Obwohl seit Jahren darüber diskutiert wird, dass die gesetzliche Rente immer weniger den Lebensstandard im Alter sichern kann, sorgen die Menschen in Deutschland seltener zusätzlich für das Alter vor. Das ist das Ergebnis von Zahlen zur Altersvorsorge, die die Deutsche Rentenversicherung (DRV) am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat. Man beobachte „den Trend, dass die Vorsorge eher rückläufig ist“, sagte Anne Langelüddeke, Leiterin Entwicklungsfragen der sozialen Sicherheit und Altersvorsorge bei der Rentenversicherung. „Reformen sind notwendig. Wir erleben, dass das Drei-Säulen-System bröckelt.“
Das Drei-Säulen-System beschreibt die Hauptkomponenten der Altersvorsorge, bestehend aus der gesetzlichen Rente, den Betriebsrenten und der privaten Zusatzvorsorge, die vor allem in Form der staatlich geförderten Riester-Rente getätigt wird. Man stelle bei Betriebsrenten seit 2019 eine Stagnation und zuletzt sogar einen leichten Rückgang fest, sagte Langelüddeke. Bei der Zahl der Riester-Renten sei der Rückgang noch deutlicher. Gut die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten spart demnach für eine Betriebsrente an, gut ein Viertel besitzt einen Riester-Vertrag.
Zusammengenommen haben sich auf diesem Wege 62 Prozent der Beschäftigten zusätzlich abgesichert – das heißt im Umkehrschluss, dass fast 40 Prozent sich nicht zusätzlich absichern – zumindest nicht mit diesen als besonders verlässlich geltenden Instrumenten. Andere Arten der Vermögensbildung wie eigene Immobilien oder private Aktieninvestments sind hier nicht berücksichtigt. Diese Lage mache „uns unruhig“, sagte Langelüddeke.
Die von der DRV präsentierten Zahlen zeigen zudem, dass Menschen mit hohen Einkommen ab 5500 Euro im Monat deutlich häufiger staatlich geförderte Zusatzvorsorge treffen (zu 82 Prozent) als Menschen mit einem niedrigen Monatseinkommen bis 1500 Euro monatlich (45 Prozent). Die erklärte politische Absicht war eine andere gewesen, nämlich dass insbesondere Geringverdiener mehr zusätzlich vorsorgen, weil bei ihnen die gesetzliche Rente gering ausfällt. Sie haben ein besonders hohes Risiko der Altersarmut.
Familien mit vielen Kindern haben häufig ein Vorsorgeproblem
Die Zahlen unterstreichen den Reformbedarf bei Rente und Altersvorsorge. Die schwarz-rote Koalition hat eine Rentenreform und Neuerungen bei der privaten und betrieblichen Altersvorsorge vereinbart. In der Rentenversicherung soll das derzeitige Niveau der Renten bis 2031 auf 48 Prozent festgeschrieben werden. Eine Stabilisierung bedeutet, dass die Renten weiterhin grundsätzlich mit den Löhnen steigen. Ohne eine Reform würden die Renten hinter den Lohnsteigerungen zurückbleiben.
Darüber hinaus wollen Union und SPD die Menschen dazu bringen, selbst mehr fürs Alter vorzusorgen. Hierfür setzen sie bei den Kindern an. Schon zu Beginn des kommenden Jahres soll laut Koalitionsvertrag die „Frühstart-Rente“ kommen. Dem Modell zufolge zahlt der Staat allen Kindern und Jugendlichen vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr zehn Euro im Monat, die in Deutschland eine Schule oder andere Bildungseinrichtung besuchen. Das Geld fließt auf ein Depot, wird am Kapitalmarkt angelegt und kann durch eigene Einzahlungen aufgestockt werden. Das Vermögen wird vom offiziellen Renteneintrittsalter an ausgezahlt.
Auch bei der Riester-Rente soll sich etwas tun, hier fördert der Staat private Altersvorsorgeverträge; das Modell ist berüchtigt für hohe Kosten und niedrige Renditen. Ziel ist ein neues Vorsorgeprodukt, das einfacher und günstiger sein soll. Die bisherige Pflicht, dass mindestens die eingezahlten Beiträge im Ruhestand ausgezahlt werden müssen, soll wegfallen. Diese Kapitalgarantie, die gesetzlichen Auflagen und hohen Gebühren der Anbieter haben die Verträge in vielen Fällen unattraktiv gemacht. Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen sollen künftig „eine möglichst einfache staatliche Förderung“ bekommen. Details sind noch offen. Die betriebliche Altersversorgung will Schwarz-Rot „stärken“ und deren Verbreitung bei Geringverdienern vorantreiben. Geringverdiener sollen eine bessere staatliche Förderung erhalten.
DRV-Fachfrau Langelüddeke wollte die einzelnen Pläne der Koalition nicht bewerten, breitete allerdings Optionen für mögliche Reformen aus. Eine Vereinfachung der Angebote zur zusätzlichen Altersvorsorge könnte helfen, zudem eine noch bessere Förderung für die Gruppen, die bisher am wenigsten vorsorgen. Eine besonders große finanzielle Lücke zeichnet sich bei Geringverdienern ab, bei Menschen mit drei und mehr Kindern sowie bei nicht deutschen Beschäftigten. Letztere seien eine „ganz große Problemgruppe“. Zudem könnte man über eine Pflicht zur zusätzlichen Altersvorsorge diskutieren. Im Koalitionsvertrag ist dergleichen allerdings nicht vorgesehen, lediglich neue Selbständige sollen grundsätzlich zur Zusatzvorsorge verpflichtet werden.