Schlappe für Tchibo:Gericht: Aldis Kaffee-Preise gehen in Ordnung

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Kaffee darf auch günstig sein, wenn die Mischkalkulation des Händlers es hergibt, entschieden die Richter. (Foto: Catherina Hess)

Verramscht Aldi Süd seinen Kaffee? Das Landgericht Düsseldorf verneint das und weist Tchibos Klage ab. Die Preise für den Eigenmarken-Kaffee des Discounters seien kaufmännisch vertretbar. Aber Tchibo will nicht lockerlassen.

Von Michael Kläsgen

Das Landgericht Düsseldorf musste am Donnerstag über eine ungewöhnliche Frage entscheiden: Wie billig darf Kaffee eigentlich sein? Oder konkreter: Verkauft Aldi Süd den Kaffee seiner Eigenmarke Barissimo zu günstig? Sozusagen unzulässig günstig, weil der Preis womöglich gegen geltendes Recht verstößt?

So sieht das Deutschland größter Kaffeeröster Tchibo aus Hamburg und klagte gegen Aldi Süd. Der Discounter hatte Tchibo zuvor mit Niedrigpreisen erzürnt. Noch am Mittwoch hatte Aldi Süd den Preis noch mal heruntergesetzt und verkaufte die 500-Gramm-Packung gemahlenen Barissimo Mild und Barissimo Gold für 3,79 Euro. Nach Silvester lag der Preis noch bei 4,99 Euro. Vor Weihnachten stand die Packung sogar für 2,69 Euro im Regal – wie übrigens auch schon im Dezember 2023.

Aus Tchibos Sicht kann das nicht mit rechten Dingen zugehen. Der Discounter verkaufe seinen Kaffee ganz offensichtlich unter seinen eigenen Produktionskosten. Ziehe man die Kaffee- und die Mehrwertsteuer, die Kosten für die Rohware, für Röstung und Transport ab, könne da nicht viel übrig bleiben. Aldi verstoße damit gegen das Verbot, Lebensmittel unter dem Herstellungs- oder Einstandspreis zu verkaufen, sowie gegen den fairen Wettbewerb. „Das Kulturgut Kaffee darf nicht auf diese Weise verramscht werden“, sagt ein Sprecher.

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Doch das Landgericht entschied nun, dass alles in Ordnung sei. Aldi Süd beabsichtige nicht, Tchibo zu verdrängen. Dies wäre unzulässig und würde geahndet. Denn wettbewerbsrechtlich ist es nicht okay, wenn ein großer Anbieter einen kleinen oder mittelgroßen Wettbewerber mit Dumpingpreisen aus dem Markt zu drängen versucht. Das ist hier aber nicht der Fall. Tchibo ist dem Vernehmen nach weiter unangefochten Marktführer bei Kaffee in Deutschland.

Der Vorsitzende Richter in Düsseldorf argumentierte, Aldi verfolge vielmehr eine Strategie, die einen „dauerhaften und nachvollziehbaren Zweck“ erfülle: nämlich „die Förderung des eigenen Absatzes“, und zwar „im Rahmen einer Mischkalkulation“. Damit ist gemeint, dass innerhalb eines Marktes des Discounters Artikel besonders günstig, andere dafür etwas teurer sind. So tarieren Händler ihre Gewinnmargen aus. Die Preisgestaltung beruhe daher auf einer „kaufmännisch vertretbaren Kalkulation“, so das Landgericht.

Dass Aldi Süd mit seinem Preis-Jojo den Kaffee-Markt in Deutschland in seinen Grundfesten erschüttert, konnte der Vorsitzende Richter nicht erkennen. Aldi Süd setze seine Preisaktionen nicht so häufig ein, dass eine Gefahr bestünde, die Struktur des Marktes zu beschädigen. Vielmehr seien „Intensität und Häufigkeit der Maßnahmen“ begrenzt, so die Kartellkammer des Gerichts.

Kein Wunder, dass Aldi Süd das Urteil begrüßte. Das Landgericht habe bestätigt, dass „die Preisaktionen für Kaffee nicht gegen geltendes Recht verstoßen“. Allerdings ist das Urteil nicht rechtskräftig. Es kann Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt werden. Tchibo hatte schon vor der Urteilsverkündung erklärt, sich zunächst die Begründung anschauen zu wollen. Prinzipiell sei man gewillt, sich durch alle Instanzen zu klagen.

Denn die Hamburger sehen hier eine Gesetzeslücke.  Aldi könne seinen Eigenmarken-Kaffee nur so günstig verkaufen, weil der Discounter ihn selbst herstellt. Damit kontrolliere Aldi die gesamte Wertschöpfungskette und könnte mit den Preisen spielen. Das könnte im Endergebnis auf das Gleiche hinauslaufen wie der Verkauf von Ware unter den Herstellungskosten - was unzulässig sei.

Tchibo glaubt, hier müsse im Interesse anderer Händler eine Rechtslücke geschlossen werden. Denn dieses Selbstherstellen hat sich in den vergangenen Jahren im Lebensmittelhandel stark ausgebreitet. Lidl produziert vieles selbst, darunter Speiseeis, Schokolade, Mineralwasser und Teigwaren. Edeka und Rewe ebenso, von Süßwaren über Käse und Toilettenpapier bis zu Fleisch und Wurst. Lidl hat sogar seine eigene Containerflotte, um die Lieferketten zu sichern. Vertikalisierung nennen das Fachleute. Und diese könnte aus Tchibos Sicht zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen.

So oder so, eines dürfte sicher sein: Kaffee wird in diesem Jahr sehr wahrscheinlich um einiges teurer. Grund dafür sind vor allem Trockenheit in Brasilien sowie Überschwemmungen in Vietnam. Der Preis für Rohkaffee ist an der Börse im vergangenen Jahr um 70 Prozent gestiegen. Das dürfte nicht ohne Folgen für den Geldbeutel der vielen Kaffeetrinker in Deutschland bleiben. Es sei denn, der eine oder andere Händler lässt eine kaffeefreundliche Mischkalkulation walten. Immerhin gehen viele Kundinnen und Kunden allein deswegen in bestimmte Läden, um Kaffee zu kaufen.

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