Süddeutsche Zeitung

Altersvorsorge:Was sich bei der Rente ändern muss

Neue Berechnungen legen es schonungslos offen: Millionen Deutsche werden unter einer großen Rentenlücke leiden. Die Politik könnte gegensteuern.

Kommentar von Thomas Öchsner

Die gesetzliche Rentenversicherung bildet eines der wichtigsten Fundamente des deutschen Sozialstaats. Die Rente kommt pünktlich und stetig. Zuletzt ist sie teilweise kräftig gestiegen. Und in den nächsten Jahren sind noch ein paar ordentliche Rentenerhöhungen sehr wahrscheinlich. Dieses Zwischenhoch ist allerdings trügerisch. In Zukunft wird Millionen Bürgern im Alter das Geld nicht reichen, um ihren Lebensstandard zu erhalten.

Wie bitter es wirklich werden könnte, zeigen neue Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Hälfte der 55- bis 64-Jährigen hat demnach eine Versorgungslücke. 700 Euro im Monat dürften ihnen durchschnittlich fehlen. Nun hat bislang jede Bundesregierung betont: Allein auf die gesetzliche Rente zu setzen, sei nicht genug. Jeder müsse zusätzlich privat und über den Betrieb vorsorgen, dann werde es schon reichen. Hinter diesen schönen Worten verbirgt sich jedoch für viele nichts als Rechenakrobatik.

Millionen - das legt die DIW-Studie schonungslos offen - müssen sich auch trotz einer privaten Versicherung, einer Riester-Rente oder einer Betriebsrente im Alter gewaltig einschränken. Das wird der neue Treibstoff dafür sein, um die Kluft zwischen Reich und Arm weiter zu vergrößern. Noch mehr Menschen werden sich abgehängt fühlen, wenn die Bundesregierung nicht gegensteuert. Eine Rentenkommission, die 2020 Vorschläge für einen "verlässlichen Generationenvertrag" vorlegen soll, wird nicht reichen.

Bei der Altersvorsorge nicht alles auf eine Karte zu setzen, ist richtig. Nur liegt bei allen drei Säulen einiges im Argen. Bei der gesetzlichen Rente wird das Niveau von Mitte der 2020er-Jahre an sinken. Das trifft alle, die von Altersarmut bedroht sind, vor allem Geringverdiener, Langzeitarbeitslose, Selbständige mit schmalem Einkommen - und sie alle erst recht, wenn sie als Rentner allein leben. Mit dem Vorschlag der SPD, ein niedrigeres Rentenniveau dauerhaft zu verhindern, lässt sich Altersarmut jedoch nicht zielgenau bekämpfen. Wer nur wenig oder gar nicht in die Rentenkasse eingezahlt hat, wird auch bei einem stabilen Rentenniveau und mit vielleicht dann 50 oder 100 Euro mehr Rente weiter zum Sozialamt müssen. Geld auf diese Weise zu verteilen, kostet viele Milliarden, viel gewonnen wäre dadurch nichts.

Besser wäre es, eine kluge Form einer per Steuer finanzierten Mindestrente zu entwickeln wie in anderen Ländern auch. Das könnte die Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung erhöhen. Auch wird man über eine längere Lebensarbeitszeit reden müssen, ohne dass diejenigen, die es nicht schaffen, noch länger zu arbeiten, darunter leiden dürfen.

Die Riester-Rente ist politisch gescheitert

Die private Vorsorge lässt sich nur durch ein einfaches, kostengünstiges und staatlich gefördertes Standardprodukt wieder ankurbeln. Die Riester-Rente ist politisch gescheitert. Gewiss, wer mit einem guten Vertrag Zulagen und Steuervorteile stets voll ausschöpft, hat für sich ein gutes Werk getan. Die Riester-Rente kann jedoch nicht das sinkende Rentenniveau ausgleichen, und das sollte sie ja tun. Dafür sind die meisten Verträge zu niedrig verzinst, die Kosten sind zu hoch, die Förderung ist zu kompliziert.

Nicht viel besser sieht es bei der betrieblichen Altersvorsorge aus. Für die Unternehmen wäre die Betriebsrente eine gute Möglichkeit, Fachkräfte an sich zu binden. Viele Firmen tun aber zu wenig. Sie legen selbst kein Geld mehr zu den Beiträgen ihrer Arbeitnehmer dazu, haben die eigene Firmenrente abgeschafft oder gekürzt. Gesetzlich Krankenversicherte haben noch immer krasse Einbußen bei der Auszahlung ihrer Betriebsrente, weil darauf weitgehend der volle Krankenkassenbeitrag fällig wird. Diese doppelte Beitragslast gehört abgeschafft.

Selbst wenn sich durch Reformen die Versorgungslücke verschmälern würde, wird es unter Deutschlands Rentnern einen Graben geben. Wer in abgezahlten eigenen vier Wänden lebt, muss sich um Altersarmut in der Regel nicht sorgen. Diejenigen ohne ersparte oder geerbte Immobilie sind in den teuren Wohngebieten die Gekniffenen. Für sie wird es als Rentner noch schwerer, dort zu überleben.

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SZ vom 13.09.2018/jps
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