Aldi Nord:Das Familiendrama geht vor Gericht weiter

Wer hat künftig die Macht beim Discounter: Unternehmensvertreter oder eine lebenslustige Witwe und ihre fünf Kinder im Alter von 27 und 25 Jahren beziehungsweise deren Anwalt? Der Prozess dauerte am Abend an.

Von Michael Kläsgen

Das Familiendrama im Aldi-clan ist auch am Donnerstag vor Gericht weitergegangen. Erstmals findet sich nun in den Prozessakten der Satz eines Zeugen wieder, der kein gutes Licht auf Babette Albrecht und ihre fünf Kinder wirft. Diese waren vor Gericht gezogen, weil sie mehr Macht bei Aldi Nord wollen. Konkret fechten sie eine Satzungsänderung der Stiftung ihres verstorbenen Mannes beziehungsweise Vaters Berthold Albrecht an, mit der er ihren Einfluss im Unternehmen einschränkte. "Berthold hatte Sorge, dass seine Kinder in die Töpfe greifen. Er meinte auch, dass sie nicht auf das Unternehmen fixiert waren", sagte nun Hartmuth Wiesemann, der frühere Aldi-Nord-Chef.

Wiesemann war von Babette Albrechts Anwalt Andreas Urban als Zeuge bestellt worden, sagte schließlich aber nicht zu ihren Gunsten aus. Wiesemann stärkte mit seiner Aussage hingegen die Seite des Unternehmens Aldi Nord, die maßgeblich von Bertholds Bruder Theo junior gestützt wird. Berthold schien mit seiner Befürchtung recht zu haben. Nach seinem Tod ließen sich Babette und die fünf Kinder mehr als 75 Millionen Euro netto aus der Jakobus-Stiftung, der Aldi Nord zu knapp einem Fünftel gehört, auszahlen.

Nach der Zeugenvernehmung stellte Urban vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig ein Dutzend Beweisanträge, die unter anderem darauf abzielten, die Geschäftsunfähigkeit von Berthold Albrecht am Tag der Satzungsänderung zu belegen. Der Prozess zog sich hin und dauerte bei Andruck dieser Ausgabe noch an. Ein Urteil war bereits vor zwei Wochen erwartet worden.

Die Argumentation mit der Geschäftsunfähigkeit ist aus Sicht Babettes durchaus zweischneidig. Beim Prozess gegen den derzeit inhaftierten Kunsthändler Helge Achenbach vertrat Urban ebenfalls Babette Albrecht. Achenbach war Bertholds Freund. Dieser kaufte auf Achenbachs Anraten Kunstwerke in Millionenhöhe, die Babette nach Bertholds Tod erbte. Die Argumentation, Berthold sei bei der Satzungsänderung nicht geschäftsfähig gewesen, ist insofern heikel. Sollte Babette Albrecht in Schleswig recht bekommen, wäre Berthold auch beim Kauf etlicher millionenschwerer Kunstwerke und Oldtimer geschäftsunfähig gewesen. Achenbach müsste theoretisch die Kunstwerke zum damaligen Preis zurückkaufen und den Kauf rückabwickeln können. Der Kaufvertrag wäre unwirksam gewesen, weil der Käufer nicht geschäftsfähig war. Nur: Das wäre das nicht im Interesse von Urbans Mandantin Babette Albrecht.

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