Süddeutsche Zeitung

Discounter:Größte Aldi-Filiale eröffnet in Mülheim

2000 Quadratmetern Verkaufsfläche wird der neue XXL-Markt des Discounters haben. Über den Versuch, auf einem gesättigten Markt trotzdem zu wachsen.

Von Michael Kläsgen und Benedikt Müller-Arnold, Mülheim an der Ruhr

Noch ist die Aldi-Filiale in Mülheim an der Ruhr eine Baustelle: Auf dem Parkplatz setzen Handwerker die letzten Pflastersteine neben das neue Glasdach für die Einkaufswagen. Innen bestücken Beschäftigte die Regale mit Knabbereien und anderen haltbaren Waren, Gabelstapler fahren Paletten umher. Es riecht nach Holzregal. Auf der Fläche in der Mitte, wo von Samstag an Wühltische voller Sonderangebote stehen, könnten dagegen im Moment noch Tanzkurse ihre Runden drehen. Auch Obst und Gemüse will der Discounter erst kurz vor der Eröffnung präsentieren.

Mit seiner "XXL-Filiale" stößt Aldi Süd in eine neue Größenordnung vor: Mit knapp 2000 Quadratmetern Verkaufsfläche ist der Discounter größer als ein durchschnittlicher Supermarkt von Rewe oder Edeka. Ist das die neue Liga, in die Aldi im scharfen Wettbewerb der Händler vorstoßen will? Sollen am Ende sogar alle 1940 Standorte von Aldi Süd in Deutschland auf diese Größe wachsen?

Nein, sagt Tom Ritzdorf, Leiter Filialentwicklung von Aldi Süd im Rheinland. "Der Trend ist vielmehr, dass wir uns flexibler zeigen." Die neue Größe in Mülheim sei und bleibe außergewöhnlich. Neubauten von Aldi bewegten sich in einer Bandbreite zwischen 900 und 1200 Quadratmetern. "Wir haben auf der anderen Seite auch Filialen, die nur halb so groß sind", sagt Ritzdorf. "Die eine Standard-Filiale gibt es so nicht mehr bei Aldi Süd." Und man könne längst nicht jeden Standort beliebig erweitern, ergänzt er: Mal ist der Platz begrenzt, mal lässt es auch das örtliche Baurecht nicht zu.

Dennoch ist der Lebensmittelhandel in Deutschland in Bewegung. Der Markt ist gesättigt, alle Anbieter suchen nach Wachstumsmöglichkeiten - vor allem, seitdem der Metro-Konzern im Frühsommer seine Warenhauskette Real verkauft hat. Viele Standorte könnten nun weiterverkauft, geschlossen oder so umgebaut werden, dass mehrere Geschäfte darin unterkommen können.

Auch Aldi erwägt, einen Teil des Portfolios zu übernehmen. "Je nach Größenordnung und Rahmenbedingungen haben wir Interesse an einzelnen Standorten beziehungsweise Teilen davon", sagt Ritzdorf. "Es ist praktisch ausgeschlossen, dass wir Standorte in der kompletten Größe übernehmen werden." Vielmehr nimmt man in der Branche an, dass künftig mehrere Namen auf heutigen Real-Filialen prangen werden.

Der Discounter merkt allerdings auch, dass sein bisheriges Geschäftsmodell an Grenzen stößt. Er hat ja viel getan: Markenartikel eingeführt, Backstationen in den Märkten eröffnet, auf Bio umgestellt, und er verkauft jetzt auch Convenience-Produkte. All das sind Dinge, die noch vor Kurzem niemals zur DNA des Discounters gepasst hätten. Aldi hat es trotzdem gemacht. Doch inzwischen nimmt das Umsatzwachstum ab, Marktanteile gehen verloren, die Kosten jedoch steigen. Branchenfachleute halten es daher für den nächsten logischen Schritt, dass Aldi nun sein Glück in einer vergrößerten Verkaufsfläche sucht.

Zumal Konkurrent Lidl von der Schwarz-Gruppe einen großen Vorteil hat: Zum Konzern aus Neckarsulm gehört mit Kaufland bereits ein XXL-Discounter. Gerade in Zeiten von Corona sind solche Märkte mit viel Platz gefragt. Die Menschen kaufen seltener, dafür aber größere Mengen ein. Und Umfragen zeigen: Viele würden am liebsten alle Einkäufe unter einem Dach erledigen. Größe ist jetzt wieder im Trend. Sogar längst totgesagte SB-Warenhäuser wie Real, die locker fünfmal so groß sein können wie Aldis XXL-Filiale, könnten, wenn die Pandemie andauert, noch einmal wiederbelebt werden.

Corona habe die Entscheidung zum Ausbau in Mülheim zwar nicht beeinflusst, sagt Ritzdorf. Dennoch kommt es dem Discounter zugute, dass die Gänge der neuen XXL-Filiale nun mehr als zwei Meter breit sind - in Zeiten, in denen von Montag an wieder mehr Quadratmeter Verkaufsfläche pro Kunde vorgehalten werden müssen. "Wir können unsere Produkte hier großzügiger präsentieren", sagt der Aldi-Manager. Das Sortiment sei freilich dasselbe wie in jedem großen Aldi. Mit etwa 1700 verschiedenen Artikeln bleibt der Discounter nach wie vor deutlich unter der Sortimentsbreite zurück, die Rewe oder Edeka bieten. Aber das könnte sich ändern, wenn Aldi merken sollte, dass die XXL-Filiale in Mülheim läuft und das Format skalierbar ist.

Ritzdorf sagt zwar, die neue Filiale in Mülheim sei eigentlich gar kein neuer Aldi-Standort. Seit Anfang der Neunzigerjahre unterhalte der Discounter hier eine Filiale. Sie sei ein "lang etablierter, sehr gut gehender Standort". In Wahrheit könnte sie sich aber als Angriff auf die Konkurrenz entpuppen, die sich gegenüber vom großen Parkplatz und in unmittelbarer Nachbarschaft tummelt: Neben dm und Jacques' Weindepot sind das auch Lidl, Edeka und Real.

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