Aldi erstmals mit Umsatzrückgang:Schwere Zeiten für Discounter

Zum ersten Mal in seiner Geschichte sinkt bei Aldi der Umsatz. Experten befürchten, dass auch die Konkurrenz Probleme bekommen wird. Schlittert die erfolgsverwöhnte Branche in die Krise?

Es ist eine ganz neue Situation für Aldi: Zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens schrumpfen die Umsätze des Discounters in Deutschland. Laut einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens GfK und der Unternehmensberatung Accenture ging der Umsatz des Billiganbieters im Jahr 2007 um 1,5 Prozent auf brutto 27 Milliarden Euro zurück, berichtete das Handelsblatt. Die sinkenden Umsätze wirken sich auch auf den Marktanteil des mit Abstand größten Discounters aus - er sank um 0,6 Prozentpunkte auf 18,9 Prozent.

Aldi erstmals mit Umsatzrückgang: Der erfolgsverwöhnte Discounter Aldi muss zum ersten Mal einen Umsatzrückgang verzeichnen.

Der erfolgsverwöhnte Discounter Aldi muss zum ersten Mal einen Umsatzrückgang verzeichnen.

(Foto: Foto: ddp)

Die beiden Aldi-Gesellschaften Aldi Süd und Nord äußern sich traditionell nicht zu ihren Geschäftszahlen. Die GfK ermittelt ihre Zahlen dem Zeitungsbericht zufolge aufgrund von umfangreichen Befragungen von Privathaushalten nach ihrem Einkaufsverhalten.

Wachstum dank neuer Filialen

Diese scheinbar kleinen prozentualen Veränderungen seien ein Erdbeben im Lebensmittel-Einzelhandel, wo es um reine Verdrängung gehe, kommentierte Accenture-Handelsexperte Gerhard Hausruckinger die Daten. Die Geschäftsführung von Aldi Nord wollte sich auf Anfrage des Blattes zu den Angaben nicht äußern. Auch bei Aldi Süd sei keine Stellungnahme erhältlich gewesen.

Noch im Vorjahr sahen die Zahlen viel besser aus. Für das Jahr 2006 hatte die Marktforschungsgruppe Trade-Dimension für Aldi Süd ein Wachstum von 8,3 Prozent ermittelt, Aldi Nord war den Berechnungen zufolge um 2,5 Prozent gewachsen. Allerdings war die Ursache dieses Wachstums damals schon der Bau neuer Filialen. Im vergangenen Jahr weitete Aldi sein Filialnetz, das 4200 Geschäfte umfasst, nicht weiter aus.

Profiteur der Aldi-Schwäche ist ausgerechnet der Konkurrent Lidl. Der Wettbewerber erhöhte die Anzahl seiner Filialen um 3,6 Prozent und steigerte seinen Umsatz um fast zehn Prozent auf 13,3 Milliarden Euro.

Insgesamt sieht die Prognose der Experten für die Marktmacht der Discounter nicht unbedingt rosig aus. Nach dem Siegeszug der vergangenen Jahre stoßen Deutschlands Discounter an Wachstumsgrenzen. Das Expansionstempo der Billiganbieter sei 2007 drastisch gesunken. "Die Lebensmittel-Discounter stehen am Scheideweg", sagt Accenture-Mann Hausruckinger. "Discount ist heute kein Selbstläufer mehr." Konnten Aldi, Lidl und die anderen Anbieter ihren Marktanteil zwischen 2000 und 2006 jährlich noch durchschnittlich um 1,7 Prozentpunkte steigern, so fiel das Plus 2007 mit nur 0,7 Prozentpunkten deutlich bescheidener aus.

"Generation Silber" im Blick

Die Wachstumsschwäche hat zwei Gründe. Einerseits lassen sich kaum noch neue Kunden gewinnen: Schon heute kaufen 98 Prozent der Verbraucher mehr oder weniger regelmäßig bei Billiganbietern. Doch gravierender noch: Die demografische Entwicklung macht den Discountern zu schaffen. Als Discount-Stammkunden gelten vor allem junge Familien. Doch deren Anteil an der Bevölkerung wird bis 2020 von derzeit 31 auf 28 Prozent sinken. Dagegen wächst der Anteil der Verbrauchergruppen, die bevorzugt in klassischen Supermärkten kaufen. Dazu gehören etwa Rentner, alleinstehende Ältere oder Familien, in denen die Kinder schon aus dem Haus sind.

"An der Generation Silber kommt künftig kein Lebensmittelhändler vorbei", sagt Hausruckinger. Außerdem achteten viele Verbraucher wieder stärker auf Qualität und weniger auf den Preis als in den Jahren unmittelbar nach Einführung des Euro.

Die Zukunftsaussichten der Billiganbieter hängen nach Einschätzung der Experten von verschiedenen Faktoren ab. So könnten der Anstieg der Lebensmittelpreise und unsichere Konjunkturaussichten schon kurzfristig das Einkaufsverhalten wieder zugunsten der Discounter verändern. Doch könnten die Billiganbieter auch selbst noch einiges tun, heißt es in der Studie: etwa mit ihren Angeboten den Bedürfnissen älterer Kunden nach Bequemlichkeit und Sicherheit entgegenkommen, oder mit Ethno-Marketing gezielt die Zielgruppe der Migranten ansprechen.

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