Am Ende haben die Demonstrationen und die Briefe an die Bundestagsabgeordneten doch etwas geholfen. Von vielen noch unbemerkt hat die große Koalition sich bei ihrer Einigung auf eine neue Grundrente auch darauf verständigt, Betriebsrentner bei ihren Beiträgen für die Krankenkasse zu entlasten. Seit 2004 ist für sie der volle Beitrag für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung fällig. Nun werden schon im nächsten Jahr Millionen entlastet. An diesem Donnerstag befasst sich der Bundestag mit dem Gesetz. Wer wie profitiert - die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist derzeit noch zu zahlen?
Betriebsrentner mit Bezügen von bis zu 155,75 Euro monatlich sind von Beiträgen freigestellt. Bei den 155,75 Euro handelt es sich aber um eine Freigrenze und um keinen Freibetrag: Wer nur mindestens einen Cent mehr bekommt, muss also auf seine gesamte Betriebsrente den vollen Krankenkassen- und Pflegebeitrag zahlen plus den Zusatzbeitrag für die Kasse. Das wären bei einer Betriebsrente von genau 200 Euro und einem Rentner mit Kind im Durchschnitt immerhin 37 Euro im Monat.
Was wird verbessert?
Vom 1. Januar 2020 an soll ein Freibetrag von 159,25 Euro gelten, aber nur für die Krankenkassenbeiträge. Das heißt: Erst oberhalb der 159,25 Euro wird der Beitrag fällig, dann aber wieder in vollem Umfang und nicht mit der Hälfte wie bei Arbeitnehmern. Bei den Beiträgen für die Pflegeversicherung gilt weiter die alte Freigrenze. Unterm Strich müsste der Betriebsrentner von seinen 200 Euro somit nur noch gut zwölf Euro für die Kassen abzwacken.
Wer profitiert?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet vor: Ein Drittel der Betriebsrentner müsste künftig keinen Krankenkassenbeitrag mehr für seine Versorgungsbezüge zahlen. Bei einem weiteren Drittel wird sich der Betrag auf maximal 50 Prozent des bisherigen Beitrags belaufen. Ihre Betriebsrente liegt folglich maximal beim Doppelten des neuen Freibetrags, also bei bis zu 320 Euro monatlich. Diejenigen mit einer noch höheren Betriebsrente werden ebenfalls von der Reform profitieren, wenn auch nicht mehr so stark wie die mit geringeren Bezügen.
Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (AbA) sind freiwillig gesetzlich Krankenversicherte von der Regelung ausgenommen. Für private Krankenversicherte gilt das Gesetz ohnehin nicht. Insgesamt sollen vier Millionen der 6,5 Millionen Betriebsrentner von der Reform profitieren.
Wann bleibt den Ruheständlern wirklich mehr von ihrer Rente übrig?
Das Gesetz wird zum Jahresanfang geändert. Die 46 000 Zahlstellen für die vier Millionen Rentner müssen aber ihre Software umstellen. Das klappt frühestens zum 1. Juli 2020, womöglich auch erst Anfang 2021. "Die Rentner werden in der ersten Hälfte des neuen Jahres ganz sicher nichts auf ihrem Konto merken", sagt Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der AbA. Beiträge zurück gebe es dann rückwirkend. Nötig sei dafür ein automatisiertes Erstattungsverfahren, sagt Stiefermann.
Wie sieht es bei denjenigen aus, die ihre Betriebsrente auf einen Schlag kassieren?
Viele Ruheständler, meist mit einer sogenannten Direktversicherung, haben sich bisher für eine einmalige Auszahlung entschieden. Um so größer war bislang der Ärger danach: In diesem Fall sind zehn Jahre oder für 120 Monate Beiträge an die Kranken- und Pflegeversicherung abzuführen, weil die Auszahlung gedanklich auf zehn Jahre verteilt wird. Werden zum Beispiel 100 000 Euro ausgezahlt, sind das pro Monat 833 Euro, das ist die sogenannte fiktive Rente. Bei Beiträgen von insgesamt 18,8 Prozent für einen Rentner ohne Kind sind somit insgesamt 18 800 Euro weg, pro Monat sind das fast 157 Euro. Es bleiben also nur 81 200 Euro übrig, ohne mögliche Steuerzahlungen gerechnet.
Wann sind die Abgaben geringer, bei einer einmaligen Auszahlung oder einer monatlichen Betriebsrente?
Experte Stiefermann rät, zunächst die eigene Lebenserwartung abzuschätzen. Für diejenigen, die sich fit und gesund fühlen, komme eher eine lebenslange Rente in Frage; für diejenigen, die überzeugt sind, dass sie nicht mehr viel älter werden, die einmalige Auszahlung - vorausgesetzt, sie haben überhaupt ein Wahlrecht. Das zweite Entscheidungskriterium: Man muss klären, bei welchem der beiden Wege die Steuerlast größer ist, was vom Vertrag und den Modalitäten bei der Einzahlung abhängt. Bei den Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung ist der Fall hingegen klar: Wer die monatliche Auszahlung bis zum Tod wählt, kann bei den Beiträgen viel Geld sparen. Die ausgezahlte Betriebsrente dürfte bei dem 100 000-Euro-Modellfall nicht einmal halb so hoch sein wie die fiktive Rente. In den ersten zehn Jahren zahlen Rentner deshalb mit diesem Auszahlungsmodell etliche tausend Euro weniger an Kassenbeiträgen als mit einer einmaligen Auszahlung, auch weil sie zukünftig von dem neuen Freibetrag profitieren.