Süddeutsche Zeitung

Akku-Technologie:Ruhe auf der Baustelle

Maschinen und Geräte mit Elektromotoren entlasten die Umwelt und schonen die Ohren von Arbeitern und Anwohnern. Der Hersteller Wacker Neuson arbeitet daran - aus Tradition.

Von Elisabeth Dostert

Manchmal schweigt Martin Lehner wohl ein bisschen länger als nötig, so kann die Innovation besser wirken. Der Vorstandschef des Münchner Maschinenbaukonzerns Wacker Neuson steht vor einem der Gebäude des Werkes in Reichertshofen. Sein Blick wandert zu dem Mitarbeiter, der gerade einen Stampfer angeworfen hat. Das Gerät ist mit einem Elektromotor ausgestattet. Lehner schaut erwartungsvoll in die Runde. "Die Geräte arbeiten völlig emissionsfrei, keine Abgase, fast kein Lärm", sagt Lehner: "Das Einzige, was man hört, sind Prozessgeräusche, wenn das Gerät nicht im Leerlauf ist, sondern arbeitet."

Ein Stampfer wird eingesetzt, um etwa auf Baustellen Erdreich zu verdichten. Er ist eines von vielen Geräten, die elektrisch betrieben werden. Der selbe Lithium-Ionen-Akku passe mittlerweile in sieben Geräte, auch in Vibrationsplatten, mit denen Boden, und Innenrüttler, mit denen Beton verdichtet wird. "Eine Ladung reicht für einen gewöhnlichen Arbeitstag, die Geräte laufen ja nicht ohne Pause acht Stunden", sagt Lehner. Mit einem Schnellladegerät lasse sich der Akku in 80 Minuten aufladen. Auch kleine Bagger, Radlader und Dumper stattet Wacker Neuson mittlerweile mit Elektroantrieben aus. Wie hoch die CO₂-Belastung im Vergleich zu konventionellen Antrieben ist, vermag Lehner nicht zu sagen. "Es gibt keine Berechnungen für Baumaschinen", sagt er.

Auf Baustellen soll es leiser und umweltfreundlicher werden, wenigstens ein bisschen. Lärm, Feinstaub und Abgase belasten die Arbeiter, aber auch Anwohner und Passanten. Nach Untersuchungen des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg, kurz Ifeu, tragen mobile Maschinen "erheblich" zu den gesamten Verkehrsemissionen in Deutschland bei. Laut einer im Herbst 2017 veröffentlichten Kurzstudie im Auftrag der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe lag ihr Anteil an den CO₂-Emissionen im Straßenverkehr 2015 bei neun Prozent, bei Stickoxiden waren es 24 Prozent. Eine Reduzierung der Emissionen sei auch vor dem Hintergrund der Klimaschutzziele wichtig. Das höchste "Umweltentlastungspotenzial" zeige eine Elektrifizierung, wenn erneuerbarer Strom zum Betrieb der Maschinen genutzt werde, empfiehlt das Ifeu. Mobile Maschinen, wie Bagger, Radlader oder Stampfer werden nicht nur in der Industrie, in Bau-, Land- und Forstwirtschaft und Kommunen eingesetzt, sondern auch in privaten Haushalten, zum Beispiel Rasenmäher.

Bei sehr großen und schweren Maschinen stößt die Akku-Technologie noch an ihre Grenzen

Viele Hersteller arbeiten an alternativen Antrieben. Wacker Neuson ist nicht der einzige, der Geräte und Maschinen elektrifiziert, auch Konkurrenten wie Caterpillar, Bobcat oder JCB tun das. 2018 setzt Wacker Neuson mit weltweit mehr als 6000 Mitarbeitern gut 1,7 Milliarden Euro um. Der börsennotierte Konzern vertreibt seine Produkte unter den Marken Wacker Neuson, Kramer und Weidemann und stellt sogenannte handgeführte Geräte wie Stampfer und Vibrationsplatten und Kompaktmaschinen wie Bagger, Radlader, Dumper und Walzen bis zu 15 Tonnen für Bau, Landwirtschaft und Kommunen her. "Wir fangen da an, wo die Hersteller von schwerem Gerät aufhören. Wir bauen keine Sonderlösungen. Wir sind Serienfertiger", sagt Lehner. Er sieht Wacker Neuson als einen der Vorreiter bei der Elektrifizierung von Baugerät und -maschinen und bemüht die Geschichte.

Johann Christian Wacker, der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Schmiedewerkstatt in Dresden gründete und 1875 die industrielle Produktion aufnahm, gilt als Erfinder des Stampfers. "Der erste Stampfer vor 90 Jahren war elektrisch", erzählt Lehner: "Allerdings hatte das Gerät ein Kabel und das war nicht sehr praktisch." Wacker, dessen Sitz seit 1951 München ist, wuchs aus eigener Kraft, durch einige Übernahmen und eine Fusion. 2005 übernahm die damals als Wacker Construction Equipment GmbH firmierende Gesellschaft die Weidemann GmbH. Im Herbst 2007, wenige Monate nach dem Börsengang, fusionierte Wacker mit der österreichischen Neuson Kramer Baumaschinen AG. Seit 2009 heißt die Firma Wacker Neuson SE. Lehner arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten für das Unternehmen und seine Vorläufer, seit September 2017 ist er der Vorstandsvorsitzende.

Zum Wachstum sollen künftig verstärkt auch elektrische Maschinen und Geräte beitragen. Sie seien zwar in der Anschaffung schon wegen der Akkus teurer als mit Diesel oder Benzin betriebene Maschinen. Aber nach etwa drei Jahren rechne sich die Anschaffung, weil die Stromkosten deutlich günstiger seien als der Kraftstoff, Öl- und Filterwechsel wegfielen und die Wartung weniger aufwendig sei, erläutert Lehner. Die Nachfrage nach Geräten und Maschinen mit Elektromotoren steige stetig, "aber mit Abstand die meisten Geräte und Maschinen verkaufen wir immer noch mit Diesel- oder Benzinmotor", so Lehner: "Bei sehr großen und schweren Maschinen stößt die Akku-Technologie an ihre Grenzen." Zumindest heute noch, aber auch die Batterietechnologie entwickle sich rasch weiter. Wacker Neuson bezieht seine Akkuzellen von Partnern in Asien, darunter Samsung, Panasonic und LG.

Die Diskussionen um die Luftreinhaltungen insbesondere in den Städten machte nicht vor der Bauindustrie halt, sagt der Firmenchef: "Städte, die sich Gedanken über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge machen und denen Strafzahlungen drohen, werden sich über kurz oder lang auch Gedanken über die Emissionen mobiler Maschinen und Geräte machen." Kleine Baustellen können Lehner zufolge heute schon elektrisch abgewickelt werden. "Das Thema Emissionen beschäftigt bereits jetzt viele Kunden."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4623741
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.10.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.