Alstom:Korruption - passt schon

Mit den Vorwürfen gegen Alstom droht nun auch Frankreich ein Korruptionsskandal. Doch die Franzosen kümmert das wenig - sie haben traditionell ein entspanntes Verhältnis zu Affären.

Michael Kläsgen

Nun hat Frankreich also auch sein Siemens, einen Korruptionsskandal ungeahnten Ausmaßes, in dem eines der Vorzeigeunternehmen des Landes, Alstom, die Hauptrolle spielt. Sollte man meinen, oder nicht?

Alstom: Arc de Triomphe - Denkmal der französischen Hauptstadt. Die Zentrale von Alstom liegt ganz in der Nähe von Paris - in Levallois-Perret.

Arc de Triomphe - Denkmal der französischen Hauptstadt. Die Zentrale von Alstom liegt ganz in der Nähe von Paris - in Levallois-Perret.

(Foto: Foto: dpa)

Weit gefehlt, so ist es nicht, jedenfalls nicht in der öffentlichen Wahrnehmung im Land selbst. Man muss schon genau hinschauen, um überhaupt mitzubekommen, dass gegen Alstom ermittelt wird. Dass der Industriekonzern jahrelang systematisch Amtsträger im Ausland mit Millionenbeträgen bestochen haben soll, um an Aufträge zu kommen, ist eine Nachricht, nach der man fast fahnden muss.

Aus deutscher Sicht mag man verständnislos einwerfen, dass doch alles so zu sein scheint wie bei Siemens, nur mit etwas geringeren Schmiergeldsummen, zumindest nach gegenwärtigem Kenntnisstand. Das stimmt, und doch tendiert der Empörungspegel in Frankreich gegen null.

Keine Transparenz in Geldangelegenheiten

Die Franzosen, so unsinnig Verallgemeinerungen auch sein mögen, haben offensichtlich ein entspannteres Verhältnis zu Affären oder im weitesten Sinne zu Lug und Trug, Korruption und Mauschelei. Woher diese Abgeklärtheit oder besser: Abgestumpftheit kommt, darüber lässt sich nur mutmaßen.

Womöglich findet sie ihren Ursprung bereits im Alltag: Transparenz vor allem in Geldangelegenheiten gibt es selten. (Mal abgesehen davon, dass man über Geld wenig spricht.) Für das Handy zahlt man in der Regel monatlich einen Pauschalbetrag, ohne zu wissen, wofür eigentlich. Die Mieterhöhung flattert einem so ins Haus, ohne dass sich erschlösse, wie sie sich errechnet.

Dafür wird im Gegenzug ein bisschen bei der Steuererklärung geschummelt, aber das gibt es ja auch in andern Ländern. Eher Frankreich-spezifisch ist, dass nicht mal der Rechnungshof weiß, wie hoch das Budget des Staatspräsidenten ist, wobei sich das jetzt ändern soll. Und dass verdiente Mitarbeiter im Elysée noch vor nicht allzu langer Zeit ein kleines zusätzliches Salär in bar im Briefumschlag zugesteckt bekamen.

Gib anderen nie eine Blöße

Förderlich für den gelassenen Umgang mit Affären ist sicherlich auch eine zumindest unterschwellige Anerkennung für Personen, die man in Bayern mit"A Hund isser scho" charakterisiert. Soll heißen: Wer Dreck am Stecken hat, kann schon ein klasse Typ sein.

Mit den Präsidenten Mitterrand und Chirac seien hier nur zwei Prototypen dieses Phänomens genannt. Die Franzosen sind aber nicht nur insgeheim die wahren Bayern, sie bringen es auch fertig, die Chinesen Europas zu verkörpern. Das macht ihren besonderen Charme aus. Gib anderen nie eine Blöße, so musst du auch selber nie das Gesicht verlieren, lautet eine Maxime, die zur Bewältigung des Alltags unerlässlich ist.

Immer schön freundlich sein und die Etikette wahren, so handhaben es selbst die Clochards am Straßenrand. Irgendwo in diesem Dunstkreis müssen die Grundlagen zu finden sein, auf denen das Französische zur Sprache der Diplomatie aufgestiegen und Frankreich zur Modenation geworden ist. Es gilt, den schönen Schein zu wahren.

So gesehen ist es kein Wunder, dass Alstom am Tag zwei der Enthüllung in Frankreich nicht am Pranger steht. Nein, das Unternehmen läuft nicht mal im Ansatz Gefahr, zur Chiffre für schmutzige Geschäfte zu werden.

Es ist auch weit und breit nichts davon zu spüren, dass eine irgendwie geartete Aufräumarbeit beginnen würde. Die wird auch von niemandem, keinem Politiker, keinem Zeitungskommentator oder sonst wem gefordert.

Wenn nicht eine ausländische Zeitung von dem Fall berichtet hätte - die Affäre wäre wohl nie aufgetaucht, wie vermutlich viele andere Affären es nie taten.

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