Süddeutsche Zeitung

USA-Skandal der Allianz:Jetzt ermittelt auch die Bafin

Großanleger haben mit Allianz-Fonds viel Geld verloren und verlangen sechs Milliarden Dollar vom deutschen Versicherer. In den USA gibt es bereits Untersuchungen, und nun auch in Deutschland.

Von Herbert Fromme und Nina Nöthling, Köln

Wer im Allianz-Konzern hat wann was gewusst? Hat das interne Kontrollsystem des größten deutschen Versicherers funktioniert? Warum hat der Konzern so spät mitgeteilt, dass die Ansprüche großer Investoren das Ergebnis 2021 spürbar beeinflussen könnten?

Das sind einige der Fragen, die sich die Finanzaufsicht Bafin im Zusammenhang mit einem großen Problem der Allianz in den USA stellt. Große Anleger, darunter die Pensionskassen der Lehrer im US-Bundesstaat Arkansas und der U-Bahn-Mitarbeiter in New York, hatten hohe Summen in so genannten Structured Alpha Fonds der Allianz Global Investors (AGI) angelegt. Die Fonds sollten eigentlich besonders krisensicher sein. Aber die hohen Kursschwankungen an den Börsen, zu denen es in Folge der Corona-Pandemie im März 2020 kam, zwangen die Fonds in die Knie. AGI musste zwei von ihnen sogar schließen.

Großanleger behaupten, die Allianz-Tochter habe sich nicht an die vereinbarten Regeln für die Investitionspolitik der Fonds gehalten. Sie beziffern ihren Schaden auf sechs Milliarden Dollar, etwa fünf Milliarden Euro, und haben die Allianz auf diese Summe verklagt.

"Erhebliche Auswirkungen"

Das hat den globalen Finanzkonzern bis vor kurzem wenig gestört. Auch die Tatsache, dass die US-Börsenaufsicht SEC sich den Fall ansah, konnte Allianz-Chef Oliver Bäte nicht beunruhigen. Doch dann wurde Anfang August 2021 bekannt, dass das US-Justizministerium in seiner Rolle als oberste Strafverfolgungsbehörde gegen die Allianz ermittelt. Da musste die Allianz-Führung zum ersten Mal zugeben, dass die Forderungen "erhebliche Auswirkungen auf künftige Finanzergebnisse" haben könnten - von einer möglichen Geldbuße des Justizministeriums ganz zu schweigen.

Muss die Allianz Milliarden an Investoren und Staat zahlen, könnte das die bislang unangefochtene Rolle von Konzernchef Bäte an der Unternehmensspitze gefährden. Dazu müssten sich aber große Anleger gegen ihn stellen - dafür gibt es bislang keine Anzeichen.

Jetzt befasst sich die deutsche Finanzaufsicht mit dem Fall und hat eine Untersuchung gestartet. Branchenkenner bestätigten einen entsprechenden Bericht der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Bafin äußert sich nicht zu einzelnen Unternehmen oder möglicherweise stattfindenden Untersuchungen. Die Allianz wiegelt ab. "Wir stehen regelmäßig im Austausch mit der Bafin über alle Themen, die die Allianz betreffen", sagte eine Sprecherin. "Dazu gehören auch die Structured Alpha Fonds. Aber es gab keine neuen Entwicklungen." Die Bafin untersucht im aktuellen Fall wohl vor allem, ob das interne Kontrollsystem der Allianz funktioniert hat. Haben sich alle Manager so verhalten wie sie sollten, haben sie also die so genannten Compliance-Regeln eingehalten? Auch die Frage, ob bei den Anlageentscheidungen der AGI zu Structured Alpha in den entscheidenden Tagen möglicherweise Betrug im Spiel war, ist für die Aufsicht interessant.

Es hilft dem Konzern dabei nicht, dass es in jüngster Vergangenheit eine Reihe von Vorfällen gab, bei denen das interne Kontrollsystem der Allianz nicht so funktioniert hat, wie es sollte. Ein Gericht in Australien hat die Allianz gerade zur Zahlung von 0,9 Millionen Euro verurteilt, weil sie Kunden zwischen 2016 und 2018 beim Verkauf von Reiseversicherungen getäuscht haben soll. In Bermuda hat die Aufsicht eine Geldstrafe von 1,4 Mio. Euro gegen die Allianz Life Bermuda verhängt, weil sie ihr Verstöße gegen Vorschriften zur Geldwäsche und Terrorfinanzierung vorwirft.

Wer hat wann was gewusst?

Bei der aktuellen Untersuchung der Allianz SE dürfte die Aufsicht außerdem sehr interessieren, wer wann was gewusst hat. Schließlich ist eine mögliche Belastung im mittleren einstelligen Milliardenbereich auch für den größten deutschen Versicherungskonzern keine Kleinigkeit.

Die Bafin ist gleichzeitig Marktaufsicht für den Wertpapierhandel. Da muss sie sich fragen, ob die Allianz alle Veröffentlichungspflichten rechtzeitig eingehalten hat. In einer solchen Situation untersucht die Aufsicht routinemäßig auch, ob es einen Verdacht auf Marktmanipulationen geben könnte - also wie viele Aktien von wem an den kritischen Tagen gehandelt wurden. Einen solchen Verdacht gibt es wohl bislang nicht.

Neben den Forderungen der Pensionsfonds und anderen Großanlegern kommen auch Ansprüche von kleineren Anlegern auf den Versicherer zu. Mehrere US-Anwaltskanzleien sammeln Forderungen von Allianz-Aktionären, die klagen wollen, weil der Konzern ihrer Ansicht nach zu spät mögliche Konsequenzen der AGI-Probleme auf das Ergebnis eingestanden hatte. Dadurch sei der Aktienkurs am 2. August 2021 heftig nach unten gegangen.

So kündigte Reed Kathrein, Anwalt bei der Kanzlei Hagens Berman, gerade eine Untersuchung des Verhaltens der Allianz an, zahlreiche andere Kanzleien tun das gleiche. "Wir konzentrieren uns auf die Verluste der Anleger und darauf, ob die Allianz über das Risikomanagement bei den Structured Alpha-Fonds gelogen hat", sagte Kathrein.

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