Süddeutsche Zeitung

Altersvorsorge:Geld für ein langes Leben

Rückt der Ruhestand näher, quält viele Anleger eine Frage: Wie lässt sich zum Beispiel das Geld aus einer Lebensversicherung in eine Zusatzrente umwandeln? Ein Leitfaden.

Von Thomas Öchsner

Es geht um eine Luxusfrage, mit der sich jedes Jahr Hunderttausende herumplagen. Die Lebensversicherung wird mit dem Eintritt in den Ruhestand ausbezahlt, oder es gibt beim Ausscheiden aus dem Betrieb eine hohe Abfindung. Man erbt eine ansehnliche Summe oder eine Immobilie ist schuldenfrei und wird verkauft. Was aber soll man dann mit zum Beispiel 100 000 Euro am besten tun? Wie lässt sich das Kapital in laufendes Einkommen umwandeln, um jeden Monat eine sichere, attraktive Zusatzrente zu bekommen? Zum Ziel führen viele Wege, aber nicht alle lohnen sich wirklich.

Der Klassiker Sofortrente

Die Sofortrente gilt als Standardprodukt für alle, die aus einem Batzen Geld eine lebenslange Rente machen wollen. Dabei wird das gesamte Kapital auf einen Schlag in eine private Rentenversicherung eingezahlt, die dann jeden Monat bis zum Tod des Versicherten eine Zusatzrente auszahlt. Die Sofortrente kommt deshalb vor allem für Menschen in Frage, die im Alter ein Zusatzeinkommen brauchen, große Sicherheit schätzen, sich nicht um ihr Geld aktiv kümmern wollen - und erwarten, lange zu leben. "Man muss aber schon sehr alt und deutlich über 90 werden, damit sich das wirklich lohnt und der Kunde über die Jahre mehr zurückbekommt, als er am Anfang eingezahlt hat", sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Versicherer müssen nämlich damit rechnen, dass ihre Kunden lange leben - und sie entsprechend lange zu zahlen haben. "Und dieses Risiko lassen sie sich teuer bezahlen", sagt der Rentenspezialist Werner Siepe.

Hinzu kommt, dass das eingesetzte Kapital bei neuen Verträgen nur noch mit 0,9 Prozent garantiert verzinst wird. "Zieht man die Kosten ab, bewegt sich die Rendite bei solchen Verträgen dann gegen Null Prozent", warnt Nauhauser. So hat die Stiftung Warentest vor einem Jahr 26 Angebote untersucht. Das Ergebnis: Setzt ein 65-jähriger Modellkunde 100 000 Euro ein, zahlt ihm der Testsieger, der Versicherer Europa, lebenslang eine garantierte Rente von 321 Euro im Monat, ohne Überschüsse gerechnet. Erst ab dem 91. Geburtstag bekommt ein Kunde garantiert mehr ausgezahlt, als er eingezahlt hat. Die Versicherung garantiert aber, die Rente 20 Jahre lang zu bezahlen, wenn der Kunde früh stirbt. So haben mögliche Kinder oder Partner auch noch etwas vom eingezahlten Geld. Diese Garantie kostet einen Aufschlag. Verzichtet der Einzahler darauf, wäre die Rente bei der Europa um 18 Euro höher.

Fazit: Sofortrenten sind bequem und sicher, der Ertrag allerdings oft so mager, dass es bessere Möglichkeiten gibt. Wer sich trotzdem dafür entscheidet, sollte Angebote vergleichen, raten Verbraucherschützer. Die richtige Wahl kann gut 20 Euro mehr oder weniger im Monat ausmachen. Für schwerkranke Menschen ist die Sofortrente eher nichts.

Gute alte Verträge

Ganz anders sieht es aus, wenn die Sparer alte Lebensversicherungen aus den 80- und 90er Jahren oder einen Vertrag bis Ende 2003 abgeschlossen haben - aus zwei Gründen. Der Garantiezins war damals mit bis zu 4,0 Prozent noch deutlich höher. Außerdem kalkulierten die Versicherer mit einer kürzeren Lebenserwartung. Diese alten Zusagen sind weiter gültig. Hat also der Kunde das Wahlrecht und kann sich die Versicherung verrenten lassen, springt eine deutlich höhere Sofortrente heraus als bei den Neuverträgen. Experte Siepe rät, sich einmal auszurechnen, wie viele Monate/Jahre es dann dauert, bis man sein eingesetztes Kapital über die Zusatzrente zurückbekommen hat.

Fazit: "Angesichts der Minizinsen am Kapitalmarkt und fehlender sicherer Anlagealternativen kann sich bei solchen Altverträgen eine Sofortrente lohnen", sagt Finanzexperte Nauhauser.

Auszahlplan der Bausparkasse

Auch Bausparkassen bieten Auszahlpläne an. Besonders attraktiv sind nach den Berechnungen des Finanzmathematikers Siepe die Angebote der Debeka und der Bausparkasse Mainz. Beispiel: Ein 65-Jähriger zahlt 100 000 Euro ein, vereinbart das Kapital komplett aufzubrauchen und sich dafür 25 Jahre eine Zusatzrente monatlich auszahlen zu lassen. Die Zinsen sind bei beiden Anbietern gestaffelt, je länger die Laufzeit, desto mehr gibt es. Bei 25 Jahren beläuft sich der feste Zinssatz auf 1,75 Prozent. Die Summe aller Auszahlungen liegt dann bei 123 300 Euro oder monatlich 411 Euro. Das bringt deutlich mehr als ein von 2004 an abgeschlossener Vertrag bei einer privaten Rentenversicherung. Hier springen nach 25 Jahren weniger als 100 000 Euro heraus. Dafür ist das Geld beim Angebot der Bausparkasse verbraucht, wenn der 65-jährige Kunde mehr als 90 Jahre alt wird.

Anleger, denen das zu riskant ist, haben noch zwei andere Optionen: Sie vereinbaren eine Laufzeit von 30 Jahren, bei der Bausparkasse Mainz ist das möglich. Die monatliche Zahlung sinkt dann auf 369 Euro, dafür steigt der feste Zins auf 2,0 Prozent und die Auszahlungssumme auf 132 840 Euro. Oder sie legen einen Teil der Zusatzrente zurück auf ein Tagesgeldkonto, um für ein Alter von 90 aufwärts eine Reserve zu haben. Nauhauser rät, das Thema Pflege nicht zu vergessen. "Viele ältere Menschen beschäftigt die Frage: "Bin ich flüssig genug, wenn ich ein Pflegefall werde?", sagt er.

Fazit: "Diese Angebote sind wenig bekannt, aber eine echte Alternative für Kunden, die auf Sicherheit großen Wert legen", sagt Siepe. Er rät, bei der Hausbank nachzufragen, ob diese bei diesen Angeboten mithalten kann. Meist sei dies allerdings nicht der Fall. Die Konditionen der Geldinstitute seien schlechter, deren Laufzeiten für Auszahlpläne beliefen sich oft nur auf fünf oder zehn Jahre.

Zusatzbeiträge für die Rente

Angenommen das große Geld gibt es früher, bereits ein paar Jahre vor Eintritt in die Rente. Dann können gesetzliche Rentenversicherte mögliche Abschläge von der Rente abkaufen. Dies setzt voraus, dass sie bis zum Alter von 63 Jahren oder mehr auch mindestens 35 Versicherungsjahre erreichen. Die Zeit für Extrabeiträge ist jetzt besonders gut, weil der Rentenbeitrag mit 18,6 Prozent voraussichtlich bis 2023 so niedrig bleibt und die Renten bis dahin weiter deutlich steigen dürften. Siepe rechnet vor: Investiert ein 55-Jähriger 50 000 Euro über fünf jährliche Teilraten à 10 000 Euro, erhöht sich seine Rente im Ruhestand mit fast 67 Jahren um knapp 200 Euro. Oder der heute 55-Jährige geht mit 63 vorzeitig in den Ruhestand - ohne Abschläge von der Rente. Zusätzlich gibt es Steuervorteile: Wer die Sonderzahlungen in die Rentenkasse auf mehrere Jahre verteilt, kann in dieser Zeit die Extrabeiträge teilweise oder ganz von der Steuer absetzen. "Man muss bei den Zusatzbeiträgen für die Rentenversicherung aber bedenken, dass das Geld aus der Erbmasse verschwunden ist", sagt Nauhauser.

Fazit: "Die Zahlung von Extrabeiträgen in die Rentenversicherung ist derzeit so attraktiv wie noch nie und wird durch den Steuervorteil noch lohnender", sagt Siepe. Er empfiehlt, diese Möglichkeit zu prüfen. Dabei helfen können die Rentenversicherung, unabhängige Rentenberater und auch der Steuerberater.

Mehr Rendite mit Aktienfonds

Zinsen von bis zu zwei Prozent bei Auszahlplänen sind gering, bei einer Inflationsrate von derzeit mehr als zwei Prozent bieten sie nicht einmal einen Schutz vor der Teuerung, erst Recht nach Abzug von möglichen Steuern. Wer höhere Renditen erzielen will, muss sein Geld in Aktienfonds, Mischfonds oder kostengünstige Indexfonds anlegen, die bestimmte Börsenindizes nachbilden. Je länger dabei die Laufzeit, desto besser die Chancen für positive Renditen und desto geringer das Risiko, Verluste zu erwirtschaften. Nur drei statt zwei Prozent Rendite kann über die Jahre schon viel Geld ausmachen: So kommt ein Anleger, der 100 000 Euro auf einen Schlag in Fonds einzahlt, über 25 Jahre jährlich drei Prozent Rendite erzielt, bis das Kapital aufgezehrt ist, auf eine Monatsrente von 472 Euro. Bei einer Rendite von fünf Prozent wären es schon 578 Euro.

Anlegern, denen es zu unsicher ist, allein auf Aktienfonds zu setzen, rät Finanzexperte Nauhauser einen Teil des Geldes in Tages- und Festgeld mit verschiedenen Laufzeiten anzulegen. Von Rentenfonds, die in Anleihen investieren, rät er ab. "Die Gebühren sind zu hoch, die Erträge in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase für einen Auszahlplan zu niedrig", sagt er.

Fazit: Ein Weg für Anleger, die trotz schwankender Kurse schlafen können und sich gerne selbst um ihr Geld kümmern.

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Quelle:
SZ vom 24.12.2018/vit
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