Deutschlands Unternehmer sind zurzeit nicht sehr glücklich, wenn sie über die Versicherung nachdenken müssen. Die Kosten für die Absicherung der Fabriken, für Deckungen gegen Cyberangriffe oder für die Absicherung der Manager steigen seit Jahren. In den Verträgen für 2022 haben die Versicherer noch einmal draufgelegt, eine Umkehr des Trends lässt sich nicht erkennen.
Für besonderen Ärger bei der Industrie sorgt, dass die Preise durch die Bank für praktisch alle Unternehmen steigen und nicht nur für die, die Schäden verursacht haben. Angesichts der aktuellen Rezessionsgefahr und des Kostendrucks bei vielen Firmen kommt das nicht gut an.
Hans-Jörg Mauthe verteidigt das Vorgehen. Er ist Zentral- und Osteuropachef der Allianz-Tochter Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS), mit fünf Milliarden Euro Umsatz einer der führenden Anbieter für Industriedeckungen. "Bei der Bewertung von Industrierisiken spielt die Schadenquote eine wichtige Rolle", sagt er.
Es gebe aber noch andere Kriterien wie das allgemeine Preisniveau, die Qualität der übernommenen Risiken oder die Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Über alle Verträge hinweg hat AGCS die Preise bei den letzten Vertragserneuerungen um satte 20 Prozent erhöht. Dennoch habe AGCS Rücksicht auf die individuellen Unterschiede genommen, behauptet Mauthe.
Jahrelang war die Situation für die Risikomanager, die in der Industrie für den Versicherungseinkauf zuständig sind, ganz anders. Der Konkurrenzkampf unter den Anbietern sorgte dafür, dass die Prämien von Jahr zu Jahr sanken. Meistens ließen sich auch noch vorteilhaftere Bedingungen aushandeln. Das sorgte dafür, dass sich die Lage bei den Versicherern immer mehr zuspitzte. Auch die AGCS schlitterte in die Krise. Ende 2019 hatte Allianz-Chef Oliver Bäte genug von den schlechten Ergebnissen, feuerte den damaligen Chef und holte Joachim Müller als Sanierer.
Mittlerweile gilt die AGCS-Sanierung konzernintern als abgeschlossen. "Was unsere Restrukturierung angeht, sind wir sicher zu 95 Prozent durch", sagt Mauthe.
Unter normalen Umständen könnten sich die Kunden in der Industrie bald darauf einstellen, dass die Kräfteverhältnisse wieder kippen und die Phase der Preissteigerungen endet. Denn üblicherweise läuft es so ab: Wenn die Preise so hoch sind, dass die Versicherer wieder gutes Geld verdienen, lockt das weitere Anbieter auf den Markt, die Konkurrenz steigt und die Preise sinken wieder. In anderen Regionen sei das schon zu erkennen, in Mitteleuropa aber nicht, so Mauthe.
Stattdessen dürften die hohe Inflation und die schlechteren wirtschaftlichen Aussichten die Preise hochhalten. "Die Inflation wird in den Erneuerungsgesprächen, die wir mit unseren Kunden führen, sicherlich ein Thema sein", sagt Mauthe. "Wir sehen eine Preisentwicklung, die wir seit 30 oder 40 Jahren nicht gesehen haben", sagt er mit Blick auf Bauunternehmen und Maschinenhersteller.
Für die Versicherer verteuert die Inflation die Schadenzahlungen: Die Werte der versicherten Gegenstände gehen in die Höhe, die Kosten von Material für den Wiederaufbau der Produktionshalle oder für den Ersatz einer zerstören Maschine steigen.
Besonders stark sind Schäden an Gebäuden betroffen, da Reparaturen oder Wiederaufbau sehr viel teurer geworden sind. Die Kosten für Zement, Holz und Stahl sind drastisch gestiegen. "Stahl ist fast 50 Prozent teurer als noch vor einem Jahr", sagt Mauthe. Angst, dass die Inflation und die Aussicht auf eine Rezession in Europa dem Versicherer AGCS die Ergebnisse verhageln könnte, hat er bislang trotzdem nicht. "Wir sind weiter zuversichtlich, was unsere Ziele angeht."
Besonders schwierig war die Lage für die Kunden zuletzt in der Managerhaftpflichtversicherung und der Cyberdeckung, die vor den Folgen von Hackerangriffen und Datenverlusten schützt. Hier sind die Preise auch bei AGCS in der vergangenen Erneuerung am stärksten gestiegen.
In der Cyberversicherung kämpfen die Versicherer mit hohen Schäden. Deshalb ist AGCS hier auch vorsichtiger bei der Annahme von Risiken geworden. "In den vergangenen vier Jahren haben wir eine Vervierfachung der Schadenmeldungen gesehen, im Markt und bei uns", sagt Mauthe.
Die Befürchtung, dass sich im Zuge des russischen Krieges gegen die Ukraine Hackerangriffe auf westliche Unternehmen häufen könnten, hat sich bislang allerdings nicht bewahrheitet. "In den Schadenmeldungen können wir das bislang noch nicht erkennen", sagte er. Eine Prognose darüber, ob das so bleiben wird, möchte er aber nicht abgeben.
Auch der Krieg selbst hat sich in Schadenmeldungen bei AGCS bislang kaum niedergeschlagen. Kriegsrisiken sind in vielen Verträgen ausgeschlossen. Sie können dennoch über spezielle Kriegsdeckungen abgesichert werden, die bei Schiffen und Flugzeugen üblich sind. In diesem Geschäft ist AGCS aber kaum aktiv.
Ein großes Thema für das Unternehmen mit Hauptsitz in Unterföhring bei München ist die Rückkehr der Mitarbeiter ins Büro. Die gesetzlichen Vorgaben zur Homeoffice-Pflicht sind mittlerweile ausgelaufen. AGCS hat ein hybrides Arbeitsmodell eingeführt, das eine Mischung aus Homeoffice und Büroarbeit vorsieht. "Wir haben mit unseren Arbeitnehmervertretern vereinbart, dass die überwiegende Zeit der Arbeit im Büro oder draußen beim Kunden stattfinden soll", sagt Mauthe. Konflikte befürchtet er nicht. "Bei der überwiegenden Zahl der Mitarbeiter ist das komplett akzeptiert und wird als großzügige Regelung wahrgenommen."