Süddeutsche Zeitung

Altersvorsorge:Mein Ex, meine Rente

Lesezeit: 3 min

Stirbt der frühere Ehepartner, können viele Geschiedene ihre geteilte Altersversorgung zurückverlangen.

Von Berrit Gräber, München

Eine Scheidung ist immer eine belastende Angelegenheit. Vor allem, wenn es um das Teilen der Rentenansprüche geht. Viele Geschiedene müssen beim Versorgungsausgleich einen dicken Brocken ihrer Altersversorgung an die oder den Ex abtreten. Und wenn der einstige Ehepartner stirbt? Tatsächlich schafft der Tod die Abzüge nicht automatisch aus der Welt. Nur wer sich kümmert, kann für den Rest des Lebens noch eine volle gesetzliche wie betriebliche Rente oder Pension genießen. Doch die Materie ist komplex, betont Sabine Krebs, Rechtsanwältin und Rentenberaterin aus Celle.

Die Rechtslage

Vor Gericht werden alle in der Ehe erworbenen Renten- und Pensionsansprüche je zur Hälfte auf das Paar verteilt. Für eine Ehe, in der der Mann mehr verdient als die Frau, heißt das zum Beispiel: Er muss Teile seiner Anrechte auf Altersrente an sie abtreten - das gilt auch für die betriebliche Altersversorgung, eine zusätzliche private Absicherung, eine Beamtenpension oder eine berufsständische Versorgung. Oft büßt der besser Verdienende drei- bis vierstellige Beträge ein, die monatlich an die oder den Ex abfließen. Wichtig: Die Kürzung endet nicht etwa automatisch mit dem Tod der Ex-Frau (oder des Ex-Mannes). Das Geld behalten die Rentenkassen und Versicherer ein - obwohl die Verstorbene keinen Vorteil mehr davon hat.

Die einfachen Fälle Stirbt der frühere Ehepartner, bevor er das Rentenalter erreicht hat, lässt sich die Kürzung der Altersrente oft recht einfach rückgängig machen. Gleiches gilt, wenn die begünstigte Ex-Frau oder der Ex-Mann nicht mehr als 36 Monate lang die Rente vom früheren Partner ausgezahlt bekam. Die Anteile sind in solchen Fällen mit einem Antrag auf "Anpassung wegen Todes" rückholbar, wie Fachanwalt Gregor Mayer aus Kassel erläutert. Auf diesen Antrag hin entscheiden Versorgungsträger wie die Deutsche Rentenversicherung, die Beamtenversorgung oder berufsständische Versorgungen, ob die Rentenanrechte zurückgebucht werden können.

Aber: Betroffene müssen vom Tod der oder des Ex wissen, was nicht immer der Fall ist, und sie müssen selbst aktiv werden. Angeschrieben wird niemand, automatisch läuft gar nichts. Die Rückforderung beziehungsweise Anpassung der Rente erfolgt nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Folgemonat der Antragstellung. "Wer nicht handelt, verschenkt Monat für Monat Geld", betont Anwältin Krebs.

Notfalls vor Gericht

Hat der oder die verstorbene Ex länger als 36 Monate Rente bekommen, müssen Betroffene den Weg zum Familiengericht einschlagen, um sich ihren Anspruch zurückzuholen. Der vergleichsweise simple Antrag beim Versorgungsträger nutzt in solchen Fällen nichts mehr, wie Anwalt Mayer erläutert. Der Weg über ein gerichtliches Abänderungsverfahren ist außerdem angesagt, wenn jemand darum kämpft, die abgetretenen Anteile aus seiner Betriebsrente zurückzuholen. Oder die Zusatzrente aus einer Beschäftigung im öffentlichen oder kirchlichen Dienst.

Auch wer bereits eine Absage vom Versorgungsträger in der Post hatte, kann über das Abänderungsverfahren doch noch zum Ziel kommen. "Viele Menschen, die einen ablehnenden Bescheid bekommen, denken dann, das war's. Das ist aber oft ein Irrtum", betont Mayer. Tatsächlich sei es oft möglich, die Versorgung nach dem Tod des Ex-Partners doch noch zurückzubekommen. "Das ist nur nicht bekannt, das weiß kaum jemand", sagt auch Anwältin Krebs. Dabei gibt es dazu bereits klare Urteile des Bundesgerichtshofs (Az. XII ZB 466/16 und XII ZB 624/15 )

Wer gute Chancen hat

Wer seine volle Altersrente nach dem Tod des Ex-Partners wiederhaben will, sollte wissen: Jeder Einzelfall sollte geprüft werden. Gute Aussichten auf Erfolg haben zum Beispiel jene, deren Ehe zwischen 1977 und 2009 geschieden wurde. Oder deren Scheidungsantrag aus diesem Zeitraum stammt. Die Vorzeichen sind zudem positiv, wenn aus der Ehe vor 1992 geborene Kinder hervorgegangen sind. Oder bei Beamten, denen nach der Scheidung der Ruhegehaltssatz gekürzt wurde. Oder aber, wenn bei der Scheidung eine Betriebsrente geteilt wurde. Betroffene können dann beim Familiengericht ihren Versorgungsausgleich neu berechnen lassen. Ebenfalls wichtig zu wissen: Auch Witwen aus zweiter Ehe können gerichtlich um die Aufstockung ihrer Altersbezüge kämpfen. Sie müssen nicht hinnehmen, dass ihre Witwenrente immer noch um den Versorgungsausgleich ihres verstorbenen Mannes für dessen erste Ehe gekürzt wird, obwohl die erste Ehefrau schon tot ist, wie Anwältin Krebs betont.

Das ist zu tun

Wer einen Versorgungsausgleich bei Gericht löschen lassen will, kann das theoretisch im Alleingang tun. Es gibt keinen Anwaltszwang. Doch die Materie ist kompliziert. Ohne einen Familienrechtsspezialisten plus Rentenexperten an der Seite kommen Laien oft nicht weit. Zudem können die Auskünfte der Versorgungsträger Fehler enthalten. So zog eine Witwe beispielsweise ihren Antrag zurück, weil das Gericht ihr das empfahl, berichtet Anwältin Krebs. Erst mit anwaltlicher Hilfe hatte sie beim zweiten Anlauf ein Jahr später Erfolg: Sie kann sich seither über monatlich rund 500 Euro mehr Witwenrente freuen. Der Versorgungsausgleich ihres verstorbenen Mannes für die längst tote erste Ehefrau ist aus der Welt. Aber: Die Witwe verlor ein Jahr Zeit und verschenkte dadurch 6000 Euro (12 x 500 Euro). Denn wie gesagt: Erst im Folgemonat ab Antragstellung gibt es die erhöhte Rente. Wer lange wartet, verliert viel Geld.

Fazit

Wer erfährt, dass der frühere Ehegatte verstorben ist, sollte ans Zurückholen der übertragenen Rentenansprüche denken. Häufig lässt sich der Versorgungsausgleich selbst dann aufheben, wenn die oder der Ex schon jahrzehntelang Rente bezog. Eine erste Fallprüfung bei Fachanwälten ist in der Regel kostenfrei.

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Quelle:
SZ vom 30.09.2019
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