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Allianz-Skandal:Mein Name ist Bäte, ich weiß von nichts

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Der Allianz-Führung geht es bei der Aufarbeitung des jüngsten Skandals vor allem um eins: Sie hat damit angeblich nichts zu tun. Das folgt einem Muster, Vorstände und Chef des Versicherers übernehmen ungern persönliche Verantwortung.

Kommentar von Herbert Fromme

Rund sechs Milliarden Dollar muss die Allianz an Schadenersatz und Geldstrafen für den Structured-Alpha-Skandal in den USA zahlen. Noch schwerer aber wiegt der Ansehensverlust. Die Tochter Allianz Global Investors (AGI) darf auf Anweisung der Behörden zehn Jahre lang keine Investmentfonds mehr in den USA anbieten. Der Ruf der Allianz als etwas langweiliger, aber grundsolider globaler Versicherungskonzern gerät ins Wanken.

In einer solchen Situation ziehen manche Unternehmen Konsequenzen. Führungskräfte müssen gehen, manchmal sogar die Chefs. Nicht so die Allianz unter Oliver Bäte. Hier ist niemand verantwortlich. Denn außer den drei angeklagten Managern der Structured-Alpha-Fonds habe im gesamten Konzern niemand etwas gewusst, betont der Versicherer. Mein Name ist Bäte, ich weiß von nichts.

Das klang vor zwei Jahren noch ganz anders. Als der Pensionsfonds der Lehrer in Arkansas im Juli 2020 von der Allianz 774 Millionen Dollar zurückforderte, den er mit Structured Alpha verloren hatte, reagierten die Münchener deutlich: Die Klage sei "unwahr und ohne Grundlage". Und weiter: "Unsere eigene Analyse hat ergeben, dass das Portfolio jederzeit gemäß seinen Alpha-Zielen und in Übereinstimmung mit seiner Konzeption verwaltet wurde." Jetzt räumt die Allianz ein, dass die Tochter AGI vielfach das Gesetz gebrochen, Anleger getäuscht und betrogen hat. Man fragt sich, wer bei der Allianz vor zwei Jahren bei "unserer eigenen Analyse" was und wie untersucht hat.

Solange die Gewinne sprudeln, schaut lieber niemand so genau hin

Der Konzern hatte großen Anlegern in den USA ein angeblich besonders gut abgesichertes Angebot gemacht, Pensionsfonds nahmen es gern an. Denn Structured Alpha wurde mit dem guten Ruf des Versicherers verkauft. Das Risiko werde von der Allianz überwacht, die "wie ein Super-Cop" hinter ihnen stehe und alles prüfe, behaupteten die Fondsmanager. Tatsächlich waren die Risiken aber viel größer, als die Anleger glaubten, tatsächlich erhielten sie gefälschte Datensätze über die Lage der Fonds. Als die Aktienmärkte Anfang 2020 in Turbulenzen gerieten, machten die Fonds sieben Milliarden Dollar Verlust.

Solange die Allianz selbst ordentlich Gewinne machte mit Structured Alpha, hat niemand genauer hingesehen. Denn der Konzern, der eigentlich existenzielle Risiken seiner Kunden absichern soll, hat inzwischen vor allem ein Ziel: über hohe Dividenden und Aktienrückkäufe den Kurs oben zu halten und damit die Anleger zufriedenzustellen. Dabei haben die hohen Gewinne aus Structured Alpha geholfen. Das nutzt auch der Allianz-Führung, weil sie einen Teil ihrer Vergütung in Aktienoptionen erhält.

Sehr wahrscheinlich kommen Bäte und der Allianz-Vorstand deshalb auch diesmal mit der Behauptung durch, sie hätten von nichts gewusst. Niemand von den großen Anlegern stellt die Frage, warum das so ist, warum Allianz Global Investors jahrelang ungestört tricksen und betrügen konnte. Zu verführerisch sind die hohen Dividenden.

Die Allianz muss aber Konsequenzen ziehen. Es reicht nicht, dass im September die für den Bereich verantwortliche Vorständin Jacqueline Hunt ausgeschieden ist. Ihr Rückzug habe mit Structured Alpha nichts zu tun gehabt, betonte die Allianz damals. Tatsache ist also, dass es bislang keine echten personellen Konsequenzen gibt. Und damit sendet der Versicherer eine eigentümliche Botschaft an Mitarbeiter, Kunden und Behörden: Wir haben zwar großen Mist gebaut, aber wir können eigentlich nichts dafür.

Wie also führt der Vorstand eigentlich den Konzern? Offenbar ohne vernünftige interne Kontrollsysteme. Und das gilt nicht nur für Structured Alpha. Im Jahr 2020 räumte die Allianz zwei weitere Betrugsvorwürfe von Aufsichtsbehörden in Australien und Bermuda ein. Sie sind zwar deutlich kleiner, aber es bleibt dabei: Die Allianz musste auch da zugeben, dass gelogen und betrogen wurde.

Natürlich geht das nicht immer so weiter. Irgendwann ist der gute Ruf aufgebraucht. Dann wundert man sich nicht mehr über den nächsten Allianz-Skandal. Und über die Behauptung, dass wieder niemand in der Führung verantwortlich ist. Von "grundsolide" redet dann aber auch keiner mehr.

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