Akten für die Kirch-Erben:Erneute Niederlage für Deutsche Bank

A rising full moon is seen over the twin towers of Germany's Deutsche Bank headquarters in Frankfurt

Die Deutsche Bank muss im Streit mit den Kirch-Erben eine erneute Niederlage hinnehmen.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Im Streit mit den Erben des Medienmagnaten Leo Kirch muss die Deutsche Bank eine weitere Niederlage einstecken. Die Justiz gewährte den Kirch-Anwälten Einblick in aufschlussreiche Ermittlungsakten. Den Kirch-Erben kommt das sehr gelegen.

Von Klaus Ott

Die Büros der Münchner Anwaltskanzlei Bub, Gauweiler und Partner, am Promenadeplatz gegenüber dem Bayerischen Hof, waren am Freitagabend recht lange beleuchtet. Die Advokaten studierten offenbar Akten mit spannendem Inhalt: Mails, Vermerke, Protokolle und andere Dokumente aus der Deutschen Bank, der Wolf-Rüdiger Bub, Peter Gauweiler und ihre Kollegen seit mehr als zehn Jahren nachstellen. Erst im Auftrag des 2002 pleite gegangenen und 2011 verstorbenen Medienmagnaten Leo Kirch, jetzt für die Kirch-Erben. Die Deutsche Bank hat ihren Kreditkunden Kirch angeblich schmählich verraten und soll Schadensersatz in Milliardenhöhe zahlen. Die Bank weist das zurück.

Am Freitag bekam die Kirch-Kanzlei haufenweise Akten der Münchner Staatsanwaltschaft. Die ermittelt gegen Jürgen Fitschen, einen der beiden Vorstandschefs der Deutschen Bank, gegen seine beiden Vorgänger und zwei weitere Ex-Manager wegen versuchten Prozessbetrugs. Kirchs Erben hatten als mutmaßlich Geschädigte schon vor Längerem Einsicht in die Strafakten gefordert. Das Geldinstitut wehrte sich und legte Widerspruch beim Münchner Amtsgericht ein. Doch das wies nach Angaben der Staatsanwaltschaft jetzt die Beschwerde zurück und machte so den Weg frei für die Akteneinsicht.

Die Dokumente kommen sehr gelegen

Die bei zwei Durchsuchungen der Bank beschlagnahmten Dokumente und weitere Unterlagen, darunter die Protokolle von 112 Zeugenvernehmungen, dürften den Kirch-Erben gerade jetzt sehr gelegen kommen. Die Kanzlei Bub, Gauweiler und Partner äußert sich nicht zu dem Fall.

Was nun geschieht, ist nach Ansicht von Justizkreisen absehbar. Die Kirch-Anwälte werden mit Sicherheit die wichtigsten Akteninhalte, die ihre Schadensersatzforderungen stützen, schnell dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe vorlegen. Der BGH entscheidet in den nächsten Wochen oder Monaten, ob ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München von Ende 2012 gegen die Bank Bestand hat. Das OLG hatte das Geldinstitut grundsätzlich zu Schadensersatz verdonnert, über dessen Höhe wird noch entschieden. Die Deutsche Bank will das Urteil mit Hilfe des BGH abwehren.

Ackermann wehrt sich

Daneben geht der Streit beim OLG weiter, andere Verfahren laufen auch noch. Hinzu kommen die Hauptversammlungen der Deutschen Bank, bei denen die Kirch-Anwälte das Geldinstitut jedes Jahr aufs Neue attackieren. Stundenlang, mit vielen, vielen Fragen. In der Bank werde das als "Terror" empfunden, sagt eine Führungskraft. Für all diese Gelegenheiten werden Gauweiler & Co die Akteninhalte bestimmt kräftig nutzen. Die Ermittlungsunterlagen geben dafür auch einiges her, wie aus Inhalten hervorgeht, die in den vergangenen Wochen an die Öffentlichkeit gedrungen waren. Zum Beispiel ein internes Memorandum eines führenden Bank-Anwalts, das die Vorwürfe der Kirch-Seite stützt.

Das Geldinstitut und dessen Anwälte hatten bis zuletzt versucht, die Akteneinsicht abzuwehren. Wenn die Gegenseite alles wisse, inklusive interner Anwaltskorrespondenz, sei das kein faires Verfahren mehr. Die Bank werde vollständig ausgeforscht, das Anwaltsgeheimnis werde verletzt, das verstoße letztlich gegen die Verfassung. So war es aus dem Kreise der Juristen zu hören, die das Geldinstitut sowie die fünf (Ex-)Manager vertreten, gegen die wegen versuchtem Prozessbetrug ermittelt wird. In den Reihen dieser Juristen wird offenbar überlegt, nunmehr Verfassungsbeschwerde einzulegen, um zu verhindern, dass die Kirch-Anwälte die Akteninhalte nutzen; zum Beispiel für das Verfahren beim Bundesgerichtshof. Nach Angaben aus Justizkreisen könnte der BGH bereits in der zweiten Januarhälfte entscheiden.

Die beschuldigten (Ex-)Manager wehren sich allesamt gegen den Vorwurf, sie hätten die Justiz täuschen wollen. Vor allem Ex-Vorstandschef Josef Ackermann lässt derzeit nichts unversucht, der Münchner Staatsanwaltschaft Einhalt zu gebieten. Ackermanns Anwalt Eberhard Kempf hat gegen einen Beschlagnahmebeschluss des Münchner Amtsgerichts vom 4. Juli 2012 Beschwerde eingelegt. Hätte Kempf Erfolg, dann könnte die Staatsanwaltschaft die konfiszierten Unterlagen nicht verwenden. Die geplante Anklage gegen Ackermann, Fitschen und andere wäre erst einmal hinfällig.

Viele Fragen, viele Vorwürfe, viele Verfahren

Kempf beanstandet, der Amtsrichter habe damals die Beschlagnahme am selben Tag genehmigt, an dem sie beantragt worden sei. Eine eigenständige rechtliche Prüfung des Inhalts der betreffenden 92 Ermittlungsakten sei, entgegen den Vorschriften, nicht erfolgt. Die Akten enthielten Informationen über zahlreiche Personen und Unternehmen, die mit dem Ermittlungsverfahren gar nichts zu tun hätten. Die Vorgehensweise der Münchner Justiz verstoße gegen verfassungsrechtliche Vorgaben. Die Münchner Staatsanwaltschaft weist das zurück. Der Amtsrichter habe die Beweismittel nicht selbst im Einzelnen prüfen, sondern nur entscheiden müssen, ob sie grundsätzlich für den Ermittlungszweck geeignet seien.

Viele Fragen, viele Vorwürfe, viele Verfahren. Wer am Ende Recht bekommt, muss sich erst noch zeigen.

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