Süddeutsche Zeitung

Alarmstimmung bei Reedereien:Vorboten für Konsumflaute

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Erstmals seit 2001 schrumpfen Frachttransporte zwischen Asien und Europa - für Experten ist das ein klares Zeichen, dass ein Konjunkturabschwung ansteht.

Meite Thiede

Auf den Seewegen von Asien nach Europa gehen die Frachttransporte erstmals seit sieben Jahren zurück. Dies ist ein Zeichen für einen Konjunkturabschwung in Europa und lässt für das Weihnachtsgeschäft des Einzelhandels nichts Gutes ahnen. Unter Reedern macht sich bereits Panik breit, denn die Preise sinken und die Überkapazitäten werden noch größer.

Die Containerriesen auf den Ozeanen funktionieren in diesen Wochen wie ein Indikator für die Einzelhandelskonjunktur in Europa. Was hierzulande Weihnachten an Spielzeug, Elektronik oder Kleidung in den Regalen des Handels steht, wird überwiegend in Asien produziert und in den Sommermonaten auf den Seeweg nach Europa gebracht.

Doch die aktuellen Zahlen aus der Containerschifffahrt sehen düster aus: Zum ersten Mal seit 2001 sind die Transporte von Asien nach Europa im Juni geschrumpft. Das berichtet die Far Eastern Freight Conference (FEFC), eine Organisation von Reedern, die 70 Prozent des Verkehrs auf der Strecke abdecken. So wurden im Juni 542.578 Container nach Europa geschickt, das waren 2624 weniger als vor einem Jahr.

Das Minus ist mit 0,48 Prozent zwar gering ausgefallen, aber der Trend alarmiert die gesamte Industrie. Denn Ende 2007 hatte FEFC-Chef Rod Riseborough für den Containerhandel von Asien nach Europa noch ein Plus von 19 Prozent prognostiziert. Tatsächlich waren die Wachstumsraten in den ersten Monaten auch noch zweistellig.

Rückgang schneller als erwartet

Doch dann schrumpften sie zügig, von Monat zu Monat, und im ersten Halbjahr lag das Plus nur noch bei 8,23 Prozent. Nach Informationen des maritimen Branchendienstes Lloyd's List ist bei den Reedern sogar bereits von Panik die Rede. Einen so schnellen Rückgang des Wachstums hatten die Unternehmen offenbar nicht erwartet.

Die Entwicklung im Containerverkehr deckt sich mit den Beobachtungen des Einzelhandels in Deutschland. "Die höheren Energie- und Lebensmittelpreise drücken nicht nur auf den Geldbeutel des Verbrauchers, sondern auch auf seine Stimmung", sagte Michael Otto, Aufsichtsratschef der Otto Group, der Süddeutschen Zeitung.

"Es gibt keinen Optimismus, trotz Wirtschaftswachstums und weniger Arbeitslosigkeit. Und wenn die Zukunftserwartungen gedämpft sind, bedeutet das Konsumzurückhaltung. Das sehen wir im deutschen Einzelhandel 2008 und das wird sich vermutlich auch 2009 noch fortsetzen." Entsprechend vorsichtig disponiere und importiere der Handel jetzt auch für das Weihnachtsgeschäft. "Ich erwarte für den Umsatz des Einzelhandels real ein kleines Minus, nominal ein kleines Plus."

Die mangelnde Kauflust wirkt sich auch bereits dramatisch auf die wirtschaftliche Lage mancher Handelskonzerne aus. Vor wenigen Tagen musste Hertie Insolvenz anmelden, ein paar Wochen zuvor hatte das Aachener Traditionsunternehmen Wehmeyer den Gang zum Amtsgericht angetreten, und auch Sinn-Leffers ringt mit schlechten Zahlen.

Importeure fordern Nachlässe

In der Schifffahrt drückt die nachlassende Nachfrage auf die Preise. Lloyd's List zitiert den Finanzchef der in Hongkong an der Börse gelisteten Reederei OOIL, Kenneth Cambie, der einen dramatischen Rückgang des Gewinns im ersten Halbjahr melden musste. Cambie berichtete, dass die Frachtraten auf der Strecke Asien-Europa in den vergangenen drei Wochen drastisch gefallen sind.

Große europäische Importeure würden beachtliche Nachlässe fordern. Es ist in der Branche üblich, dass die großen Kunden - Speditionen, Importeure - für ihre Container Stellplatzkontingente auf den Schiffen buchen, diese aber ohne Strafzahlung kurzfristig zurückgeben können, wenn die Nachfrage geringer als erwartet ausfällt. Das ist jetzt häufig der Fall.

Die Ursachen für den Druck auf die Raten liegen - neben schlechter Konsumstimmung und nachlassender Nachfrage - vor allem in den Überkapazitäten. Die Schifffahrt ist ein stark zyklisches Geschäft. Angesichts des seit Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten boomenden Containerverkehrs haben die Reedereien massiv neue Schiffe bestellt.

Die Orderbücher der Werften sind auf Jahre voll. Das bedeutet, dass die Kapazität der gesamten Welt-Containerflotte von derzeit zwölf Millionen TEU (Standardcontainer) bis zum Jahr 2011 auf 17,5 Millionen TEU, also um 46 Prozent, anwächst. In der Branche wird inzwischen erheblich bezweifelt, dass die Nachfrage da noch mitkommen kann.

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SZ vom 4.8.2008/vw
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