Aldi: Gebrüder Albrecht:Das Prinzip Dunkelheit

Unternehmer müssen keine Zirkuspferde sein, doch die Aldi-Brüder haben es mit ihrer Zurückhaltung übertrieben. Wohlhabende müssen begreifen, dass Erfolg und Verantwortung zusammengehören.

Karl-Heinz Büschemann

Vor einer Woche starb in Essen mit 88 Jahren einer der erfolgreichsten deutschen Unternehmer. Theo Albrecht hatte mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Karl die Lebensmittelkette Aldi gegründet und eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Aldi wurde zu einem ökonomischen wie kulturellen Teil der Nachkriegs-Bundesrepublik wie Volkswagen, Neckermann oder Jacobs-Kaffee.

Aldi-Gründer Theo Albrecht gestorben

Aldi-Gründer Theo Albrecht starb von wenigen Tagen im Alter von 88 Jahren.

(Foto: dpa)

Die Brüder häuften mit dem simplen Geschäftsprinzip ihrer Billig-Märkte ein Vermögen an, mit dem sie zu den reichsten Familien der Welt gehören, sie schufen 50000 Arbeitsplätze, steigerten den Wohlstand vieler Menschen und boten ihnen Lebensmittel zu günstigen Preisen. Aber sie taugen nicht zum Vorbild.

Karl und Theo Albrecht haben es übertrieben. Sie stammen aus einfachen Verhältnissen, aber agierten auch dann noch im Verborgenen wie ein Tante Emma-Laden, als sie längst einen Großkonzern führten. Sie waren nicht einfach scheu, sie versteckten sich systematisch. Ihre Firmen verschachtelten sie so trickreich, dass über das Innenleben der Gruppe nur wenig nach außen dringt. Aldi gibt nicht einmal Zahlen über den Umsatz heraus. Die Brüder gründeten Stiftungen, aber aus steuerlichen und juristischen Gründen, nicht etwa aus sozialen Gründen. Sie wandten sich von der Welt so gründlich ab, dass der Eindruck entstehen könnte, sie hätten etwas zu verbergen.

Modernes Unternehmertum sieht anders aus. Firmen schmücken sich mit ihren Chefs oder Gründern, sie wollen ihren Erfolg der Öffentlichkeit mitteilen. Führungskräfte sind Vorbilder für Mitarbeiter, sie sorgen für das nötige Vertrauen bei den Kunden. Das gesellschaftliche Ansehen eines Unternehmens ist die Grundlage seiner Geschäfte. Doch Vertrauen entsteht nur auf der Basis von Transparenz. Dabei muss ein Unternehmer kein Zirkuspferd sein, das durch Fernsehshows tingelt.

Er muss auch nicht alle Geschäftsgeheimnisse preisgeben. Wie wichtig es ist, ein Gesicht der Wirtschaft zu sein, zeigen die vielen deutschen Mittelständler, die einer großen Öffentlichkeit meist nicht einmal bekannt sind, die aber in ihren Städten und Regionen Ansehen genießen, weil sie Arbeitsplätze schaffen und gelegentlich eine Stadthalle oder einen Sportplatz sponsern. Reich gewordene Unternehmer gründen Stiftungen, um Gutes zu tun und der Welt etwas von ihrem Wohlstand zurückzugeben. Das ist eine internationale Tradition.

Ein möglichst normales Leben

Aber viele reiche Menschen wollen verständlicherweise nicht im Rampenlicht stehen. Sie ziehen die Zurückgezogenheit vor, um ein möglichst normales Leben führen zu können. Viele fürchten Entführung oder Erpressung, anderen ist es wichtig, ungestört auf Reisen oder zum Einkaufen gehen zu können. Das Beispiel von Theo Albrecht widerlegt die These, völlig Zurückgezogenheit erhöhe die Sicherheit. Albrecht wurde 1971 entführt und 17 Tage gefangen gehalten.

Wider den Erfolg

Es ist richtig, dass Reichtum seinen Preis hat. Wer Milliarden besitzt, kommt ohne Vorkehrungen nicht aus, die lästig sein können. Aber viele reiche und superreiche Unternehmer zeigen, dass sie relativ unbeobachtet leben können. Die Familie Quandt/Klatten, der knapp die Hälfte von BMW und Anteile anderer Unternehmen gehören, ist ein Beispiel, wie eine Mischung von Präsenz und Zurückgezogenheit funktionieren kann.

In den USA leben Dutzende Milliardäre, die Firmen wie Ebay gründeten. Die geben gelegentlich mal ein Interview und im Übrigen scheinen sie mehr darüber nachzudenken, wann sie die nächste Firma gründen als darüber, wie sie ihren Reichtum kunstvoll verschleiern. Oder es gibt Typen wie den schwedischen Ikea-Gründer Ingvar Kamprad, dem es Spaß macht, Zurückhaltung zur Demonstration zu machen. Der inzwischen 84-Jährige reiste zur Ehrung als Unternehmer des Jahres in Düsseldorf mit dem Flughafenbus an.

Die Tugend der Demut

Die Wohlhabenden müssen begreifen, dass Erfolg und Verantwortung zusammengehören. Wer von der Gesellschaft reich gemacht wird, muss ihr etwas zurückgeben. Das habe nichts mit Almosen zu tun, "sondern mit Solidargemeinschaft", sagt dazu Michael Otto, Aufsichtsratschef der Hamburger Handelsgruppe Otto und einer, der es mit dem Reichtum der Albrechts aufnehmen kann. "Sonst funktioniert das Gemeinwesen nicht."

Bei Aldi besteht sogar die Gefahr, dass die Abschottung dem Erfolg des Unternehmens im Wege steht. Das Geschäftsprinzip wird bereits von den Konkurrenten attackiert, doch die Gruppe hat nur wenig entgegenzusetzen. Das liegt am mittelmäßigen Management. Wer agiert wie in einem obskuren Geheimbund, bekommt nicht die besten Mitarbeiter, die der Markt hergibt. Die gehen lieber zu modernen Unternehmen. Das Personalproblem gehört zu den verhängnisvollen Mängeln im System der verschlossenen Aldi-Brüder.

Karl und Theo Albrecht hätten aufgrund ihrer Herkunft die Chance gehabt, die Tugend der Demut mit dem Glück des Erfolgs zu verbinden. Sie hätten mit ihrem Reichtum zum Vorbild dafür werden können, wie man dennoch bescheiden leben kann. Was manche Neureiche und Betrüger der Internet-Gesellschaft mit ihrer Verschwendungssucht und ihrer Prahlerei an Konflikt und Enttäuschung in diese Gesellschaft getragen haben, hätten die beiden, die scheinbar nicht viel mehr brauchten als ihre Arbeit, mit gutem Gegenbeispiel korrigieren können. Damit hätten sie der Gesellschaft mehr gedient als mit ihrer Sehnsucht nach der Dunkelheit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: