Aktien:Windlige Geschäfte

Aktien: Urlaubsanspruch direkt nach der Geburt und mehr Elterngeldmonate - das plant Familienministerin Spiegel .

Urlaubsanspruch direkt nach der Geburt und mehr Elterngeldmonate - das plant Familienministerin Spiegel .

(Foto: Neville Mountford-Hoare/imago)

Vieles erinnert an die verrückten Vorgänge im Januar um die Aktie von Gamestop: Das angeschlagene deutsche Unternehmen Windeln.de ist der neue Liebling der Aktionäre. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied.

Von Harald Freiberger

Es herrscht wieder Goldgräberstimmung auf der Internetplattform Reddit. "Alles rein da!!!", schreibt ein Nutzer. "Lass uns das Ding bis min. 10 € schießen, wir haben zusammen Macht", ein anderer. Vieles erinnert an die verrückten Vorgänge im Januar um die Aktie des US-Videospielkette Gamestop, doch diesmal geht es um ein deutsches Unternehmen: Der Aktienkurs des Internetversenders Windeln.de ist zunächst von 1,00 auf bis zu 6,62 Euro gestiegen, diesen Mittwoch stand er nur noch bei gut 2,70 Euro. Wie damals verabreden sich junge Leute auf Reddit, die Aktie zu kaufen. Es funktioniert vor allem deshalb, weil Windeln.de in der Krise steckt. Bei dem niedrigen Aktienkurs lässt sich mit wenig Geld viel bewegen.

Gegen Gamestop liefen viele Wetten, die auf einen weiteren Kursverfall setzten, sogenannte Leerverkäufe, meist von großen US-Hedgefonds. Die Reddit-Gemeinde schaffte es durch ihre Käufe, einen sogenannten "Squeeze out" herbeizuführen: Um immer höhere Verluste zu vermeiden, mussten die Hedgefonds ihre Wetten einlösen und Aktien kaufen, wodurch die Kurse noch weiter stiegen; in der Spitze legte der Gamestop-Kurs um das 20-Fache zu.

Vieles wiederholt sich nun bei Windeln.de: Die meist jungen Reddit-Leute stacheln sich in einem oft witzigen Ton zum Kauf an. "Was glaubt ihr wie hoch die Aktie noch geht", fragt einer. "Kann nur hoch gehen", meint ein anderer. "Geschissen wird immer. Hab selbst Kinder, weiß wovon ich rede." Das häufigste Emoji ist eine Rakete, als Symbol für die Kursentwicklung. Dazu immer wieder Prahlen mit dem eigenen Erfolg: "6500 stück bei 0.89€ gekauft." Man werde es den Hegdefonds wieder zeigen, ein Nutzer spricht vom "deutschen Gamestop".

Der Versandhändler macht Verlust

Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zu den Ereignissen im Januar: Gegen Windeln.de laufen keine nennenswerten Leerverkäufe. Diese werden in Deutschland im Bundeszeiger veröffentlicht, wenn sie 0,5 Prozent des Börsenwerts übersteigen. Bei Windeln.de heißt es: "Keine passenden Daten gefunden." Findige Reddit-Nutzer scheinen sich Windeln.de vor allem deshalb ausgesucht zu haben, weil das Unternehmen angeschlagen und der Kurs niedrig war. Die Absicht der Initiatoren ist es oft, nach dem Kursanstieg auszusteigen und den Gewinn mitzunehmen - während die breite Masse, die spät eingestiegen ist, verliert, wenn der Kurs wieder fällt, was zu erwarten ist.

Windeln.de startete 2015 mit großen Versprechungen an der Börse. Es wollte eine Art Zalando für Babyprodukte vom Kinderwagen bis zur Milchpumpe werden. Doch der Erfolg blieb aus. Der Aktienkurs, der anfangs bis auf 60 Euro gestiegen war, fiel mit jedem Jahr tiefer. Unterm Strich machte das Unternehmen 2020 einen Verlust von 13,7 Millionen Euro. In den vergangenen Monaten dümpelte der Aktienkurs bei rund einem Euro.

"Aus operativer Sicht gibt es keine Erklärung für den Kurssprung", teilte Windeln.de selbst mit. Manche führten eine Nachricht aus China an: Das Land ändert seine Geburtenpolitik und erlaubt künftig mehr als ein Kind. Das Unternehmen macht zwar 70 Prozent seines Umsatzes in China, trotzdem sei der Grund "an den Haaren herbeigezogen", sagte ein Börsenhändler, "im Endeffekt ist das Zockerei". Verbraucherschützer und Anlageexperten warnen davor, sich an solchen Hypes zu beteiligen - und wenn, dann allenfalls mit geringen Beträgen.

Windeln.de ist nicht die einzige Aktie, die ins Visier der Reddit-Gemeinschaft geraten ist. In den Chat-Foren werden auch andere Aktien von Krisenunternehmen empfohlen. So verdoppelte sich der Kurs der Adler-Modemärkte, die Kurse insolventer Unternehmen wie jener von Air Berlin oder des Abgasspezialisten Baumot zogen um mehrere Hundert Prozent an. Doch nicht bei allen Reddit-Nutzern herrscht Goldgräberstimmung: "Ich kann nichts kaufen weil ich nicht 18 bin, und ich das Depot nicht verwalte", schreibt einer. "Mein Vater vertraut den Windeln aber nicht."

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