Die Gruppe mit den grünen Ansteckern darf zuerst. 70 Männer und Frauen stürzen sich auf das Gepäck. Die Koffer und Taschen stehen in einer Ecke der Flughafenhalle. Darinnen: Nichts. Thomas Uihlein verteilt noch Sperrgepäck, zwei kinderlose Kinderwagen. Er leitet den Probebetrieb am Flughafen Kassel-Calden. Es kann losgehen, nach Split.
Großes Gewusel bei den Gepäckwagen, als gelte es, als erster am Check-in-Schalter zu sein, um die besten Plätze zu sichern. Als ginge es an diesem Donnerstag im Februar um einen echten Flug, nicht nur um einen simulierten. In der Schlange vor dem Schalter vertreiben sie sich die Zeit mit Scherzen: Wie ist wohl das Wetter in Split? Wo sind die Notausgänge? Wird Kassel-Calden je so viel Andrang haben wie jetzt?
Es sieht nicht danach aus. Am 4. April öffnet der Flughafen, statt Statisten sollen dann Passagiere ihre Koffer aufgeben. Doch gleich am ersten Tag nach Eröffnung fällt ein Antalya-Flug aus, ebenso fünf weitere Flüge im April. Es gibt nicht genügend Passagiere. Die lokale Presse berichtet schadenfroh über Fluggäste, die mit dem Taxi zum Nachbarflughafen Paderborn gefahren werden müssen. Kritiker sehen jahrelange Bedenken bestätigt: Kassel-Calden, ein Flughafen, den niemand braucht.
"Investitionsgrab"
Geschäftsführerin Maria Anna Muller versucht es mit Schadensbegrenzung: Flugstreichungen zu Saisonbeginn seien normal, die Zeit nach Ostern immer schwierig. Bis Ende Oktober stehen 367 Flüge im Plan, die meisten mit Urlaubszielen wie Antalya oder den Kanaren. 100.000 Fluggäste könnten es dieses Jahr in Calden werden. Am 70 Kilometer entfernten Flughafen Paderborn waren es 2012 neunmal so viele.
Die Fluggesellschaften sind skeptisch: Kassel-Calden sei für ihn ein "Investitionsgrab", hat Ralf Teckentrup, Chef des Ferienfliegers Condor, Anfang März dem Hessischen Rundfunk gesagt. Bisher gibt es nur einen Linienflug: Donnerstags fliegt die staatliche Croatia Airlines nach Split. Die übrigen sind Charterflüge, etwa vom Reiseveranstalter Rewe-Touristik. Der betont, er sei "sehr zufrieden" mit den Buchungszahlen, nennt sie aber nicht. Und er ist, zwei Tage vor der Eröffnung, immer noch auf der Suche nach einer Airline, die Calden für ihn anfliegen möchte, nachdem ihm zwei abgesprungen waren.
Viele Flughäfen haben Probleme, Fluggäste bleiben aus, Fluglinien streichen Starts und Landungen. Regionalflughäfen trifft das besonders hart. Sie machen Millionenverluste, die an ihren Gesellschaftern hängen bleiben. Das sind meistens die Länder, Landkreise und Gemeinden. Kassel-Calden gehört zu 68 Prozent dem Land Hessen, Stadt und Landkreis Kassel halten je 13, die Gemeinde Calden 6 Prozent.
Ein Flughafen ziehe Unternehmen in die Region, schaffe Arbeitsplätze, argumentieren die Geldgeber. Doch oft gibt es zu wenig Koordination. Nicht nur Calden und Paderborn liegen dicht aneinander, der Flughafen Lübeck ist nur 70 Kilometer von Hamburg entfernt, Zweibrücken weniger als 30 Kilometer von Saarbrücken.