Alibaba-Anteile:Yahoo will Yahoo loswerden

Yahoo Chief Executive Marissa Mayer appears on NBC News' 'Today' show in New York

Sie ist gekommen, um Yahoo zu retten: Konzernchefin Marissa Mayer

(Foto: REUTERS)

Der einst so stolze Internetkonzern steckt in der existenziellen Krise. Nun will Chefin Marissa Mayer mit einer kuriosen Aufteilung die Firma retten.

Von Varinia Bernau

Die Geschichte beginnt in einem muffigen Wohnwagen. Dort hockt der Student Chih-Yuan Yang, den alle nur Jerry nennen, seit er im Alter von zehn Jahren mit seiner Mutter und seinem Bruder aus Taiwan nach Kalifornien gekommen ist. Yang glänzt schon als Schüler in Mathematik, später studiert er Elektrotechnik an der Eliteuniversität Stanford. Und er ist fasziniert von Sumo-Ringern.

Alles, was er im Internet über den japanischen Kampfsport finden kann, trägt er zusammen. Er legt Listen an, wie er es als Hilfskraft in der Universitätsbibliothek getan hat. Es ist eine knifflige Aufgabe. Denn damals, Anfang der Neunzigerjahre, ist das Internet noch unerforschtes Terrain. Informationen findet nur, wer die genaue Adresse eintippt. Die Suche ist aufwendig - und oft vergeblich. Bis Yang, gemeinsam mit einem Studienfreund, einen Kompass entwickelt. Sie nennen ihn schließlich Yahoo. Es ist eine Abkürzung mit einem Augenzwinkern. Sie steht für Yet Another Hierarchical Officious Oracle, zu deutsch: noch ein hierarchisches, übereifriges Orakel. Mehr als 20 Jahre ist das her. Eine Ewigkeit im Internet. Nun folgt ein neues Kapitel in der Unternehmensgeschichte. Es könnte das letzte sein: Der kriselnde Konzern trennt sich von seinem Kerngeschäft.

Yang war einer der Ersten, die das World Wide Web vermessen haben. Und er sollte nicht der einzige bleiben: Andere Firmen, die mit dem Internet groß geworden sind, forschen an selbstfahrenden Autos, virtuellen Welten oder künstlicher Intelligenz. Die jüngste Innovation aus dem Hause Yahoo war eine App, die Video- und Chatfunktion miteinander verbindet und dabei auf den Ton verzichtet. "Die lautlose Art, lebhaft zu kommunizieren", nannten sie das bei der Vorstellung im Sommer. Allzu viele Leute, die seither lautlos lebhaft miteinander kommunizieren, gibt es nicht. Typisch für das einst so stolze Unternehmen, das gegenüber den mächtigen Rivalen Google und Facebook ins Hintertreffen geraten ist.

Dabei ist Yahoo, wenn auch nicht mehr sonderlich cool, noch immer eine große Nummer. Dem Marktforscher Comscore zufolge erreicht Yahoo weltweit 618 Million Menschen; nur drei andere Internetseiten schaffen mehr: Google, Microsoft und Facebook. Wenn man, wie Marissa Mayer es aus strategischen Gründen kürzlich tat, noch den vor zwei Jahren übernommenen Blog Tumblr dazu rechnet, sind es sogar eine Milliarde Menschen, die täglich im Yahoo-Reich unterwegs sind - so viele wie etwa auch auf Facebook. Doch Yahoo tut sich schwer, diese Zugriffszahlen in Gewinne umzumünzen. Der vor allem mit Werbung und Medienpartnerschaften gemachte Umsatz stagniert, der Gewinn schmilzt, die Aktie hat in diesem Jahr bereits mehr als ein Drittel ihres Werts eingebüßt.

Auch die seit 2012 amtierende Chefin Marissa Mayer hat es bislang nicht geschafft, das Ruder rumzureißen. Weder halfen Übernahmen, noch Umbauten im Konzern.

Darum hat Yahoo nicht einfach die Alibaba-Anteile verkauft

Die Investoren erhöhten den Druck. Statt an innovativen Technologien tüftelte Mayer dann daran, ihre Anleger wieder glücklich zu machen. Und zwar mit dem Verkauf einer milliardenschweren Beteiligung, die der amerikanische Konzern an dem chinesischen Internethändler Alibaba hält. Das Aktienpaket ist mit etwa 30 Milliarden Dollar mehr wert als Yahoo selbst. Mayer wollte es versilbern, um die Erlös an die maulenden Aktionäre auszuschütten und diese milde zu stimmen.

Es gab da allerdings ein Problem: Die US-Finanzbehörde IRS wollte den Verkauf nicht steuerfrei durchwinken. Das hätte bedeuten können, dass auf den Konzern und dessen Aktionäre Steuerzahlungen in Milliardenhöhe zukommen. Der einflussreiche Investor Carl Icahn wollte Yahoo dazu bringen, mit Microsoft zu fusionieren.

Das "alte" Yahoo soll an die Börse. Vom Verkauf ist keine Rede, aber einen Interessenten gibt es bereits

Und so hatte die einflussreiche Investorengruppe Starboard Value den Konzern kürzlich aufgefordert, lieber das Kerngeschäft abzustoßen, das an der Börse mit vier bis fünf Milliarden Dollar bewertet werden dürfte. "Yahoo ist nach unseren Kenntnissen das einzige Unternehmen im Silicon Valley, dessen Aktienkurs derzeit allein vom Wert einer Beteiligung abhängt, über die der Konzern keinerlei Kontrolle hat", monierte Starboard Value.

Der Investor scheint sich mit seiner Idee durchgesetzt zu haben. Das bisherige Unternehmen soll nur noch aus der Alibaba-Beteiligung bestehen, teilt Yahoo nun mit. Zudem werde ein neues Unternehmen gegründet, in das alle anderen Geschäfte eingebracht würden: Suchmaschine, E-Mail-Dienst, Nachrichtenseite und das Werbegeschäft. Die Aktien dieser neuen Firma sollten dann unter den bisherigen Yahoo-Anteilseignern aufgeteilt werden. In etwa einem Jahr könnte die Sache erledigt sein. Allerdings muss, damit keine Steuern anfallen, die Finanzbehörde noch ihre Zustimmung geben. Das gilt alles andere als sicher.

Yahoo begründet die Aufspaltung ausdrücklich mit der Unsicherheit in der Steuerfrage bei einer Alibaba-Abspaltung. Von einem Verkauf des neuen Unternehmens ist erst einmal keine Rede. Die Geschäfte werden demnach lediglich in eine neue Gesellschaft überführt, die ebenso wie das "alte" Yahoo an der Börse notiert sein soll. Das würde es erlauben, dass das "neue" Yahoo trotzdem verkauft wird. Der US-Mobilfunkanbieter Verizon hat bereits Interesse angemeldet.

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