Altersvorsorge:Neustart für die Betriebsrente

Senioren Hand in Hand

Die betriebliche Vorsorge ist beliebt. Mehr als 60 Prozent aller Arbeitnehmer bereiten sich mit ihr für die Zeit nach dem Renteneintritt vor.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Seit Januar gilt ein Gesetz, das die Altersvorsorge stärken könnte.

Von Jonas Tauber

Die Warnung der Finanzaufsicht Bafin war sehr ernst. Es könnte bei einigen Pensionskassen zu Leistungskürzungen kommen, wenn die Arbeitgeber kein zusätzliches Kapital nachschießen, warnte Bafin-Versicherungschef Frank Grund im Mai. Die Äußerung dürfte bei Beziehern von Betriebsrenten und Beschäftigten, die einen Anspruch darauf aufgebaut haben, für Verunsicherung gesorgt haben. Aber Grund hatte die besten Absichten: Er wollte mit dem öffentlichen Hilferuf verhindern, dass es tatsächlich zu Kürzungen und einem Vertrauensverlust der betrieblichen Altersversorgung (bAV) kommt. Denn wenn Pensionskassen die einst vom Arbeitgeber versprochenen Leistungen nicht mehr voll erbringen können, greift die Regel, dass die Arbeitgeber für die Differenz zur zugesagten Leistung aufkommen. Grunds Appell richtete sich an die Unternehmen, die früher die Pensionskassen gegründet hatten: Stärkt sie mit mehr Kapital, oder ihr müsst direkt zahlen, war die Botschaft.

Die ersten Tarifverträge sind nicht vor 2019 zu erwarten

Die Haftung der Unternehmen für Zusagen in der betrieblichen Altersversorgung ist ein heißes Eisen. Politiker glauben, dass viele Firmen aus diesem Grund bei der betrieblichen Zusatzrente zögern. Doch im Januar 2018 ist ein Gesetz in Kraft getreten, das eine neue Form der Betriebsrente etabliert. Hier sind erstmals die Unternehmen von der Haftung befreit. Es ist eine reine Beitragszusage möglich. Das neue Sozialpartnermodell wird nach der früheren SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles auch Nahles-Rente genannt.

Die Voraussetzung: Arbeitgeber und Gewerkschaften müssen sich im Rahmen von Tarifverträgen über die betriebliche Vorsorge einigen. Garantien sind dabei verboten. Das soll die Renditechancen im derzeitigen Niedrigzinsumfeld erhöhen, denn garantierte Leistungen erfordern eine besonders sicherheitsbetonte Geldanlage. Und es beruhigt die Unternehmen, weil sie definitiv nichts nachschießen müssen.

Mit der neuen garantielosen Nahles-Rente gibt es noch keine praktischen Erfahrungen, die ersten Tarifverträge sind nicht vor 2019 zu erwarten. Bei der Bewertung des neuen Modells gehen die Meinungen auseinander. Kritiker bezweifeln, dass die Arbeitnehmer eine Rente ohne garantierte Leistung akzeptieren werden. "Umfragen zeigen, dass die Arbeitnehmer Garantien wollen", sagt Stefan von Dewitz, Versicherungsexperte beim Bundesverband mittelständischer Wirtschaft (BVMW). Mehr Renditeaussichten bedeuteten auch mehr Risiko, warnt Dewitz. Das Haftungsproblem sei im Rahmen einer Direktversicherung schon bisher beherrschbar gewesen. Der Verband sieht das neue Modell daher kritisch.

Richard Herrmann, Chef des auf die betriebliche Vorsorge spezialisierten Beraters Heubeck, sieht dagegen großes Potenzial. "Die reine Beitragszusage wird greifen und merklich Fahrt aufnehmen", prophezeit er. Angesichts der Niedrigzinsen sei der Ansatz richtig. Den Firmen rät er, sich zu öffnen. "Ich würde empfehlen, sie mit ins Programm zu nehmen." Noch ist allerdings unklar, ob dieser Weg in jedem Fall auch tarifungebundenen Unternehmen offensteht. Sie sollen sich auf einschlägige Tarifverträge beziehen können.

Die Regierung will mit dem Gesetz gerade die Geringverdiener zum Sparen im Betrieb anregen. Dafür gibt es künftig einen Freibetrag von bis zu 208 Euro, wenn der Betriebsrentenempfänger im Alter auch Leistungen der staatlichen Grundsicherung erhält. Das sorgt für Anreize zur zusätzlichen Vorsorge für Beschäftige, die im Alter voraussichtlich auf Grundsicherung angewiesen sein werden. Anders als bisher haben sie künftig in jedem Fall mehr als diejenigen, die nicht zusätzlich vorsorgen. "Das ist ein großer Fortschritt", sagt Dewitz vom BVMW, der selbst auch als Vermittler tätig ist.

Allerdings fehlt Geringverdienern oft schlicht das Geld für die zusätzliche Vorsorge. Deshalb etabliert das Gesetz einen neuen Fördertopf für Beschäftigte mit einem Einkommen von maximal 2200 Euro brutto im Monat. Unternehmen erhalten für entsprechende Beiträge in die betriebliche Altersversorgung 30 Prozent über den Lohnsteuerausgleich vom Staat zurück. Der förderfähige Jahresbeitrag liegt bei 480 Euro pro Beschäftigtem. "Das ist etwas, was Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter mitnehmen sollten", urteilt Herrmann vom Berater Heubeck.

Auch die Vorsorge aus dem eigenen Einkommen, die Entgeltumwandlung, soll attraktiver werden. Dabei wandeln Arbeitnehmer einen bAV-Betrag aus dem Bruttoeinkommen um und sparen darauf Steuern und Sozialabgaben. Allerdings werden auf die Rente dann Steuern und Abgaben fällig. Das kann Sinn machen, weil das Einkommen im Alter meist geringer ist. Mit dem Gesetz hat der Gesetzgeber den steuerfreien Höchstbeitrag auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze fast verdoppelt. Dass es in Sachen Sozialabgaben bei der bisherigen Grenze von vier Prozent bleibt, findet Thorsten Teichmann halbherzig. Er ist Geschäftsführer bei Aon Pensions Insurance Broker. "Ich hätte mir acht Prozent für alles gewünscht", sagt er. Mit zwei unterschiedlichen Grenzwerten verstärke der Gesetzgeber die Komplexität.

Die Versicherer mauern mit Verweis auf die Tarifverträge

Eine weitere Änderung der Regeln für die Entgeltumwandlung: Von 2019 an liegt es nicht mehr im Belieben der Firmen, wie sie mit den von ihnen eingesparten Sozialversicherungsbeträgen umgehen. Künftig gilt, dass sie pauschal 15 Prozent der Beiträge an die Beschäftigten weitergeben müssen, von 2022 an gilt das auch für Bestandsverträge. Teichmann findet das richtig. "Wir haben schon immer geraten, die Ersparnis weiterzugeben." Für Dewitz vom Verband BVMW ist die Weitergabe von 15 Prozent das absolute Minimum, da Arbeitgeber 20 Prozent bei der Entgeltumwandlung einsparen. "Es ist doch die moralische Verpflichtung des Arbeitgebers, das komplett weiterzugeben", findet er.

Möglicherweise führt die Regelung aber zu Auseinandersetzungen, wie eine aktuelle Diskussion ausgerechnet in der Versicherungsbranche zeigt. Arbeitgebervertreter und die Gewerkschaft Verdi streiten über die Weitergabe. Aus dem Umfeld der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgebervereinigung heißt es, dass die neue Regel nicht greift, wenn der Umgang mit den Sozialabgaben bei Entgeltumwandlung bereits per Tarifvertrag geregelt ist. Darauf berufen sich auch die Versicherungsunternehmen.

Riester-geförderte Betriebsrenten werden mit dem Gesetzpaket ebenfalls attraktiver. Die staatlich geförderte Vorsorge über den Betrieb war wegen einer doppelten Belastung mit Sozialbeiträgen bisher uninteressant. Künftig fallen die Abgaben auf die Rentenzahlung weg.

Entscheidend wird sein, wie das Gesetz zur Stärkung der bAV im Markt angenommen wird. Berater Herrmann empfiehlt den Unternehmen, die Möglichkeiten zu nutzen. "Eine gute bAV wird zunehmend Kriterium bei der Auswahl des Arbeitgebers", erwartet er. "Die Möglichkeiten sind da, und man sollte sie nutzen." Der alles entscheidende Punkt sei, dass Unternehmen den richtigen Anbieter auswählen. Dieser sollte leistungsfähig sein, effizient arbeiten und über das nötige Know-how verfügen, so Herrmann.

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