Plastikbeutel:Auch ein symbolischer Cent kann ein Umdenken bewirken

Plastiktüten in Supermärkten

Da hängen sie noch: Plastiktüten für loses Obst und Gemüse

(Foto: dpa)

Bei Aldi zahlt man künftig für Plastikbeutel in der Obst- und Gemüseabteilung, andere Märkte wollen auf Papier umsteigen. Die Lösung aber ist nur Mehrweg.

Kommentar von Vivien Timmler

Der Kampf gegen die Plastiktüte ist in vollem Gange. Nun geht Aldi auch gegen den Hemdchenbeutel in der Obst- und Gemüseabteilung vor. Er hatte bislang ein stilles Gratisleben geführt, abseits der medialen Öffentlichkeit. Damit ist jetzt endlich Schluss. Der Discounter verlangt für die Beutel künftig Geld - wenn auch den geringstmöglichen Betrag von einem Cent.

Das Ganze ist eher symbolisch gemeint, gibt Aldi unverblümt zu. Dennoch könnte der Schritt einiges bewirken und das Verhalten der Kunden nachhaltig verändern. So weiß man aus der Konsumpsychologie, dass Verbraucher die Veränderung von gratis zu einem beliebigen Betrag als deutlich heftiger empfinden als eine gewöhnliche Preiserhöhung. Was kostenlos ist, wird so lange in Massen konsumiert, bis es einen Preis hat. Erst dann setzt die Reflexion ein - und der Kunde überlegt sich, ob er den Quatsch wirklich braucht.

Das Beispiel Großbritannien zeigt zudem, dass auch kleine Abgaben Effekte erzielen können. Wer an der Kasse eine Plastiktüte mitnehmen möchte, muss dort gerade mal fünf Pence, umgerechnet sechs Cent, bezahlen. Der Verbrauch ist trotzdem um 86 Prozent gesunken.

Langfristig jedoch ist der symbolische Cent zu wenig. Er suggeriert den Kunden einerseits, es sei weniger schlimm, ein paar Hemdchenbeutel zu kaufen als eine große Plastiktüte an der Kasse, für die schnell mal 25 Cent fällig sind. Der Schaden, den die Tüten in den Meeren anrichten, ist jedoch der gleiche.

Hinzu kommt, dass die Hemmschwelle, zu Plastik zu greifen, an der Kasse deutlich höher ist als in der Gemüseabteilung. Wer am Kassenband auf den Preis blickt, greift vielleicht noch zur umweltverträglicheren Alternative aus Baumwolle. Den Obstbeutel hingegen legt man nicht mehr zurück.

Wer die Plastikflut wirklich stoppen will, muss dem Hemdchenbeutel daher einen spürbaren Preis geben. Einen, bei dem der Kunde zweimal überlegt, ob er ihn sich leisten möchte. Nicht alles, was wie eine Lösung des Plastikproblems aussieht, ist auch eine. Die Supermarktkette Real etwa hat sich vorgenommen, die durchsichtigen Beutel in der Obst- und Gemüseabteilung durch Tüten aus Papier ersetzen. Hier zeigt sich die traurige Logik der Konsumgesellschaft: Ein Einwegprodukt durch ein anderes Einwegprodukt zu ersetzen, ist keine Lösung. Papiertüten sind ökologisch kaum besser als ihr Pendant aus Plastik. Zwar zersetzen sie sich schneller, sie verbrauchen aber in der Herstellung viel Wasser, Energie und Chemikalien.

Mit gutem Beispiel voran geht die Discountkette Penny: Dort gibt es seit Kurzem Mehrwegnetze für loses Obst und Gemüse. Die Beutel sind je nach Region aus Polyester oder Baumwolle und lassen sich Hunderte Male wiederverwenden. Andere Supermärkte sollten sich Modelle wie dieses zum Vorbild nehmen. Denn Nachhaltigkeit fängt vielleicht in der Gemüseabteilung an, aber sie endet dort noch lange nicht. Das Problem zieht sich vorbei an den Wurst- und Käseverpackungen über doppelt verpackte Weingummis bis hin zur Convenience-Food-Theke.

Die Supermärkte wären in der Pflicht, es den Verbrauchern leichter zu machen, auch dort verpackungsfrei einzukaufen. Nur so wird sich Deutschland von einer Einweg- in eine Mehrweggesellschaft verwandeln. Und nur so kann es gelingen, der riesigen Müllberge Herr zu werden.

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