Aldi:Im Edel-Rausch

Jette Joop Fashion Show

Teure Mode, billig verkauft: Designerware von Jette Joop gab es vor Kurzem als Sonderposten bei Aldi.

(Foto: Andreas Rentz/Getty)

Der Discounter bringt immer mehr Markenprodukte in seine Regale. Das drückt die Preise. Für die Hersteller von Milka-Schokolade und Steinofen-Pizza ist das ein Balanceakt.

Von Laura Terberl

Eigentlich paradox: Aldi möchte mehr jüngere und anspruchsvollere Verbraucher erreichen, die bereit sind, etwas mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Deshalb baut der Discounter seit einem Jahr sein Markenangebot konsequent aus - und hat genau mit dieser Strategie einen enormen Preiskampf im Handel ausgelöst, der jetzt auch für die Markenhersteller zum Problem werden kann.

Denn die neu gelistete Wagner Steinofenpizza ist bei Aldi deutlich billiger zu haben als in vielen Supermärkten. Das gilt auch für Milka-Tafeln oder Chips von Funny Frisch. Das setzt die konkurrierenden Einzelhändler unter Druck. Um keine Kunden an den Discounter zu verlieren, ziehen sie bei den sinkenden Preisen häufig bis zur Schmerzgrenze mit. Für den Konsumenten ist das prima, für den Handel und die Hersteller weniger. Die streiten sich über die dadurch schmäler werdenden Margen. Wenn dieser Konflikt eskaliert, schmeißen Supermarkketten einen Hersteller schon mal komplett aus dem Sortiment. Das passiert in letzter Zeit immer häufiger, der aktuellste Fall ist die Auslistung von Iglo und Mars bei Kaufland.

"Aldi gilt als harter, aber verlässlicher Verhandlungspartner."

Trotzdem scheint sich das Discountergeschäft für die Markenhersteller zu lohnen. Erstmals seit 2009 ist der Marktanteil der Markenhersteller wieder gestiegen, hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelt. Durch die Listung bei den Discountern konnten sie im vergangenen Jahr im Durchschnitt 20 Prozent mehr Umsatz erzielen. Zwar ist gleichzeitig der Verkaufspreis um durchschnittlich zehn Prozent gesunken, unter dem Strich aber ist das Billigangebot für die Produzenten damit noch immer ein Geschäft - selbst wenn sie wegen den niedrigeren Verkaufspreise bei Aldi ihre Produkte auch an Rewe, Edeka und Co. günstiger verkaufen müssen.

"Für die Marken ist Aldi ein spannender zusätzlicher Vertriebskanal, sie erreichen mehr Kunden und neue Käuferschichten" erklärt Wolfgang Adlwarth, Marktforscher bei der GfK. Überall verfügbar zu sein ist vor allem bei Süßwaren und Getränken sehr wichtig: Schokolade, Chips und Energy-Drinks stehen häufig nicht auf dem Einkaufszettel. Diese Einkäufe entstehen eher durch Gelegenheit, weil man gerade Lust auf einen Snack oder etwas Süßes hat. "Bei solchen Spontankäufen ist die Marke viel entscheidender als bei anderen Produktgruppen", sagt Adlwarth.

Und genau in diesen Produktgruppen haben Discounter besonders viele Marken im Angebot. Die Hersteller hoffen also, dass die Kunden mehr Produkte ihrer Marke kaufen, da sie viel häufiger mit der Marke konfrontiert werden. Dass zum Beispiel Funny Frisch als einzige Chips-Marke im Discounter-Regal steht, ist zusätzlich interessant. Andreas Gayk, Experte für Handelsbeziehungen beim deutschen Markenverband, kennt einen weiteren Grund, wieso der Platz im Aldi-Regal trotz unschöner Paletten-Optik für viele Marken so interessant ist. "Aldi gilt als harter, aber verlässlicher Verhandlungspartner. Zusagen werden eingehalten. Das ist in der Branche sonst nicht selbstverständlich."

Der Schmusekurs mit Aldi ist allerdings nicht ohne Risiko. Weil es im deutschen Lebensmittelhandel inzwischen nur noch wenige große Akteure gibt, lohnt es sich zwar für die Hersteller, bei vielen Händlern präsent zu sein. So können sie bei Verhandlungen unabhängiger agieren. Doch wenn der Neukunde Aldi bereits bestehende Handelsbeziehungen zu Supermärkten torpediert, verliert der Hersteller womöglich mehr, als er durch den Deal gewinnt. "In diesem Ausmaß haben die Marken diesen Preiskampf bestimmt nicht erwartet", meint Gayk.

Zusätzlich erschweren die Discounter die Positionierung der Marke. "Der Preis ist für viele Kunden immer noch ein Indikator für Qualität. Wird der immer weiter reduziert, kann das die Marke beeinträchtigen", meint Adlwarth. Das heißt: Ein Produkt, das immer billiger wird, ist sein Geld nicht wert. Für eine Marke wie Coca-Cola ist ein möglicher Preisrückgang nicht so schlimm. Schließlich wird das Produkt das ganze Jahr über mit gigantischen Werbekampagnen beworben, der Einzelhandel prägt das Markenerlebnis daher nicht so stark. Deshalb finden sich beim Discounter vor allem die Marktführer einer bestimmten Branche.

Schwieriger kann es hingegen für Marken mit geringerem Marktanteil und höherem Preis werden. Sie müssen befürchten, in dem Wettbewerb zerrieben zu werden, warnt Adlwarth. Denn auch wenn sie gar nicht beim Discounter erhältlich sind, kann der Preiskampf das generelle Preisniveau in ihrem Produktsegment senken. Und wenn der Handel versucht, deshalb seine Einkaufspreise zu drücken, haben die kleinen Markenproduzenten nicht die Marktmacht, sich dagegen zu wehren.

Die Edelmarke Rausch-Schokolade hat den Gegentrend gewagt und sich im vergangenen Jahr komplett aus dem Einzelhandel zurückgezogen. Anstatt überall erhältlich zu sein, grenze man sich so bewusst von "Wettbewerbern im Mittelsegment ab", so der Konzernchef. Rausch möchte so wieder mehr Macht über das eigene Sortiment haben - auch in Bezug auf den Preis und die Präsentation im Handel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: