europa das Geld eben indirekt über EU-Fonds verteilt, jetzt erhielten die Staaten direkte Rettungspakete. Schröder verwies auch auf das harte Los der Griechen - nicht ohne an sein eigenes Vermächtnis zu erinnern, die Reform der deutschen Sozialsysteme: "Verglichen mit Deutschland setzen die Griechen gerade eine Agenda 2010 hoch drei um."

Schröder hatte als Kanzler angesichts steigender Massenarbeitslosigkeit soziale Einschnitte unter dem Schlagwort Agenda 2010 durchgesetzt. Diese führten zu großen Spannungen in der SPD, die zur Abspaltung WASG führten. Die WASG vereinigte sich später mit der PDS zur heutigen Linkspartei.

Für Deutschland wünscht sich Schröder eine Art Update seiner Reformen: Nur ein großes Reformprogramm könne das Land langfristig auf Wachstumskurs halten. Auf die Frage, ob eine Agenda 2030 nötig sei, antwortete Schröder dem Handelsblatt: "Absolut: Vor allem wegen der Alterung der Gesellschaft brauchen wir ein überzeugendes Konzept." Nötig sei insbesondere eine höhere Erwerbsquote. Schröder äußerte sich besorgt über die Debatte, die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre wieder zurückzunehmen, wie sie gerade die SPD wieder diskutiert.

Er sprach sich zudem für eine gesetzliche Frauenquote in Führungsgremien der Wirtschaft aus, "weil es anders nicht geht". Eine solche gesetzliche Frauenquote müsse zwar nicht für die Vorstände von Unternehmen gelten, aber für Aufsichtsräte. Zudem müsse Deutschland die Integration von Ausländern vorantreiben und gezielte Einwanderungspolitik betreiben.

Bitte keine Banker beschimpfen

Den Sozialdemokraten empfahl er mit Blick auf die Bundestagswahl 2013, stärker in die Mitte zu rücken: "Wahlen werden in der Mitte gewonnen." Die SPD sei immer gut beraten gewesen, wenn das sozialpolitische Programm um "ökonomischen Sachverstand" ergänzt wurde. Dabei sollte die Partei im Wahlkampf "intensiv" für stärkere Kontrolle der Banken und Finanzmärkte werben - aber bitte ohne "Beschimpfung von Bankern".

Schröder stellte sich darüber hinaus hinter Forderungen der SPD nach einer höheren Besteuerung von Spitzenverdienern, wie sie auch vom potenziellen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück verfochten wird. Allerdings finde er es "weniger überzeugend", wenn der sozialistische französische Kandidat für das Staatspräsidentenamt, Francois Hollande, nach einem Spitzensteuersatz von 75 Prozent rufe.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: