Aktienkurs auf Rekordtief:Wall Street droht Foto-Pionier Kodak mit Rauswurf

Wer die digitale Wende verschläft, muss einen hohen Preis zahlen. Der Aktienkurs des Fotokonzerns Kodak rutscht auf ein Rekordtief. Weil der Preis schon länger unter einem Dollar liegt, droht nun der Rauswurf aus der New Yorker Börse.

Harald Freiberger

Der amerikanische Fotokonzern Kodak erhielt am Dienstag unangenehme Post: In einem Brief informierte ihn die New Yorker Börse darüber, dass der Rauswurf von der Wall Street droht, wenn der Aktienkurs in einem halben Jahr nicht wieder über die Marke von einen Dollar steigt. Die US-Börse duldet keine Aktien, die nur noch in US-Cent notieren, umgangssprachlich heißen sie Pennystocks (Pfennigaktien). Der Warnbrief geht immer dann an Unternehmen, wenn ein Kurs 30 Handelstage in Folge unter einem Dollar lag. Bei Kodak ist das seit dem 7. Dezember der Fall. Am Mittwoch sackte der Kurs gar auf das Rekordtief von 45 Cent. Das ist Ausdruck des Niedergangs eines 123 Jahre alten Fotopioniers, um den es zuletzt immer wieder Pleitegerüchte gab.

Auch das Wall Street Journal berichtet am Donnerstag unter Berufung auf Insider, Kodak bereite sich darauf vor, in den kommenden Wochen einen Antrag auf Gläubigerschutz zu stellen. Soweit könne es kommen, wenn sich kein Käufer für die wertvollen Patente der Firma findet.

Die Nachricht von der Drohung aus New York dürfte auch ein Unternehmen in Deutschland mit Interesse verfolgen, das in letzter Zeit immer wieder in Zusammenhang mit dem Wort "Pennystock" gebracht wurde. Es handelt sich um die Commerzbank, deren Aktie sich im November mit 1,15 Euro bedrohlich der Ein-Euro-Marke näherte. Seitdem hat sie sich etwas erholt, am Mittwoch notierte sie bei 1,30 Euro. Damit ist die magische Grenze aber immer noch in Sichtweite. Wenigstens muss die Commerzbank nicht fürchten, vom Börsenparkett zu fliegen, sollte sie wirklich zum Pennystock werden. "Eine Regelung wie in den USA gibt es bei uns nicht, theoretisch kann eine Aktie auch über längere Zeit bei 0,01 Euro notieren", sagt eine Sprecherin der Deutschen Börse.

Konsequenzen hätte dies allerdings für die Zusammensetzung der Indizes wie dem Dax, dem M-Dax und dem S-Dax. Die Zugehörigkeit einer Aktie zu einem der Börsenbarometer hängt von zwei Faktoren ab: der Marktkapitalisierung, also der Anzahl der Aktien in Streubesitz mal dem Kurs, und dem Umsatz, also der Anzahl der gehandelten Aktien mal dem Kurs. Ein niedriger Kurs führt demnach bei beiden Faktoren zu einer niedrigeren Gewichtung im Index. Im schlimmsten Fall fällt eine Aktie aus dem Index heraus. Die Deutsche Börse entscheidet darüber vierteljährlich.

Vor allem psychologische Wirkung

Ein Abstieg aus einem Index führt meist auch zu weiterem Kursverfall, da viele Investoren den Index nachbilden und die Aktie dann verkaufen. Bei der Commerzbank droht ein Rausfall aus dem Dax, der die 30 größten deutschen Aktien vereint, aber noch lange nicht. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) rechnete aus, dass sich der Kurs dazu auf 65 Cent halbieren müsste, wenn man die Marktkapitalisierung zugrunde legt.

"Optisch sieht das natürlich nicht schön aus, wenn eine Aktie unter einem Euro notiert", sagt Berndt Fernow, Analyst bei der LBBW. Das Unterschreiten der Grenze habe vor allem auch eine psychologische Wirkung und bedeute einen Imageverlust für das Unternehmen. Nicht umsonst gelten Pennystocks auch als "Zockeraktien", weil sich mit geringen Kursbewegungen schon hohe prozentuale Veränderungen erzielen lassen. Das ist nicht gerade das Umfeld, nach dem sich ein Dax-Unternehmen sehnt. Die Probleme von Kodak sind im Vergleich dazu aber unendlich größer. Der Fotokonzern verdiente mit seinen Kleinbildfilmen über Jahrzehnte prächtig, doch vor gut zehn Jahren verpasste er den Anschluss an die Digitalfotografie. Im letzten Quartal gab es 222 Millionen Euro Verlust. Kodak warnte bereits davor, dass binnen eines Jahres die Insolvenz droht, wenn es nicht gelingt, frisches Kapital aufzutreiben. Derzeit versucht der Konzern seine 1100 Patente und seine Online-Fotoplattform zu Geld zu machen. Das Vertrauen der Anleger aber schwindet immer mehr, auch weil Konzernchef Antonio Perez keine schlüssige Zukunftsstrategie erkennen lässt.

So ist nicht absehbar, wie die Aktie von 45 Cent binnen eines halben Jahres wieder über einen Dollar kommen soll. Fliegt sie aber von der Wall Street, muss sie sich einen anderen Börsenplatz suchen. Die Investoren wären noch stärker irritiert, die Spirale nach unten würde sich verstärken.

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