Aktienoptionen für das Management:Zusatz-Vergütung unter der Tarnkappe

Lesezeit: 3 min

Viele Unternehmen verbuchen die Anreizpläne nicht als Aufwand und verschönern ihre Bilanz - eine Zeitbombe für die Kurse.

Hans von der Hagen

(SZ vom 13.07.2002) — 120 Millionen Dollar für einen Disney-Vorstand, 700 Millionen Dollar für Oracle-Chef Larry Ellison - den Jahresgehältern für Manager in den Vereinigten Staaten sind keine Grenzen mehr gesetzt. "Manche verdienen mittlerweile innerhalb weniger Jahre das, was früher Ergebnis generationenlangen erfolgreichen Unternehmertums war", kritisiert Michael Adams, Rechtsprofessor an der Universität Hamburg.

Auch hierzulande sind die Vorstandsbezüge großer Aktiengesellschaften ins Gerede gekommen. Gleichwohl nehmen sie sich im Verhältnis zu denen in den USA bescheidener aus. Spitzenreiter unter den Dax-Unternehmen dürfte die Deutsche Bank sein, die nach Berechnungen von Adams schon im Jahr 2000 gut elf Millionen Euro pro Vorstandsmitglied herausrückte.

Nun stellt kein Unternehmen derartige Summen einfach in bar zur Verfügung, vielmehr wird ein Großteil davon in Kaufrechten auf Anteile der Gesellschaft, also in Aktienoptionen, ausgezahlt.

Das Management kann diese erst nach längerer Haltefrist einlösen und - zumindest in Deutschland - dies auch nur dann tun, wenn zuvor vereinbarte Bedingungen erfüllt sind sowie die Aktien ein bestimmtes Kursniveau überschritten haben.

Das Kalkül liegt auf der Hand: Vorstände sollen das tun, was für die Entwicklung des Aktienkurses und damit auch für die Aktionäre gut ist. Soweit die Theorie. In der Praxis habe bislang der erhoffte Nutzen nicht nachgewiesen werden können, sagt Adams. Vielmehr hätten die jüngsten Bilanzskandale gezeigt, dass statt einer langfristigen Steigerung des Unternehmenswertes eine gezielte, kurzfristige Aufblähung des Aktienkurses etwa durch gezielt gestreute Nachrichten drohe.

Genauso schwer wiegt aber, dass die millionenschweren Optionspläne im Zahlenwerk der Unternehmen häufig nicht auftauchen. Entweder, weil eine Bilanzierung etwa im deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) oder auch in den Internationalen Accounting Standards (IAS) bislang nicht vorgesehen ist.

Oder aber, weil in den ebenfalls oft angewandten amerikanischen Bilanzierungsregeln Generally Accepted Accounting Standards (GAAP) Firmen ein großes Schlupfloch gelassen wird. Denn US-Gesellschaften müssen bislang Aktienoptionen zwar stets im Geschäftsbericht erwähnen, sie aber nicht zwingend in die Gewinnermittlung einbeziehen.

Der Trick: Vorstände erhalten Optionen, die an keine Bedingungen geknüpft sind. Solche bedingungslose Optionen bleiben in der Bilanz außen vor - eine Regel, die sich etwa DaimlerChrysler zu Nutze machte. Dem Automobilkonzern gelang es, die Aktienoptionen so zu gestalten, dass sie entsprechend den deutschem Vorgaben eine Bedingungsklausel haben, nach US- Recht aber als bedingungslos gelten und daher nicht in die Gewinnermittlung eingehen.

Mittlerweile wiesen viele Unternehmen ihre Ergebnisse zu hoch aus - und zwar mit zuletzt stark steigender Tendenz, warnt die Dresdner Bank. Laut einer Untersuchung wären die Gewinne der im US-Index S&P-500 enthaltenen Unternehmen für das Jahr 2001 um rund 45 Milliarden Dollar - oder 30 Prozent - niedriger ausgefallen, wenn diese ihre Optionen als Aufwand verbucht hätten.

Noch eindrucksvoller stellt sich die Rechnung für den US-High-Tech-Sektor dar: Dort müssten die ausgewiesenen Gewinne um 75 Prozent reduziert werden. Im Jahr zuvor waren es nur 25 Prozent. Die europäische Vergleichsgröße liegt für die Standardwerte bei zehn Prozent, für die High-Tech-Werte bei 20 Prozent.

Allerdings sei es im europäischen Raum wesentlich schwieriger, an entsprechende Daten zu kommen, bemängeln die Experten der Bank. Doch das könnte sich bald ändern: Sowohl das für die IAS verantwortliche Gremium IASB als auch der Deutsche Standardisierungsrat (DSR), der etwa für die Weiterentwicklung des HGB verantwortlich ist, haben Pläne für die Bilanzierung von Aktienoptionen in der Schublade. Derzeit warteten die Deutschen nur noch auf deren Umsetzung beim IAS, heißt es beim DSR. Wenn dies, wie geplant, bis Ende nächsten Jahres geschehe, könne man auf nationaler Ebene sofort nachziehen.

Schlupfloch wird gestopft

Alle Unternehmen, die Aktienoptionen an ihre Mitarbeiter ausgeben, müssten diese dann im Ergebnis als Aufwand verbuchen. Und zwar zum so genannten fairen Wert, der in etwa dem Kurs entspricht, der auch an der Börse für eine solche Option gezahlt würde. Dies entspräche im Prinzip der US- Regelung. Gleichwohl sieht man in den Vereinigten Staaten die europäischen Bemühungen mit großem Argwohn, denn das in den GAAP enthaltene Schlupfloch soll in den IAS wegfallen.

Aber nicht alle Unternehmen bemühen sich, ihre Zahlen frei von Optionsrechten zu halten. Beispielsweise haben sich einige Dax-Gesellschaften für so genannte Wertsteigerungsrechte entschieden (Tabelle). Das seien virtuelle Optionsrechte, die die Wertentwicklung echter Rechte nachbildeten, erläutert Christian Hauser von der Unternehmensberatung Towers Perrin.

Die Begünstigten erhielten am Ende nur eine Geldzahlung und keine Aktien. Die Wertsteigerungsrechte würden als Kosten verbucht, was Vorteile habe: Unternehmen könnten die Aufwendungen steuermindernd geltend machen und - wichtiger noch - Aktionäre müssten keine Verwässerung ihres Kapitals durch die an das Management ausgegebenen Aktien fürchten.

Doch dies sei eine Lösung, die in der Vergangenheit nicht allen gefallen habe, sagt Adams. Denn plötzlich werde deutlich, wie teuer derartige Gehaltsbestandteile tatsächlich seien.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: