Getränke:„Die saufen alle nur noch Alkoholfreies“

Lesezeit: 2 Min.

Münchens erster alkoholfreier Biergarten liegt am Alten Botanischen Garten. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der Absatz von alkoholfreiem Bier hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt, das merkt man auch im Münchner Biergarten. Schuld ist wohl ein neues Lebensgefühl.

Von Benjamin Emonts

Die Bierhauptstadt München ist in diesen Tagen manchmal kaum wiederzuerkennen. Wurde alkoholfreies Bier in den Biergärten und Wirtshäusern früher noch als „amputiert“ und „kastriert“ verpönt, bestellen heute selbst Alteingesessene wie selbstverständlich und durchaus selbstbewusst ein alkoholfreies Helles oder Weißbier. Im Königlichen Hirschgarten, dem wohl größten Biergarten Europas, hat der Schankkellner am großen Holzfass neulich gemeckert: „Ich hab’ nicht mehr viel zu tun, die saufen alle nur noch Alkoholfreies.“ Das „Bleifreie“ kommt nämlich nur aus Flaschen. Ganz passend zu seiner Beschwerde hat in München nun sogar der erste alkoholfreie Biergarten eröffnet.

Vor dieser Kulisse mag die Nachricht des Bundesamts für Statistik nicht besonders verwundern: Die Produktionsmenge von alkoholfreiem Bier hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt, es ergibt sich ein Plus von 109 Prozent. Wurden im Jahr 2013 noch knapp 267 Millionen Liter gebraut, sind es jetzt 556 Millionen Liter. „Bleifreies“ im Wert von 548 Millionen Euro. Einiges davon wird mittlerweile sogar exportiert.

Alkoholfreies ist bereits auf Platz drei der beliebtesten Sorten

In der Gesamtschau rangiert alkoholfreies Bier im Einzelhandel damit bereits auf Platz drei der beliebtesten Sorten, auch wenn alkoholhaltiges Bier immer noch zwölfmal so viel produziert wird. Ganz oben in der Rangfolge liegt mit einem Marktanteil von fast 50 Prozent immer noch Pils, gefolgt vom aufstrebenden Hellbier, das besonders viel in Bayern produziert und in andere Bundesländer exportiert wird (10,5 Prozent), und eben dem Alkoholfreien mit etwa acht Prozent. Diese Zahlen stammen vom Marktforschungsinstitut Nielsen und beinhalten nicht die Gastronomie. Unter alkoholfrei versteht man Biere gänzlich ohne Alkohol oder mit bis zu 0,5 Prozent Alkoholgehalt. Außerdem fallen Mischgetränke wie alkoholfreies Radler in diese Kategorie. Hier nahm die Produktion laut Statista in den vergangenen zehn Jahren um immerhin elf Prozent zu.

Das Alkoholfreie wird immer öfter ausgeschenkt - wegen der Brautechnik in aller Regel aber nur aus der Flasche. (Foto: rclassen/imago images)

Der Aufstieg des alkoholfreien Bieres geht Marktforschern zufolge mit einem neuen, gesundheitsbewussten Lebensstil einher. Analysen der Marktforschungsfirma K&A Brand Research zufolge stecken vor allem Millennials und die Generation Z, also 25- bis 45-Jährige, hinter dem Boom. Demnach trinken jüngere Menschen lieber leichte Getränke oder gleich alkoholfrei, anstatt sich zu betrinken. „Selbstoptimierung statt Suff.“ Sie achteten auf eine zuckerarme, vermehrt vegane Ernährung. Und diese Entwicklung habe längst auch ältere Generationen erfasst.

Die Konkurrenz am Markt wächst

Die Konkurrenz am alkoholfreien Markt wird immer größer, weil sich das Geschäft auch wirtschaftlich auszahlt. Jever etwa, das zur Radeberger Gruppe gehört, pusht seit Jahren seine alkoholfreie Marke „Jever Fun“. Der Konzern Anheuser-Busch positionierte das „Becks Blue“, Erdinger brachte kurz nach der Jahrtausendwende sein alkoholfreies Weißbier heraus. Krombacher und Bitburger warfen komplett alkoholfreie Biere mit dem Label „0,0“ auf den Markt. Selbst die Münchner Augustiner-Brauerei, die sich jahrelang gegen den Trend gewehrt hat, platzierte im Frühjahr nach langem Tüfteln ihr alkoholfreies Helles, das im Einzelhandel meist vergriffen ist. Viele, auch kleinere Brauereien, ziehen nun nach. Insgesamt, dieses Urteil fällen Brauerinnen und Sommeliers, sei das einst so verpönte Alkoholfreie durch ausgeklügelte Brauverfahren geschmacklich auf ein neues Niveau gehievt worden. Dies wird selbst in Städten wie München goutiert.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivDeutsche Bahn
:So viele deutsche Züge scheitern an der Einreise in die Schweiz

Ist die Deutsche Bahn zu unpünktlich, lassen die Schweizer sie nicht mehr ins Land. Das passiert immer häufiger – und führt zu kuriosen Situationen.

Von Vivien Timmler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: