Airports:In Kassel dreht sich ziemlich wenig

Kassel Airport

Im Tower von Kassel-Calden hat man wenig zu tun: 2015 zählte man knapp 65 000 Passagiere.

(Foto: Uwe Zucchi/dpa)

Für den Regionalflughafen im hessischen Norden gab es große Pläne, doch seit Jahren landet kaum jemand dort. Nun überlegt die Politik, was sie mit dem gescheiterten Projekt tun soll. Dichtmachen?

Von Susanne Höll, Frankfurt

Eigentlich sollte Ralf Schustereder für Ruhe auf dem nordhessischen Problem-Flughafen Kassel-Calden sorgen. Das ist dem Ex-Fraport-Manager auch geglückt. Auch Kritiker des Projekts sagen, er habe zumindest Struktur und Realitätssinn in die Geschäftsführung des defizitären Möchtegern-Airport gebracht. Nun aber produziert Schustereder unschöne Schlagzeilen, Berichte über kostspielige Vergabefehler beim ohnehin teuren Bau sorgen für zusätzlichen Missmut in der Landespolitik. Gut möglich, dass die schwarz-grüne Regierung dem Calden-Spuk nächstes Jahr ein Ende macht, weil der Regionalflughafen allen früheren Versprechungen zum Trotz nicht überlebensfähig scheint.

Die Affäre um den Manager hat in der Sache nichts mit dem von Anfang an verkorksten Airport-Projekt zu tun. Die Kasseler Staatsanwaltschaft ermittelt seit dieser Woche gegen Schustereder wegen des Verdachts der Untreue. Es geht um den Vorwurf, er habe einer früheren Mitarbeiterin aus Kairo mit unzutreffenden Behauptungen die Einreise nach Deutschland verschafft und womöglich auf Firmenkosten finanziert. Schustereder bestreitet die Vorwürfe, die Causa ist undurchsichtig, es geht auch um gestohlene Firmendaten.

An manchen Tagen landete kein Flugzeug auf den Runways

Das hessische Wirtschaftsministerium sieht bislang keine Verfehlungen, lässt die Sache aber noch von unabhängigen Wirtschaftsprüfern untersuchen. Mag sein, dass es sich um eine Intrige gegen den Airport-Chef handelt. An den wachsenden Zweifeln am Sinn des Calden-Projekts änderte das allerdings nichts. Auch wenn die Ermittlungen eingestellt würden, ist das keine Garantie für den Flughafen, der die Region um Kassel zum Gespött in ganz Deutschland machte.

Denn auf den Runways startete und landete zeitweise kein Flugzeug. Hochtrabende Prognosen über eine Viertel- oder gar eine halbe Million Passagiere pro Jahr sind längst Makulatur. 2015 zählte man 64 926 Gäste, im Jahr zuvor waren es gerade einmal gut 47 000. Schustereder schaffte es, den Frachtverkehr auszubauen. Aber ein Drehkreuz werde Kassel, so sagen auch politisch Verantwortliche, nie werden.

Rund 280 Millionen Euro hat der Airport gekostet, erste Planungen um die Jahrtausendwende gingen noch von 90 Millionen aus. Das Land als Hauptanteilseigner muss jedes Jahr einen Millionenzuschuss zahlen - Kassel Airport, wie der Flughafen inzwischen heißt, ist ein sehr teures Unterfangen. Auch deshalb, weil es nicht als Verkehrs-, sondern als Infrastruktur-Hilfsprojekt für Nordhessen erdacht wurde. Dort ist die Arbeitslosigkeit traditionell höher ist als in der Rhein-Main-Region und die Wirtschaftskraft deutlich schwächer.

Mit Ausnahme der Grünen und der Linken setzten sich alle hessischen Parteien für den Flughafen ein, die aus dem nördlichen Landesteil besonders lautstark. Der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) forcierte den Bau, auch aus politischen Gründen. Den Vorwurf, die Politik in Wiesbaden verwöhne lieber den reichen Süden und lasse die Kasseler Region im Stich, fürchten hessische Regierungschefs seit Jahrzehnten.

Gut gemeinte, wenngleich ökonomisch äußerst fragwürdige Großprojekte sind keine Spezialität von CDU-Politikern. In Hessens Nachbarland musste der Flughafen Zweibrücken 2014 dicht gemacht werden, weil die EU die staatlichen Zuschüsse der Regierung in Mainz als illegal einstufte. In den nächsten Jahren werden wohl weitere der knapp drei Dutzend Regionalflughäfen schließen müssen, weil sie sich auf Dauer nicht selbst tragen können und eine EU-Regelung ab spätestens 2024 strikte Regeln für staatliche Subventionen anlegt.

So lange werden die hessischen Regierungsparteien in Sachen Calden nicht warten. Im Koalitionsvertrag haben CDU und Grüne vereinbart, im kommenden Jahr zu prüfen, ob der Airport wirtschaftliche Überlebenschancen hat. "Dabei wird nicht nur die Erreichung der vorgenannten Ziele zur Reduzierung des Defizits, sondern die dann absehbare Entwicklungsperspektive des Flughafens kritisch überprüft. Sollte diese Evaluierung nicht zu einem positiven Ergebnis kommen, wird ausdrücklich keine mögliche Maßnahme ausgeschlossen", heißt es in der Vereinbarung.

Die Spitzen der Koalition mögen derzeit keine öffentlichen Prognosen über den Ausgang dieser Evaluierung abgeben. Die nordhessische Grünen-Landtagsabgeordnete und Verkehrsexpertin Karin Müller erwartet, wie sie sagt, eine "ernsthafte Prüfung", ob der Betrieb in Kassel weiter wie bislang laufen könne oder ob der Airport zurückgestuft werden müsse, zum deutlich bescheideneren Verkehrslandeplatz.

Und auch in der CDU, deren Ministerpräsident Volker Bouffier 2013 zur Eröffnung des Flughafens nach Calden gekommen war, wird, wenn man die Signale richtig versteht, inzwischen über eine solche Zurückstufung nachgedacht. Ein dauerhaftes Millionengrab kann und will man sich offenkundig nicht leisten. Sollte ein Ende mit Schrecken für den Airport nötig sein, will man offenkundig keine weitere Zeit mehr vertun. Wenn es geboten sei, müsse 2017 entschieden werden, heißt es. Schließlich werde im Jahr darauf der hessische Landtag neu gewählt.

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