Süddeutsche Zeitung

Alpirsbacher Klosterbrauerei:Erben am Biertisch

Lesezeit: 4 min

Die Unternehmerfamilie Glauner will den Betrieb in die fünfte Generation überführen. Und neuerdings auch Whisky verkaufen.

Von Dagmar Deckstein

Es geht an den altertümlichen Ausstellungsstücken vorbei, an allerlei Maschinen und Werkzeugen zum Bierbrauen aus längst vergangenen Zeiten. Dann heißt es, ausgetretene, steinerne Stufen tief hinunterzusteigen. Dort unten, im kühlen, 900 Jahre alten Sandstein-Keller unter dem Brauereimuseum in der ehemaligen Klosteranlage ist dann nicht mehr allzu viel zu besichtigen außer 15 Eichenholzfässern, in denen seit mindestens sieben Jahren Whisky heranreift. Whisky? Ausgerechnet aus dem Schwarzwald, im 7000-Einwohnerdorf Alpirsbach an der Kinzig, das sich bisher nur durch die nach dem Ort benannte Bierbrauerei einen international bekannten Namen erworben hat.

Mit jährlich 200 000 Hektolitern Bier, 25,2 Millionen Euro Umsatz und 95 Mitarbeitern ist die Privatbrauerei zwar eher übersichtlich dimensioniert, setzt dafür aber ausschließlich auf Premium-Qualität. Mit Klasse statt Masse räumen die Alpirsbacher bei nationalen und internationalen Wettbewerben stets begehrte Bierpreise ab. Wie zum Beispiel erst neulich den Bundesehrenpreis des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Aber auch beim World Beer Cup oder beim European Beer Star ist Alpirsbacher schon Preisträger-Stammgast. Jetzt also noch einen Whisky obendrauf. Von diesem Oktober an kommt der "Klosterwhisky" in den Handel, die Halbliterflasche im edlen Holzkästchen für 79,90 Euro. Aber mehr als 2000 Flaschen gibt es erst einmal vom allerneuesten Produkt der Alpirsbacher Klosterbrauerei nicht. Schon deswegen, grinst Carl Glauner, habe ihm ein interessierter Großkunde alle 2000 Flaschen auf einen Schlag abkaufen wollen. Wer das war? Verrät er nicht. Andererseits habe es ja nahegelegen, aus den Bier-Rohstoffen wie Gerste und Malz auch das Trendgetränk Whisky zu destillieren, zumal Alpirsbacher auch Bierbrände nebst Malz- und Kräuterlikören herstellt.

Auch externe Manager sind denkbar

Carl Glauner ist Urenkel des Brauereigründers Johann Gottfried Glauner, der 1877 das damals noch als Löwenbrau firmierende Unternehmen kaufte und damit die Benediktiner-Klosterbrauerei aus dem elften Jahrhundert reaktivierte. 1880 ging die Firma an Carl Albert Glauner über. 1906 erfolgte die Umfirmierung zu Alpirsbacher Klosterbräu. Die kleine, feine Brauerei befindet sich also schon lange im Besitz der Familie Glauner, inzwischen in vierter Generation. Ein traditionsreiches und verantwortungsvolles Erbe, befindet Carl Glauner, das es auch für die fünfte Generation zu bewahren gelte. Auch wenn regelmäßig und nicht von ungefähr kaufwillige Großbrauereien an seine Alpirsbacher Bürotür klopfen, ob sie nun Heineken oder Anheuser-Busch Inbev heißen. Bisher vergeblich, und allem Anschein nach werden wohl auch in Zukunft solche Ansinnen vergebliche Liebesmüh' bleiben.

Sie sind zwar allesamt noch jung, die Eltern Katrin, 53, Kaufmännische Leiterin und Prokuristin der Brauerei, und Carl Glauner, 58, Geschäftsführender Gesellschafter. Ihre vier Kinder, drei Töchter und ein Sohn im Alter zwischen 18 und 24 Jahren, sind allesamt noch in der Ausbildung. Aber dennoch hat sich die Familie schon vor einigen Monaten dazu entschlossen, unter professioneller Begleitung von zwei externen Beratern Erbschafts- und Nachfolgefragen intensiver zu beleuchten. "Die Kinder können alle Fragen stellen, die sich rund ums Erben und um unternehmerische Verantwortung ranken", berichtet Katrin Glauner. Und dabei habe sich inzwischen herauskristallisiert, dass die vier Kinder schnell Verantwortungsbewusstsein für die Traditionsbrauerei und vor allem für die fast hundert Mitarbeiter entwickelt hätten. Alle vier seien unisono der Überzeugung, dass auch sie die erfolgreiche Privatbrauerei nicht zu verkaufen gedächten. Ob sich eine oder einer der Sprösslinge dereinst für die Geschäftsführung erwärmen würde, sei so früh noch nicht absehbar - zumal etwa die älteste Tochter Medizin studiere. Aber man könne ja als Unternehmenserben dereinst auch externe Manager einsetzen. Der Beratungsprozess, so fügt Frau Katrin hinzu, dauere sicher noch länger als ein Jahr.

Solche Weitsicht ist in familiengeführten Unternehmen nicht allzu weit verbreitet. Aber der Erbschaftsteuer-Gesetzgeber habe nach Carl Glauners Auffassung auch nicht gerade viel Weitsicht gezeigt. Im Dezember 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht das Erbschaftsteuergesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt und verlangt, dass die Bedingungen, unter denen Betriebserben von Erbschaftsteuer verschont werden, verschärft werden müssten. Sie sprachen von "Überprivilegierung" der Unternehmenserben und verlangten strengere Prüfauflagen.

Für Glauner ist vieles, was an unterschiedlichen Reformplänen nach wie vor herumschwirrt, schlicht nicht nachvollziehbar. "Als Erstes stellt sich die Frage, was ist notwendiges, was ist nicht notwendiges Betriebsvermögen? Wir kleinen Mittelständler stecken doch alles erwirtschaftete Geld ins Unternehmen, auf dass die Firma weiter florieren und Mitarbeiter wie Eigentümer weiter ernähren kann. Das ist auch die erste Frage, die sich Firmenerben stellen müssen: Ist es für uns weiterhin wirtschaftlich interessant, kann es auch uns Erben weiter die Existenzgrundlage bieten?" Wobei sich gleich die Frage stellt, ob Katrin und Carl Glauner ihren vier Kindern vorsichtshalber vielleicht schon per Schenkung den einen oder anderen Vermögensanteil überschrieben haben? "Nein", sagen beide Eltern unisono, "dafür wäre unsere vergleichsweise kleine Brauerei sowieso nicht geeignet."

Aber Carl Glauner ist vom jüngsten, Ende August vereinbarten Erbschaftsteuer-kompromiss der großen Koalition auch noch nicht so recht überzeugt. "Da wurde doch die bisherige Konstruktion durch gewohntes Polit-Geschacher nochmals verkompliziert." Ob das Ganze vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben werde, das bezweifelt Glauner ebenso wie viele andere Kritiker. Er könne, sagt er, dem Vorschlag des Grünen-Chefs Cem Özdemir viel abgewinnen: "Özdemir plädiert für eine Erbschaftsteuer-Flatrate von 15 Prozent aufs Firmenvermögen, ausgestreckt über 15 Jahre. Das machte wirklich Sinn."

Es sei doch so: Jeder Euro aus der Firmensubstanz, der ans Finanzamt abgeführt werden müsse, schwäche die Finanzkraft der Firma für Investitionen. Wie etwa für die, die Alpirsbacher vergangenes Jahr getätigt habe: ganze 3,57 Millionen Euro. Damit wurden ein Keller für Brauerei-Besichtigungen und Festveranstaltungen umgebaut, die Heißwasserversorgung erneuert sowie eine Malzschrotmühle und ein Bügelflaschen-Inspektor angeschafft. Außerdem wurden Sozialräume umgebaut und eine neue Kälteanlage gekauft. Ohne Investitionsfleiß kein Bierpreis. Als kleine Privatbrauerei müsse Alpirsbacher immer wieder neu in Qualität investieren. Und das bis hin - das muss Glauner jetzt aber auch noch loswerden - zur Einstellung einer "Ehrlichkeitsbeauftragten". Die wacht über alle Geschäfts- und Produktionsprozesse und über die Einhaltung der firmeneigenen Werteskala. Etwa auch über die Frage, ob der teure Naturhopfen aus Tettnang am Bodensee fürs Alpirsbacher Bier nicht durch kostengünstigeren Hopfenextrakt ersetzt werden könnte. Kurze, ehrlichkeitsbeauftragte Antwort: Geht gar nicht!

Was für Glauner auch längst nicht mehr geht, ist Abhängigkeit von Banken oder vom Finanzmarkt. "Was wir in den letzten Jahren gelernt und eisern verfolgt haben, ist, auf Rendite zu achten, unsere Schulden drastisch zu reduzieren und Eigenkapital aufzubauen, sodass wir kapitalmarktfähig wären, ohne auf den Kapitalmarkt angewiesen zu sein."

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Quelle:
SZ vom 06.10.2016
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