Aldi Nord:Die lange Suche nach der Wahrheit

Aldi Nord: Die lustige Witwe und ihr listiger Anwalt: Babette Albrecht und Andreas Urban wollen mehr Macht bei Aldi Nord.

Die lustige Witwe und ihr listiger Anwalt: Babette Albrecht und Andreas Urban wollen mehr Macht bei Aldi Nord.

(Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa (l); Rolf Vennenbernd/dpa)

Der Familienstreit um Macht und Milliarden nähert sich dem Ende. Die Erben der Discounter-Dynastie bekämpfen sich vor Gericht. Der tiefe Graben zwischen den Parteien wird mit dem Urteil aber nicht überwunden sein.

Von Michael Kläsgen

Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren, am 21. November 2012, verstarb Berthold Albrecht, der Sohn von Aldi-Nord-Gründer Theo Albrecht senior im Alter von 58 Jahren. Seither tobt ein hässlicher Familienstreit um die Macht beim Discounter und dessen Milliarden. An diesem Donnerstag sollte der Zwist zumindest vor Gericht einstweilen ein Ende finden, abends - nach acht Stunden Verhandlung - kam dann allerdings die Mitteilung, dass das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung im Aldi-Streit vertagt hat. Voraussichtlich am 7. Dezember solle noch ein Zeuge gehört werden, hieß es. Die persönliche Fehde zwischen den Familienzweigen wird ohnehin weitergehen, zu tief sind inzwischen die Gräben zwischen Theo junior, dem Bruder von Berthold, und der Witwe Babette Albrecht sowie ihren Kindern.

Auslöser für den Rechtsstreit war, dass Berthold knapp zwei Jahre vor seinem Tod, im Dezember 2010, die Satzung der Jakobus-Stiftung änderte, in die er sein Milliardenvermögen eingebracht hatte. Die Jakobus-Stiftung ist eine von drei Stiftungen, die das Vermögen von Aldi Nord verwalten. Firmengründer Theo Albrecht senior hatte die Konstruktion so angelegt, dass Einigungszwang zwischen den Stiftungen herrschte. Kein Familienzweig sollte ohne Einwilligung des anderen wichtige Entscheidungen für die Firma treffen können.

Das war bis zum Tod Bertholds kein Problem. Bis dahin hatten die Familienmitglieder im Vorstand der Stiftung das Sagen und damit auch im Unternehmen. Fortan sollte die Familie jedoch auf Wunsch Bertholds blockiert werden. Stattdessen sollten zwei Unternehmensvertreter, ein Manager und ein Aldi-Nord-Anwalt, die Entscheidungsbefugnis haben.

Grund dafür war, dass Bertholds fünf Kinder zum Zeitpunkt der Satzungsänderung noch jung und unerfahren waren. Die Vierlinge sind heute 27, die jüngste Tochter 25 Jahre alt. Bertholds Frau Babette zeigte ihrerseits keine Neigung, in den Stiftungsvorstand einzuziehen. Sie erteilte hingegen ihrem Anwalt Andreas Urban eine Generalvollmacht, ihre Interessen und die ihrer Kinder zu vertreten.

Bei den anderen beiden Stiftungen, der Markus-Stiftung und der Lukas-Stiftung, die den Rest des Vermögens von Aldi Nord verwalten, ist die Zusammensetzung der Vorstände bereits in dieser Richtung geändert worden. Dort sind die Unternehmensvertreter zahlenmäßig ebenbürtig oder sogar mehrheitlich im Vorstand vertreten. In Wahrheit hat dort aber noch Bertholds Bruder, Theo Albrecht junior, das letzte Wort.

Babette Albrecht und ihre Kinder lassen sich jedes Jahr 25 Millionen Euro ausschütten

Dieser hat sich mit seiner Schwägerin aufgrund ihres Lebensstils überworfen. Ihren fünf Kindern traut er nicht zu, Aldi Nord im Interesse des Unternehmens zu steuern. Die Witwe und die Kinder werfen Theo junior wiederum vor, Berthold zu der Satzungsänderung getrieben zu haben und sie "enteignen" zu wollen. Theo junior bot ihnen hingegen an einzuwilligen, sich jährlich von der Jakobus-Stiftung 25 Millionen Euro ausschütten zu lassen, wenn sie sich im Gegenzug nicht ins Geschäft von Aldi Nord einmischten.

Das lehnten sie ab. Die 25 Millionen Euro ließen sich Babette und die Kinder jedoch jedes Jahr nach dem Tod Bertholds auszahlen, in Nettobeträgen. Davon gingen jeweils zehn Millionen Euro an Babette und je drei Millionen Euro an die fünf Kinder. Die Höhe der Zuwendungen entspricht dem, was die Vorstandsvorsitzenden von Dax-Konzernen verdienen. Da es jedoch keinen Vorstandsbeschluss für die Ausschüttungen gibt, könnten sie rechtlich theoretisch angefochten werden.

Falls das Gericht die Satzungsänderung für unwirksam erklärt, könnte Anwalt Andreas Urban in den Stiftungsvorstand einziehen. Er hätte damit theoretisch auch die Möglichkeit, mit Einwilligung der anderen Vorstandsmitglieder - zur Zeit sind das die älteste und die jüngste Tochter Bertholds - über seine Bezüge zu bestimmen.

Knackpunkt an der Satzungsänderung ist die Frage, ob Berthold in dem Zeitraum geschäftsfähig war. Babette behauptet laut Stellungnahmen, die die Bild am Sonntag abdruckte, er habe die Tragweite seiner Unterschrift nicht ermessen können. Die Gegenseite argumentiert, Berthold sei zwar alkoholkrank, aber geschäftsfähig gewesen. Er habe in den Tagen zuvor und noch am selben Tag viele Telefonate und Geschäftstermine erledigt, er sei im Monat zuvor zum Vorsitzenden des Aldi-Verwaltungsrates ernannt worden und habe zu diesem Zeitpunkt viele Dienstreisen ins ferne Ausland unternommen. Die Satzungsänderung sei über Monate in vielen Gesprächen Thema gewesen.

Dramatisch wurden die Ereignisse noch einmal kurz vor dem Tod Bertholds. Er lag in einem Bett in einem Schweizer Luxushotel. Das Testament brachte ihm sein Bruder Theo aus Essen, dem Wohnsitz der Albrechts. In dem Testament hatte Berthold festgehalten, dass seine Kinder erst mit dem 32. Lebensjahr das Erbe für sein persönliches Vermögen antreten können. Angeblich wollte er in dem Testament auf dem Sterbebett auch die Satzungsänderung noch einmal festschreiben.

Doch dazu kam es nicht mehr, obwohl das Testament etwa einen Monat lang griffbereit bei ihm lag. Warum das geschah, auch darüber gibt es unterschiedliche Versionen.

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