Süddeutsche Zeitung

Aktionärsversammlung bei Praktiker:Revolte im grünen Seidenkleid

Am Ende wurde der Druck von Isabella de Krassny zu groß: Die Vertreterin der Hauptaktionäre der verschuldeten Baumarktkette Praktiker drängt zwei Aufsichtsräte zum Rücktritt und schafft Platz für Vertreter der Großaktionärsgruppe um die Wiener Privatbank Semper Constantia. Im Gegenzug stimmt sie dem Sanierungskonzept des Firmenchefs zu - dessen Stuhl wackelt.

Kristina Läsker

Die Revolte beginnt um kurz nach eins - und leuchtet grün. Eine Frau in einem schillernden Seidenkleid klettert auf das Rednerpult im Curio-Haus in Hamburg. "Ein herzliches Grüß Gott", sagt sie. Was ein wenig merkwürdig klingt hier, hoch im Norden. Doch die blonde Dame kommt aus Wien, heißt Isabella de Krassny, und sie bringt eine Botschaft, die alles verändern wird: "Wir lassen uns nicht erpressen."

Seit dem Morgen tagen die Aktionäre der Praktiker AG in der Hansestadt. Zwei Stunden lang hat Firmenchef Kay Hafner erklärt, wie er die Baumarkt-Kette vor dem Aus retten will. Manchmal zittert seine Stimme, es tönen unflätige Zwischenrufe durch den holzgetäfelten Saal, die bei Hafners letzten Worten abklingen. "Entscheidend ist, dass es zu diesem Konzept keine Alternative gibt", sagt er. "Wir bitten um Ihre Zustimmung."

Doch viele Aktionäre sind sauer, weil die Rettung sie teuer kommt. Sie sollen 60 Millionen Euro in einer Kapitalerhöhung zuschießen. Das senkt den Wert der alten Aktien und ist unbeliebt. Zudem sollen die Eigner billigen, dass der Investor Anchorage bis zu 15 Prozent der Aktien bevorzugt erwerben darf und enorme Macht erhält. Im Gegenzug will der US-Investor ein Darlehen über 85 Millionen Euro geben. Dafür erhält er die rentable Praktiker-Tochtermarke Max Bahr als Pfand. Ohne Zustimmung zu dem Paket seien 20.000 Mitarbeiter bald arbeitslos, droht Firmenchef Hafner. Hopp oder topp, heißt das. Friss oder stirb.

Doch Managerin de Krassny will sich nicht abspeisen lassen: Sie habe sehr wohl ein eigenes Sanierungskonzept erarbeitet und vorgelegt, sagt die 53-Jährige. Ihre Worte haben Gewicht, sie spricht für die Hauptaktionäre, den Fonds Maseltov (zehn Prozent) und die Wiener Privatbank Semper Constantia (fünf Prozent). Die zwei haben am Mittwoch das Sagen. Der Grund: Insgesamt sind nur 26,9 Prozent der Aktionäre gekommen, de Krassny vertritt die Mehrheit der Stimmen.

Daher wagt sie die Revolte: "Wir verlangen den Rücktritt aller Aufsichtsräte", sagt die Fondsmanagerin. Auch Kay Hafner soll gehen. "Es ist gottgefährlich, dass das Unternehmen seit einem Jahr keine Vorstände hat, die etwas vom Geschäft verstehen." Was die Österreicherin nicht sagt: Ein Nachfolger für Hafner sitzt bereits im Saal. Er heißt Andreas Sandmann und war früher Deutschlandchef beim Rivalen Obi. "Ich stehe für diese Aufgabe bereit", sagt er der SZ.

Auch Vertreter der Kleinaktionäre wollen die Top-Manager loswerden. "Aufsichtsrat und Vorstand gehören abgewählt", fordert Markus Neumann von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Es sei eine "bodenlose Frechheit", dass Praktiker die Aktionäre nicht vorab besser über die Sanierung informiert habe. "Sie lassen jedwede Transparenz vermissen", kritisiert Dirk Unrau von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Sie haben die Firma an den Rand des Ruins gewirtschaftet."

Praktiker hatte jahrelang auf eine Billigstrategie gesetzt ("20 Prozent auf alles") und war tief in die roten Zahlen gerutscht. 2011 machte der Konzern mehr als eine halbe Milliarde Euro Verlust. Nun muss hart saniert werden. Trotz des Streits liegen die Pläne von Führung und Ankeraktionär aber nahe beieinander: Beide wollen die Tochter Max Bahr zur Kernmarke ausbauen und etliche Praktiker-Filialen zu Max Bahr umflaggen. Max Bahr bietet mit 60.000 Artikeln ein dreimal so großes Sortiment wie Praktiker und mehr Service. Andere Praktiker-Filialen sollen Resterampen werden. Verlustreiche Märkte sollen dichtmachen.

Die Debatte zieht sich über Stunden hin, wie die Flut an den Deich branden die Vorwürfe der Aktionäre immer höher. Am späten Abend dann bricht dieser Deich. Es gibt eine Pause, dann erklären zwei Aufsichtsräte ihren sofortigen Rücktritt. Sie weichen für zwei Vertreter des Großaktionärs. Schon diese Woche sollen Erhard Grossnigg, Aufsichtsratschef der Semper Constania Bank, und der frühere Aldi-Manager Armin Burger einspringen.

Die erste Aufgabe des neuen Rats: Er soll den Vorstand von vier auf sechs Manager erweitern - und Sandmann holen. Im Gegenzug will de Krassny die Kapitalerhöhung mittragen. "Wir wollen den Fortbestand des Unternehmens nicht gefährden", sagt sie und lächelt: Sie weiß, dass bald ein Sieg auf ganzer Linie folgen könnte. Denn der Sitz von Firmenchef Hafner wackelt. Sein Vertrag als Interims-Chef läuft nur bis August.

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Quelle:
SZ vom 05.07.2012/mane
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