Süddeutsche Zeitung

Alibaba:Mehr als nur Daddeln

Das Investment des chinesischen Internet-Giganten zeigt: Der elektronische Sport ist in der Gesellschaft angekommen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der amerikanische Sportsender ESPN übertrug diese Woche das packende Fußball-Duell zwischen Brasilien und Frankreich. Doch es dauerte für den Zuschauer vor dem Fernseher ein bisschen, bis sich das Gehirn daran gewöhnte, was das Auge da sah. Diese Partie fand nicht in einem Stadion und auf Rasen statt, sondern in einer Arena in New York und vor zwei Bildschirmen. Mohamad Al-Bacha aus Dänemark besiegte den Briten Sean Allen, es war das spannende und emotionale Finale eines Turniers, das in letzter Sekunde durch ein typisches Gerd-Müller-Tor entschieden wurde.

Das gezeigte Spiel war das Endspiel des Fifa Interactive World Cup, Al-Bacha gewann 20 000 Dollar an Preisgeld, er darf zum nächsten Fifa-Fest Ballon d'Or reisen und dort Lionel Messi und Cristiano Ronaldo treffen. Die Einnahmen der kompletten E-Sport-Industrie in diesem Jahr werden auf knapp 400 Millionen Dollar geschätzt und sollen in den kommenden drei Jahren auf 1,2 Milliarden Dollar wachsen.

Am Mittwoch verkündete die chinesische Alibaba Sports Group, nicht mehr nur Partnerschaften mit Sportvereinen wie dem FC Bayern oder Real Madrid eingehen zu wollen, sondern eines der lukrativsten Computersport-Turniere in der Geschichte zu veranstalten: Gemeinsam mit dem sozialen Netzwerk Yuuzoo Corporation aus Singapur soll es von April an eine Serie von Veranstaltungen geben, die im Finalturnier im Dezember in Schanghai münden soll. Die Preisgelder sind enorm: Für das Spiel Hearthstone: Heroes of Warcraft sind 300 000 Dollar ausgelobt, für Starcraft2 400 000 Dollar und für Counter-Strike: Global Offensive und Dota 2 jeweils gar 1,5 Millionen Dollar. Das sind allerdings nur die Grundprämien, über Crowdfunding können diese Summen noch gewaltig wachsen.

Die World Electronic Sports Games sollen der Nachfolger der World Cyber Games werden, die von 2001 bis 2014 eine Art Weltmeisterschaft für Computersportler gewesen sind. In den vergangenen Jahren haben sich Turniere wie die CS: GO Major Championship oder Ligen wie die Electronic Sports League (ESL) etabliert. "Wenn man alle Einzeldisziplinen des elektronischen Sports zusammennimmt wie etwa in der Leichtathletik, dann wird E-Sports eine der fünf größten Sportarten weltweit werden", sagte ESL-Chef Ralf Reichert kürzlich im Gespräch mit der SZ: "Ein Sport kann nur dann kommerziell erfolgreich sein, wenn er viele Zuschauer erreicht." Allein die Zahl der aktiven Sportler soll in den kommenden fünf Jahren auf weltweit 195 Millionen wachsen. Zum Vergleich: Tennis spielen weltweit etwa 90 Millionen Menschen. Den ersten organisierten Wettkampf im Computersport gab es am 19. September 1972, ein paar Studenten der Stanford University hatten ein Turnier veranstaltet. Danach trafen sich die Spieler zu LAN-Partys, es gab auch Meisterschaften, die in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurden, oder zum Anlass genommen wurden, mal wieder über die Jugendlichen zu motzen, die lieber in einen Bildschirm starren als sich an der frischen Luft zu bewegen. 2005 dann stand im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierung der Begriff "Killerspiele", der die Sportler nicht mehr nur als Daddler identifizierte, sondern als potenzielle Amokläufer. Wo kämen wir denn hin, wenn diese Daddelei tatsächlich als Sport bezeichnet würde?

Künftig soll es auch Partien außerhalb der Volksrepublik geben

Angesichts der Preisgelder und des Zuschauerinteresses ist aus dem arroganten Naserümpfend ein verblüfftes Bewundern geworden. Während so manche Sportart mit der Bedeutungslosigkeit ringt und bei den TV-Sendern betteln muss, doch bitte ein paar Partien zu übertragen, werden die Spiele beim E-Sport zur besten Sendezeit ausgestrahlt oder sind auf Streamingportalen wie Twitch zu sehen. Dort sind mehr als 100 Millionen Menschen angemeldet, Anfang März verfolgten 1,3 Millionen Zuschauer live eine Partie der ESL.

Die Alibaba Sports Group hat bereits angekündigt, dass das Investment von zunächst einmal 15 Millionen Dollar nur der Beginn einer immensen Beteiligung am elektronischen Sport sein soll - es soll künftig auch Turnierserien außerhalb Chinas geben, die einzelnen Partien sollen in mehr als 100 Länder zu sehen sein. Das Unternehmen kann sich diese Investitionen leisten, es gehört zum chinesischen Konzern Alibaba, der derzeit an der Börse mit mehr als 200 Milliarden Dollar bewertet wird. Die großen Technikfirmen investieren in diese Branche: Amazon kaufte im Jahr 2014 das Portal Twitch für knapp eine Milliarde Dollar, Disney will über den Sender ESPN in Live-Übertragungen einsteigen, Yahoo Sports hat kürzlich eine eigene Sparte für den Computersport eingeführt.

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Quelle:
SZ vom 01.04.2016
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