Süddeutsche Zeitung

Überschussbeteiligung:Lebensversicherte bekommen mehr Geld

Marktführer Allianz schreibt seinen Kunden im kommenden Jahr höhere Zinsen gut. Einige andere Lebensversicherer folgen dem Beispiel - aber nicht alle.

Von Friederike Krieger und Jonas Tauber, Köln

Auch Kundinnen und Kunden mit einer Lebens- oder Rentenversicherung profitieren allmählich von den steigenden Zinsen am Kapitalmarkt. Der Marktführer Allianz Leben hat jetzt eine leichte Erhöhung der Überschussbeteiligung für 2023 angekündigt. Die laufende Verzinsung steigt um 0,2 Prozentpunkte, die Gesamtverzinsung inklusive Schlussüberschuss und der Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven sogar um 0,3 Prozentpunkte. Diesen Wert erhalten Versicherte, die ihren Vertrag bis zum Ende halten.

Kunden mit einer klassischen Lebensversicherung schreibt der Anbieter 2,5 Prozent auf den Sparanteil an ihren Beiträgen gut. Das ist der Anteil, der nach Abzug der Kosten und den Aufwendungen für einen Todesfallschutz übrigbleibt. Die Gesamtverzinsung steigt auf 3,2 Prozent.

Versicherte mit einer neuen Garantiepolice des Typs "Perspektive" erhalten mit 2,6 Prozent beziehungsweise einer Gesamtverzinsung 3,5 Prozent etwas mehr. Bei den kapitalmarktnahen Produkten "Komfort Dynamik" und "Invest Flex", bei denen die Kundengelder teilweise in Aktien fließen, wird der Sparanteil, der ins Sicherungsvermögen der Allianz wandert, ebenfalls mit 3,5 Prozent verzinst.

Von der gestiegenen Überschussbeteiligung profitieren nur Kunden, deren Garantiezins unter diesen Werten liegt. In früheren Jahren betrug er bis zu vier Prozent. Inzwischen dürfen Versicherer ihren Kunden bei Neuverträgen nur noch maximal 0,25 Prozent zusagen. Weil die Zinssituation nach wie vor unsicher ist - einige Experten schließen nicht aus, dass die Zinsen wieder sinken - raten die Versicherungsmathematiker von der Deutschen Aktuarvereinigung dem Bundesfinanzministerium, die Obergrenze für den Garantiezins auch 2024 bei 0,25 Prozent zu belassen.

Auch die Versicherungskammer und die Bayerische erhöhen ihre Überschussbeteiligung

Obwohl die Überschussbeteiligung der Allianz als wichtiger Maßstab für die anderen Lebensversicherer gilt, scheint es fraglich, ob viele dem Beispiel des Marktführers folgen und die Kundenbeteiligung für 2023 erhöhen werden. Die meisten Lebensversicherer, die ihre Überschussbeteiligung für 2023 schon bekannt gegeben haben, halten sie konstant. Dazu zählen Ideal, Axa, Alte Leipziger, Nürnberger, Swiss Life und der Lebensversicherungs-Abwickler Athora. Erhöht haben außer der Allianz bisher nur die Versicherungskammer - dort stieg die laufende Verzinsung deutlich um 0,75 Prozentpunkte auf 2,25 Prozent - und die Bayerische um 0,2 Prozentpunkte auf 2,7 Prozent.

Die Ratingagentur Assekurata hält den seit Jahren anhaltenden Trend zu sinkenden Überschussbeteiligungen für gestoppt. Sie rechnet aber damit, dass die Mehrheit der Lebensversicherer erst einmal abwarten und die Kundenbeteiligung für 2023 stabil halten wird, statt sie zu erhöhen.

Das Problem: Abgesehen von der Unsicherheit, ob die steigenden Zinsen Bestand haben, profitieren die Lebensversicherer nur mit Zeitverzögerung davon. Zunächst haben sie mit Belastungen zu kämpfen, weil die bestehenden Kapitalanlagen bei steigenden Marktzinsen weniger wert sind. Erst bei Neuanlagen kommt ihnen der höhere Zins zugute.

Auch die Allianz kann ihre Kapitalanlagen nicht von heute auf morgen umschichten. "Wir haben aber genug hereinkommende Mittel, um die Chancen zu nutzen", sagte Allianz-Vorstand Volker Priebe. "Das haben wir in den aktuellen Zinsschritt übersetzt." Zudem habe der Versicherer das Kapitalanlageportfolio seines Sicherungsvermögens in den vergangenen Jahren verbreitert. Festverzinste Staatsanleihen und Pfandbriefe machen nur noch weniger als 50 Prozent aus. "Wir verfügen über einen breiten Mix an Assetklassen, und das nutzen wir", erklärte Priebe.

Versicherer setzen eher auf neuartige Verträge mit abgespeckten Garantien

Die Überschussbeteiligung hat bei weitem nicht mehr die Bedeutung, die sie früher hatte. Wegen der langen Niedrigzinsphase und weil die Anbieter für die klassischen Policen viel zusätzliches Eigenkapital vorhalten müssen, setzen immer mehr Gesellschaften stattdessen auf neuartige Verträge mit stark abgespeckten Garantien. Die Allianz hatte sich Anfang 2021 von der hundertprozentigen Beitragsgarantie verabschiedet. Stattdessen können die Kunden zwischen einem Absicherungsniveau von 60 Prozent und 90 Prozent der eingezahlten Gelder wählen. Das soll dem Versicherer mehr Freiheit bei der Kapitalanlage und den Versicherten eine höhere Rendite bescheren.

Angesichts steigender Zinsen könnten es sich die Versicherer eigentlich bald wieder leisten, mehr klassische Policen anzubieten. Volker Priebe hält das aber für unwahrscheinlich. "Ich sehe keine Renaissance der Klassik", sagte er. Neben der Unsicherheit bezüglich der weiteren Entwicklung der Zinsen, habe sich auch die Einstellung der Menschen zu Garantieprodukten geändert. "In den vergangenen fünf bis zehn Jahren ist das Bewusstsein gewachsen, dass es einer Mischung aus Renditechancen und Stabilität bedarf."

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