Süddeutsche Zeitung

Altersvorsorge:Riester-Rente gescheitert - endlich sagt's mal einer!

Die Renten sind vielleicht sicher, aber sie reichen nicht. Statt nur herumzudoktern, sollte die Politik jetzt über einen ganz anderen Vorschlag nachdenken.

Kommentar von Thomas Öchsner

Solche Sätze hätte man gern mal von Andrea Nahles gehört: "Die Riester-Rente ist gescheitert. Wir brauchen eine große Rentenreform." Gesagt hat dies nicht die zuständige Bundesarbeitsministerin, die vor Kurzem noch erklärt hatte, das Rentensystem sei "stabil und funktioniert", sondern CSU-Chef Horst Seehofer. Endlich hat damit ein führender Politiker die Wahrheit ausgesprochen.

Sicherlich muss sich keiner sorgen, dass das Altersgeld nicht pünktlich bezahlt oder willkürlich gekürzt wird. Insofern ist die Rente sicher. Trotzdem ist Seehofers Befund im Prinzip richtig: Die Alterssicherung ist alles andere als stabil.

Das Niveau der Renten im Verhältnis zum Lohn wird sinken, erst recht nach 2030. Die Rente allein ohne Zusatzeinkünfte wird daher für immer weniger Arbeitnehmer zum Leben reichen. Das nagt an der Legitimation der Rentenversicherung. Die Riester-Rente erfüllt in den allermeisten Fällen nicht ihren Hauptzweck: Sie reicht nicht, um so wie einst gewünscht das sinkende Rentenniveau auszugleichen. Die betriebliche Altersvorsorge wiederum wird von Geringverdienern und in kleinen Unternehmen zu wenig genutzt.

Die Lebensleistungsrente erreicht nicht die Richtigen

Nötig ist also eine Generalreform an allen drei Säulen, um Altersarmut zu begrenzen. Was bisher dazu aus der Koalition zu hören ist, läuft allerdings auf Scheinlösungen hinaus. Das Rentenniveau jetzt wieder zu stabilisieren oder gar von derzeit knapp 48 auf 50 Prozent des Durchschnittslohns wieder anzuheben, ist extrem teuer. Der Rentenbeitrag müsste dann bis 2030 auf mehr als 24 Prozent steigen - das ist für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer unbezahlbar. Wer das durchsetzen will, muss die Rentenformel ändern, den Steuerzuschuss für die Rentenkasse erhöhen - und vielleicht einen "Renten-Soli" anstelle des heutigen Solidaritätszuschlags einführen.

So das Geld mit der Gießkasse über alle Rentner zu verteilen hilft jedoch wenig gegen Altersarmut. Diejenigen mit dem größten Risiko, Hartz-IV-Empfänger, Solo-Selbständige mit Mini-Verdiensten, Erwerbsunfähige, Arbeitnehmer mit großen Lücken in der Erwerbsbiografie, wird ein höheres Rentenniveau nicht den Weg zum Sozialamt ersparen. Deshalb ist auch die geplante Lebensleistungsrente Murks, mit der Nahles die Mini-Renten von langjährig versicherten Geringverdienern um ein paar Euro aufstocken will. Die wirklich Gefährdeten werden damit gar nicht erreicht.

Was also tun? Bei der Altersvorsorge sollte wie bisher die Regel gelten: "nicht alle Eier in einen Korb". Die nächste Bundesregierung muss deshalb als Erstes die Renten für erwerbsgeminderte Menschen aufstocken, die vorzeitig aufhören mussten zu arbeiten und schon jetzt oft in der Armutsfalle stecken. Es sollte eine einfache, kostengünstige private Standard-Zusatzvorsorge für jeden geben, so wie es andere Länder wie Schweden längst vorgemacht haben. Außerdem gibt es ein Modell, über das Seehofer, Nahles und Co. zumindest schon mal reden könnten: die Rentenversicherung, in die alle einzahlen müssen, auch Beamte und Selbständige.

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Quelle:
SZ vom 13.04.2016/jasch
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