Kommentar:Gewinn, aber nicht um jeden Preis

Kommentar: Illustration: Bernd Schifferdecker

Illustration: Bernd Schifferdecker

Für Allianz-Chef Oliver Bäte zählt vor allem der Gewinn. Nur dann ist das Unternehmen für Aktionäre attraktiv, glaubt er. Diese Strategie könnte sich jetzt rächen.

Von Herbert Fromme, Köln

Hat Konzernchef Oliver Bäte die Allianz noch im Griff? Oder führt sein Prinzip, dass Aktienkurs und Gewinn das Maß aller Dinge bei dem Versicherer sind, zu Laxheit bei den Methoden, mit denen dieser Gewinn erzielt wird? Das fragen sich manche Anleger und Kunden nach den Ereignissen der vergangenen Wochen.

Fall eins: Am Sonntag musste die Allianz mitteilen, dass das US-Justizministerium gegen sie ermittelt. Es geht um Verluste in Höhe von rund sechs Milliarden Dollar, die US-Anleger mit speziellen Fonds der Konzerntochter Allianz Global Investors im Covid-Börsencrash im März 2020 erlitten hatten. Vor allem Pensionsfonds klagen. Bislang hatte die Allianz die Vorwürfe als unbegründet zurückgewiesen. Die Ermittlungen der obersten Strafverfolgungsbehörde der USA ändern das. Jetzt will der Allianz-Vorstand selbst die Vorgänge untersuchen - fast 17 Monate nach dem Crash.

Fall zwei: Im Juli hatte die Süddeutsche Zeitung enthüllt, dass sich die Technologietochter Allianz X auf eine große Investition zusammen mit dem umstrittenen Geschäftsmann Bensen Safa eingelassen hatte, dem enge Verbindungen ins Geldwäscheparadies Nordzypern vorgeworfen werden.

In beiden Fällen hat die Kontrolle des Geschäftsgebarens durch die Führung offenbar nicht richtig funktioniert. Dasselbe war der Konzernzentrale am Englischen Garten in München mit dem Industrieversicherer Allianz Global Corporate & Specialty passiert, der vor drei Jahren in ernsthafte Probleme geraten war. Auch hier reagierte die Chefetage viel zu spät auf Warnsignale. Ende 2019 musste sie dann mit Brachialgewalt die Führung austauschen und seither frisches Geld in Milliardenhöhe einschießen.

Nun ist es für jeden Manager schier unmöglich, bei einem Finanzkonzern mit 140 Milliarden Euro Umsatz und 150 000 Mitarbeitern Fehler und Skandale zu verhindern. Das zeigt ein Blick auf die großen Banken und Automobilhersteller. Verglichen mit der Deutschen Bank oder VW ist die Allianz fast skandalfrei. Doch das könnte sich ändern. Sollte die US-Justiz bei ihrer Untersuchung gegen die Allianz fündig werden, wird eine saftige Geldstrafe fällig, zusätzlich zum Schadenersatz für die geschädigten Anleger. Das trifft nicht nur die Finanzen des Konzerns, sondern auch den Ruf.

Versicherungsaktien gelten nicht als besonders attraktiv

Konzernchef Bäte hasst negative Überraschungen, die schaden dem Aktienkurs. Die Konzerngesellschaften sollen stetig Ergebnisse erzielen. Denn Bäte hat das Motto ausgegeben, dass die Allianz immer die angekündigten Gewinne liefert - trotz Pandemie, Flut, Waldbränden oder anderen Großschäden. Die Gedanke dahinter: Nur so kann der Konzern die nötige Unterstützung der Anleger behalten. Versicherungsaktien gelten nicht als besonders attraktiv. Sie werden nicht gekauft, weil das Unternehmen dahinter ein tolles Geschäftsmodell mit viel Zukunftsmusik verfolgt. Nein, das ist den Internet-Giganten und manchem Start-up vorbehalten. Versicherer gelten dagegen als langweilig.

Damit die Investoren trotzdem Allianz-Aktien kaufen oder ihre Papiere zumindest behalten, braucht die Gruppe stetig hohe Gewinne. Daraus kann sie satte Dividenden zahlen und milliardenschwere Aktienrückkaufprogramme finanzieren.

Es ist wahrscheinlich, dass Bätes Methode der Unternehmensführung - Hauptsache, der Gewinn stimmt - jetzt an ihr Ende gekommen ist. Neben den aktuellen Problemen hat die Allianz weitere Baustellen, die teuer werden können. Dazu gehören die Altbestände in der deutschen Lebensversicherung, deren vergleichsweise hohe Zinsgarantien wehtun. Auch die immer noch zu hohen Kostenquoten und der Fehlstart in der deutschen Direktversicherung sind Schwachstellen, die beseitigt werden müssen.

Ein Versicherer lebt davon, dass er in manchen Jahren sehr viel für Schäden bezahlen muss, in anderen deutlich weniger. Das darf sich ruhig im Gewinn zeigen, das müssen die Aktionäre aushalten. Eine Unternehmensführung, die mit aller Macht versucht, solche Schwankungen im Resultat wegzubügeln, hat aber irgendwann große Probleme. So wie jetzt Oliver Bäte.

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