Altersbezüge:So beliebt ist die Rente mit 63

Ein älterer Mitarbeiter in der Metallindustrie - die Rentenversorgung in Deutschland braucht dringend Reformen.

Schuften bis ins hohe Alter? Können oder wollen viele Bürger nicht. Die Zahl der Neuanträge für die Rente mit 63 steigt.

(Foto: imago stock&people)

Hunderttausende haben das Angebot bereits genutzt, die Zahl der Neuanträge steigt weiter. Das führt auch zu immensen Kosten.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Während Union und SPD auf ihre nächste große Koalition und damit auf ihr nächstes Rentenpaket zusteuern, werden die Auswirkungen ihres letzten derartigen Projekts immer deutlicher. Das gilt auch für die Rente mit 63, wie aus der Antwort des Bundessozialministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag hervorgeht, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Seit dem 1. Juli 2014 kann, wer mindestens 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat, schon mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Die eigentliche Regelaltersgrenze dagegen liegt derzeit bei 65 Jahren und sechs Monaten und steigt bis zum Jahr 2031 auf 67 Jahre. Beschlossen worden war das 2007 mit der damaligen Rentenreform. Wie beliebt die Rente mit 63 ist, zeigt die Antwort auf die Grünen-Anfrage. Im ersten Jahr gab es demnach gut 151 000 Rentenzugänge in der Kategorie "Besonders langjährige Versicherte", 2015 waren es gut 274 000 und 2016 noch einmal mehr als 225 000. Zwar fallen in diese Statistik auch abschlagfreie Rentenzugänge nach früherem Recht, so dass die Zahlen nicht alleine der Rente mit 63 zuzurechnen sind. Das Gewicht der Neuregelung aber wird anhand der Zahlen aus dem Jahr ihrer Einführung deutlich: Während bis zum Stichtag 1. Juli 2014 nur knapp 15 000 langjährig Versicherte abschlagsfrei in Rente gingen, waren es in der zweiten Jahreshälfte und damit zu den Bedingungen der neuen Rente mit 63 gut 136 000.

Die Zahl der Neuanträge für die abschlagsfreie Frührente steigt derweil weiter: 2014 gab es gut 242 000 solcher Anträge, davon 206 000 gemäß der neuen Rechtslage nach dem Stichtag; 2017 waren es dann schon gut 253 500 Anträge - nach Neu- und Altfällen wird in der Statistik inzwischen nicht mehr unterschieden.

Die Rente mit 63 hat offenbar auch Auswirkungen auf das Durchschnittsalter, mit dem die Deutschen in Rente gehen. Das Sozialministerium verweist in seiner Antwort auf die entsprechenden Zahlen der Deutschen Rentenversicherung. Demnach stieg das faktische Renteneintrittsalter (viele Arbeitnehmer scheiden vor der Regelaltersgrenze aus dem Beruf aus, auch wenn damit Renteneinbußen verbunden sind) bei Männern zwischen 2000 und 2013 kontinuierlich von 62,2 auf 64,1 Jahre. 2014 aber, dem Einführungsjahr für die Rente mit 63, gab es einen ersten leichten Rückgang auf 64 Jahre, 2015 einen weiteren auf 63,9 Jahre. 2016 blieb es dabei, für 2017 werden die Zahlen erst im Sommer veröffentlicht. Bei den Frauen ist die Entwicklung ähnlich.

"Natürlich hat jemand, der 45 Jahre lang gearbeitet hat, ein Recht auf eine anständige Rente", sagt der rentenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Markus Kurth. "Das pauschale Aussteigermodell Rente ab 63 ist aber eine falsche Antwort in einer differenzierten Arbeitswelt." Die Rentenkasse verliere Beiträge und der Arbeitsmarkt Fachkräfte. Die Lage von Beschäftigten in gesundheitlich besonders belastenden Berufen verbessere die teure Rente mit 63 dagegen genau so wenig wie die von Frauen, die wegen Lücken in der Erwerbsbiografie oft nicht auf derart lange Versicherungszeiten kommen. Auch an den Herausforderungen des demografischen Wandels gehe die Rente mit 63 vorbei.

Anhand der Grünen-Anfrage zeigt sich abermals, wie teuer die Rente mit 63 ist. Die Regierung halte die bisherige Kostenschätzung "nach wie vor für sachgerecht", heißt es in der Antwort des Ministeriums. Das heißt: 12,5 Milliarden Euro von 2014 bis 2020, bis 2025 jährlich bis zu 2,1 Milliarden und dann bis 2030 bis zu 3,1 Milliarden jährlich. Hinzu kommen mehr als sieben Milliarden Euro im Jahr für die Mütterrente. Spannend dürfte es im Herbst werden: Dann, schreibt die Parlamentarische Staatssekretärin im Sozialministerium, Gabriele Lösekrug-Möller, werde der Bericht zu den Auswirkungen der Rente mit 63 vorgelegt.

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