Süddeutsche Zeitung

Allianz:Gute Zahlen, aggressiver Chef

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Die Allianz hat gut verdient - ignoriert man die Auswirkungen eines Betrugsskandals in den USA. Konzernchef Oliver Bäte reagierte zuletzt außergewöhnlich gereizt: Jeder bekommt sein Fett weg.

Von Herbert Fromme, Köln

Eigentlich kann die Allianz-Führung sehr zufrieden sein. Bei den aktuellen Zahlen helfen ihr die kräftig steigenden Preise und höhere Erträge aus Kapitalanlagen, schließlich gehen die Zinsen nach oben.

Deutschlands größter Versicherer hat in den ersten neun Monaten einen operativen Gewinn von 10,2 Milliarden Euro erzielt, drei Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Umsatz stieg sogar um 5,3 Prozent auf 116 Milliarden Euro, sagte Finanzvorstand Giulio Terzariol am Donnerstag vor Journalisten.

Dennoch: Nicht alles ist gut. Denn der den Aktionären zustehende Nettogewinn fiel mit 4,7 Milliarden Euro deutlich niedriger aus als die 6,9 Milliarden Euro in den ersten neun Monaten 2021.

Hauptgrund sind die hohen Aufwendungen für Schadenersatz und Geldstrafen nach dem Structured-Alpha-Betrugsskandal in den USA. Die Allianz-Tochter Allianz Global Investors (AGI) hatte Großanlegern falsche Versprechungen über Absicherungen gemacht sowie Daten gefälscht. Als die Kurse zu Beginn der Pandemie 2020 kräftig nachgaben, verloren die Investoren viel Geld.

Die Allianz musste in den vergangenen Monaten rund sechs Milliarden Euro an Geldstrafen und Schadenersatz zahlen, außerdem darf die AGI zehn Jahre lang keine Fonds in den USA verkaufen.

Anleger nehmen das der Allianz offenbar immer noch übel: Mit einem Rückgang um acht Prozent seit Januar entwickelt sich der Aktienkurs des Versicherers deutlich schlechter als bei Rivalen. Hauptkonkurrent Axa ist ganz leicht im Plus, Munich Re hat sogar neun Prozent zugelegt und Zurich zwölf Prozent.

Die Allianz-Führung unter Konzernchef Oliver Bäte will die Anleger mit einem Aktienrückkaufprogramm von einer Milliarde Euro für sich gewinnen, mit dem der Kurs gestützt werden soll.

Außerdem reagiert Bäte spürbar gereizt ob der Niederlage in den USA und des niedrigen Aktienkurses. Er will offenbar allen beweisen, dass er ein großer Wirtschaftsführer ist - dabei schlägt er verbal kräftig um sich.

Wen er trifft, scheint ihm dabei egal zu sein. Ohne einen Anlass legt er sich bei einer IT-Veranstaltung mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht an: "In diesem Land kannst du Wirtschaftsminister werden, obwohl du noch nie einen Dreisatz gerechnet hast, oder Verteidigungsminister, ohne je eine Waffe in der Hand gehabt zu haben." Warum der Chef des größten deutschen Versicherers sich so über Minister äußert, die demokratisch gewählt wurden und die auch die Allianz vielleicht eines Tages noch braucht, bleibt Bätes Geheimnis.

Zuvor hatte er sich darüber erregt, dass die Bürger hierzulande stets unzufrieden seien. In Frankreich sei das noch schlimmer. "Da sind die Menschen noch unzufriedener, obwohl sie in der EU am wenigsten arbeiten." Ob das gut ankam bei den Kunden der Allianz France?

Jüngst berichtete die Wirtschaftswoche über eine interne Konferenz der Allianz im Mai 2022, in der Bäte sich vor 8000 Mitarbeitern mit IT-Problemen der Allianz auseinandersetzte. Gleichzeitig griff er die US-Behörden heftig an und warf ihnen vor, die Allianz unfair behandelt zu haben, weil sie eine ausländische Gesellschaft sei.

Die Allianz-Tochter aus Brasilien stellte den Auftritt ins Netz, jetzt ist er gelöscht. Bätes Lieblingswort in der Darstellung der Allianz-IT ist "Crap", auf Deutsch "Mist". Und er sagt: "Ich denke, wir hatten in den vergangenen acht bis zehn Jahren wirklich eine falsche IT-Strategie."

Wenn das richtig ist, stellt sich die Frage, warum der Konzernchef bislang nichts dagegen unternommen hat. Er ist seit 2015 im Amt. Doch Selbstkritik kann man von Bäte wohl nicht erwarten. Auch für den US-Skandal trägt er schließlich nach eigenen Worten keinerlei Verantwortung.

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