Allianz:Jenseits von Hollywood

Allianz: Der promovierte Jurist Axel Theis, 58, arbeitet seit 30 Jahren bei der Allianz, vor allem in der Industrieversicherung. Seit 2015 ist er als Vorstand für die Schadenversicherung auf Konzernebene zuständig.

Der promovierte Jurist Axel Theis, 58, arbeitet seit 30 Jahren bei der Allianz, vor allem in der Industrieversicherung. Seit 2015 ist er als Vorstand für die Schadenversicherung auf Konzernebene zuständig.

(Foto: Allianz)

Der größte deutsche Versicherer gründet eine globale Sparte Entertainment und zieht damit auch Lehren aus den Erfahrungen mit dem Filmgeschäft.

Von Herbert Fromme

1989 drehte Steven Spielberg den Spielfilm "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" mit Harrison Ford und Sean Connery. Eine Szene nahm Spielberg in den Katakomben unter Venedig auf. Die eigentlichen Hauptdarsteller waren 2000 Ratten. Produzent George Lucas wollte den Film bei Fireman's Fund im kalifornischen Novato versichern - auch das Risiko, dass die angelieferten Ratten verenden könnten und damit die Produktion verzögert würde. Fireman's Fund erkundigte sich bei Lucas und Spielberg, ob sie die Szene auch mit 1000 Ratten drehen könnten. Die sagten Ja, und Fireman's Fund stellte eine einzigartige Police aus - der Versicherer würde nur dann für Verzögerungskosten bei dieser Szene leisten, wenn mehr als 1000 Ratten zu Tode kämen.

Mit Veranstaltungen verdiene ein Versicherer heute kaum Geld, sagt Vorstand Theis

Bei den Managern der Filmbranche ist diese Geschichte gut bekannt, Fireman's Fund galt lange Jahre als innovativer Filmversicherer, einer der Marktführer in den USA. Doch inzwischen ist die Gesellschaft Geschichte. Die Allianz hatte das Unternehmen 1991 gekauft, es aber in 23 Jahren nicht geschafft, den Versicherer stabil in die schwarzen Zahlen zu führen. Ende 2014 zog München die Reißleine. Das Privatkundengeschäft von Fireman's Fund wurde verkauft, die Verträge mit Industrie und Gewerbe übernahm die Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS), die Tochter für die Industrieversicherung.

Dabei war die Filmversicherung ganz und gar nicht für den Untergang verantwortlich, sagt Axel Theis, im Vorstand der Allianz-Obergesellschaft weltweit für das Schadengeschäft zuständig. Das ist die Versicherung von Gebäuden, Autos, Haftpflichtrisiken, Fabriken - und Filmen. "Es ist nie alles schlecht in einer Firma", sagt Theis. Der Bereich Entertainment, also die Versicherung von Filmen und Veranstaltungen, lief sogar besonders gut.

Theis verantwortet 42 Prozent des globalen Allianz-Umsatzes in Höhe von 125 Milliarden Euro. Zum Gewinn steuert sein Bereich 48 Prozent bei. Und ganz nebenbei ist er im Vorstand auch für die Aufräumarbeiten in den USA zuständig.

Dort ist bei Fireman's Fund im Hauptgeschäft mit Gewerbe- und Privatkunden ziemlich viel schief gegangen, sagt Theis selbstkritisch. "Fireman's Fund saß immer auf einer viel zu hohen Kostenbasis." Um die Belastung aufzufangen, sei das US-Unternehmen sehr aggressiv an die eigentlichen Versicherungsrisiken herangegangen und habe dafür mit Verlusten gezahlt.

Und warum haben mindestens drei Generationen Allianz-Vorstände in München es nicht vermocht, die Situation zu drehen? "Es fehlte die Stabilität im Führungsteam in den USA", weicht Theis aus. "Mit den dauernden Führungswechseln kamen auch immer wieder Strategiewechsel, die sind teuer."

Das ist Vergangenheit. Jetzt ist Theis dabei, die Reste in die AGCS zu integrieren. Dazu gehören auch die Film- und Veranstaltungsdeckungen. "Wir gründen jetzt ein globales virtuelles Geschäftsfeld Entertainment." Bei der AGCS richtet die Allianz mit den US-Erfahrungen ein Kompetenzzentrum ein. "Virtuell" ist es, weil die AGCS nicht zwangsläufig alle Risiken selbst übernehmen muss, das können auch Konzerntöchter in Frankreich oder Italien tun.

Die wichtigsten Zielregionen sind Indien und Europa, allerdings nicht Deutschland. Hier gibt es einen marktbeherrschenden Pool von Filmversicherern. Will die Allianz bei Filmen global angreifen? "Angreifen nicht gerade, man kann hier auch ganz schnell viel Geld verlieren."

Das gelte auch für die Veranstaltungsausfalldeckungen, den zweiten Fachbereich des neuen Kompetenzzentrums. Dort seien schon viele Anbieter auf dem Markt. "Das sind der Londoner Versicherungsmarkt, Axa und Munich Re mit der Tochter Ergo." Mit Veranstaltungen verdiene ein Versicherer heute kaum Geld. "Wenn man internationale Ereignisse wie eine Olympiade versichern will, kommt man nur rein, wenn man als Versicherer auch Sponsor oder Werbepartner ist."

Der gesamte Allianz-Konzern geht zurzeit durch einen digitalen und organisatorischen Umbauprozess, angestoßen von Konzernchef Oliver Bäte. Für Theis ist die Filmversicherung ein Beispiel, wie der Konzern von den Erfahrungen in einzelnen Märkten lernt - und sie global profitabel nutzt. Dabei ist das internationale Versicherungsgeschäft derzeit nicht einfach, gerade angesichts von Kriegen, Terror und Finanzkrisen. Die Gruppe ist vorsichtig: "Wir schauen genau auf diese Krisen und fragen uns, was sie für uns bedeuten, vor allem für unsere Anlageseite." Schließlich verantwortet der Konzern mehr als 600 Milliarden Euro Versichertengelder. Abenteuer gebe es nicht. "Wir legen genau fest, wie viel Risiko wir bereit sind zu nehmen", sagt Theis.

Vorsichtig ist die Allianz auch bei Versicherungsrisiken, gerade im Bereich große Unternehmen. "Es gibt Zeiten, in denen man wachsen kann, und Zeiten, in denen man nicht wachsen sollte." Letzteres sei jetzt der Fall. Die klare Ausnahme: Die Filmversicherung.

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