Alternative Antriebe für Lkws:Wasserstoff im Tank

Daimler zählt den Diesel an, der gerade noch als Zukunftstechnik galt: Neue Lkws sollen bis 2039 mit Akkus oder Brennstoffzellen fahren. Für seine Kehrtwende fordert das Unternehmen staatliche Förderung.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Bald soll der Diesel auch aus Nutzfahrzeugen verschwinden. Bis vor Kurzem waren sich die Beobachter und Macher der Transportbranche noch einig, dass die Selbstzündermotoren zumindest in den großen und schweren Lkws noch eine sehr lange Zukunft haben, weil es keine effizientere Technik gibt, um die Waren über die Alpen zu schaffen. Aber am Freitag läutete Martin Daum, Chef der Daimler-Nutzfahrzeugsparte, das Ende der Diesel-Trucks ein: "Wir setzen alles daran, dass wir den Diesel ab 2039 in Europa nicht mehr brauchen", verkündete der Manager auf dem Deutschen Logistik-Kongress. Er setzt künftig also verstärkt auf Batterie und Brennstoffzelle.

Und was wird aus dem Diesel? Der ist zwar im Moment noch viel effizienter und günstiger und wird bei Daimler zunächst auch noch weiterentwickelt. Doch das könnte sich ganz schnell ändern, wie Daum andeutet: "Sobald die Gesellschaft es schafft, die CO₂-freien Transporte günstiger als die fossilen zu machen, wird der Markt über Nacht komplett kippen", sagt Daum. Weg vom Diesel, hin zum Elektro-Lkw. Auf diesen Tag will er vorbereitet sein. Deshalb verteilt er ab sofort "erhebliche Entwicklungsgelder" vom Verbrenner in die Akku- und Wasserstoff-Technologie um. Ein Grund hierfür sind sicherlich die strengeren CO₂-Grenzwerte, die EU-weit in Zukunft auch für Lkws und Busse gelten werden. Und bevor das Unternehmen Bußgelder zahlt, steckt es diese Summen lieber in die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Logistikmarkt der Zukunft. Nachdem sich die stolzen Daimler-Ingenieure bei der Batterie-Technologie von Konkurrenten aus China und USA haben überholen lassen, wollen sie eine ähnliche Schmach beim Brennstoffzellen-Antrieb vermeiden.

In dieser Woche stellte die Daimler-Tochter Fuso auf der Tokio Motor Show den Brennstoffzellen-Prototyp "Vision F-Cell" vor. Und in zehn Jahren will Daum den ersten wasserstoffgetriebenen Serien-Lkw auf die Straße bringen. Die ersten Batterie-Trucks und Busse fahren bereits seit Längerem. Martin Daum spricht von "Pionierarbeit" und seine Ambition sei es, "dass bis 2039 alle unsere Neufahrzeuge in Europa im Fahrbetrieb CO₂-neutral sein sollen". Ähnliches soll für Nordamerika und Japan gelten.

Alternative Antriebe für Lkws: Auch die mächtigen Trucks seiner US-Tochter Freightliner will Daimler langfristig mit alternativen Antrieben ausstatten.

Auch die mächtigen Trucks seiner US-Tochter Freightliner will Daimler langfristig mit alternativen Antrieben ausstatten.

(Foto: AP)

Diese Ankündigung verknüpfte er mit einer Forderung an die Politik: "Um CO₂-neutrale Lkws wirklich wettbewerbsfähig zu machen, brauchen wir staatliche Lenkungseingriffe." Ein CO₂-neutraler Transport dürfe künftig pro Kilometer nicht mehr kosten als dieselbasierter Transport. Nur dann seien die Spediteure angesichts ihrer kleinen Margen in der Lage, den Umstieg auf nachhaltige Fahrzeuge zu schaffen. "Deshalb müssen die Kostennachteile von CO₂-neutralen Lkws gegenüber herkömmlichen Diesel-Modellen ausgeglichen werden", appelliert Daum. Sein Vorschlag: Es wäre "dringend geboten", die Maut an den CO₂-Ausstoß von Lkws zu koppeln und lokal emissionsfreie Lkws "signifikant besserzustellen" - und dies laut Daum "europaweit".

Zudem fordert Daum den Aufbau einer flächendeckenden Lade-Infrastruktur, die auch auf schwere Trucks ausgelegt ist. So müssten Wasserstoff-Tankstellen eben nicht nur gasförmigen, sondern auch flüssigen Wasserstoff anbieten. Dabei müsse die Politik "eine Anschubhilfe leisten - und zwar konzeptionell und finanziell".

Bereits im Mai hatte Daimler-Vorstandschef Ola Källenius einen ähnlichen Strategie-Schwenk für alle Mercedes-Pkws angekündigt. Bis 2039 sollen alle Neuwagen CO₂-neutral fahren. Jetzt zieht die Lkw- und Bus-Sparte nach. Und das ist bemerkenswert, denn bis zuletzt hatten Experten betont, dass Batterie-Lkws keinen Sinn ergäben, weil die Akkus viel zu schwer seien. Noch 2017 hatte Källenius auf die Frage, ob der Diesel ein Auslaufmodell sei, geantwortet: "Definitiv nein." Daimler brauche den Diesel weiterhin und werde auch in Zukunft die Weiterentwicklung vorantreiben. "Er bietet Vorteile bei den CO₂-Emissionen und ist im Güterverkehr sowie in zahlreichen Märkten, allen voran in Europa, aus gutem Grund weiterhin relevant", beteuerte Källenius damals.

Doch im April beschloss das Europaparlament, dass der CO₂-Ausstoß von Lkws und Bussen bis 2025 um durchschnittlich 15 Prozent sinken muss - bis 2030 um 30 Prozent. Auch deshalb hatte zuletzt die Volkswagen-Tochter Traton mit ihren Marken MAN und Scania ein Umlenken angekündigt. "In den nächsten zehn bis 15 Jahren könnte jeder dritte Lkw und Bus unserer Marken mit alternativen Antrieben fahren", sagt Traton-Chef Andreas Renschler jüngst. Sein Ziel sei "es, führender Hersteller von E-Lkws und E-Bussen zu werden." Diese Kampfansage hat Daimler nun gekontert - und geht zumindest verbal einen Schritt weiter.

"Bis vor vier Jahren haben Politik und Industrie gewartet, bis der andere was macht."

Bis 2022 soll es in allen Kernregionen Serienfahrzeuge mit Batterieantrieb geben und bis Ende des Jahrzehnts Lkws und Busse mit Wasserstoffantrieb, also mit Brennstoffzelle. Um die CO₂-freien Fahrzeuge noch schneller und effektiver auf die Straße zu bringen, wurde ein Entwicklungsteam für alle fünf Truck-Töchter des Konzerns (Mercedes, Fuso, Freightliner, Bharat-Benz, Western Star) zusammengefasst. Damit ist Daimler allerdings alles andere als Vorreiter. Der südkoreanische Hersteller Hyundai will schon von 2020 an in der Schweiz 1600 Wasserstoff-Lkws auf den Straßen testen. Auch der Stuttgarter Zulieferer Bosch arbeitet zusammen mit dem US-Hersteller Nikola an einem Wasserstoff-Truck. Und der US-amerikanische Elektroautohersteller Tesla will in den Lkw-Markt einsteigen und hat für 2020 den sogenannten Semi-Truck angekündigt.

Alternative Antriebe für Lkws: Martin Daum, Chef der Daimler-Nutzfahrzeugsparte.

Martin Daum, Chef der Daimler-Nutzfahrzeugsparte.

(Foto: dpa)

Der Transport-Experte Matthias von Alten vom Beratungshaus Publicis Sapient bezeichnet die Entscheidung Daimlers als "richtigen Schritt". Wie schnell die alternativen Antriebstechnologien wirtschaftlich sein werden und wann sie von der Ökobilanz her ganzheitlich sinnvoll sind, sei noch offen - nicht zuletzt, weil die Produktion von Wasserstoff viel Energie benötigt. Aber gerade weil noch so viele Fragen offen seien, "sind Forschungsaktivitäten zwingend notwendig", sagt Alten. Welche Auswirkungen der Umschwung auf die Werke des Daimler-Konzerns und die Zulieferer haben, ist noch nicht absehbar.

Martin Daum betont, dass alternative Antriebe auf absehbare Zeit teurer sein werden als Diesel-Motoren. Der Umstieg auf CO₂-neutrale Transporte werde somit auch die Waren verteuern. "Darauf müssen wir uns alle einstellen - als Industrie, aber auch als Gesellschaft." Dennoch sei ein CO₂-neutraler Transport auf den Straßen bis 2050 sein "ultimatives Ziel".

Ob Daimler seine forsche Ankündigung wirklich wahr macht, hängt nun davon ab, ob die Politik wirksame Rahmenbedingungen setzt. "Wir möchten jetzt ein klares Zeichen setzen", sagt Daum. "Bis vor vier Jahren haben Politik und Industrie immer gewartet, bis der andere was macht." Er selbst sei auch so vorgegangen, fügt Daum selbstkritisch an. Diesmal wolle er vorweggehen. Wie viel das kostet, verrät er nicht. "Da wird gerade im Unternehmen kräftig gefeilscht."

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