Luftfahrt:Airbus storniert Großauftrag von Qatar Airways

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Qatar Airways stellt seit 2020 Lackschäden und andere Mängel an der Oberfläche des Airbus-Passagierflugzeugs "A350" fest. (Foto: Edgar Su/Reuters)

Die katarische Fluggesellschaft und der Hersteller streiten seit Langem über Qualitätsmängel beim Langstreckenjet "A350". Nun eskaliert der Konflikt weiter.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Normalerweise ist das so: Ein Kunde kann sich ein Flugzeug nicht mehr leisten und storniert die Bestellung, wenn der Vertrag mit dem Hersteller das zulässt. Denkbar ist das, wenn sich der Bau der Maschine massiv verzögert oder wenn es irgendwie im Interesse des Produzenten liegt, Aufträge umzuschichten. Bei Airbus haben Leasingunternehmen und Fluggesellschaften im Jahr 2021 insgesamt 264 Maschinen abbestellt, coronabedingt eine besonders hohe Zahl, angesichts des Auftragsbestandes von mehr als 7000 Maschinen aber kein großes Drama.

Im Verhältnis von Airbus und Qatar Airways ist derzeit allerdings nichts normal. Und so bestätigte der Flugzeughersteller nun öffentlich, was er einem seiner einst wichtigsten Kunden schon vor ein paar Tagen mitgeteilt hatte: Er stornierte einen Auftrag für 50 Standardrumpfflugzeuge des Typs A321neo, nach Liste eine Transaktion mit einem Volumen von vier bis fünf Milliarden Dollar. Ein in jeder Hinsicht ungewöhnlicher, eigentlich einmaliger Vorgang. Dass die Hersteller Aufträge aus dem Bestand nehmen, kommt sonst nur dann vor, wenn der Kunde wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht zahlen kann. Davon kann bei der staatlichen Airline des Emirates Katar nicht die Rede sein.

Vielmehr ist der Schritt die neueste Wendung in einem öffentlich ausgetragenen Konflikt, bei dem es um Schadenersatzansprüche von mittlerweile rund 700 Millionen Dollar geht, die die Fluggesellschaft einfordert. Im Zentrum stehen dabei nicht die 50 A321neo - die sind quasi nun zum Kollateralschaden geworden -, sondern Langstreckenjets vom Typ A350. Qatar Airways hatte an zunächst einigen, dann immer mehr Maschinen im Verlaufe des Jahres 2020 Lackschäden und Oberflächenmängel festgestellt. Die katarische Luftfahrtbehörde Qatar Civil Aviation Authority (QCAA) erteilte für mittlerweile 21 der Flugzeuge ein Flugverbot, bis die Ursache der Mängel geklärt und auch garantiert sei, dass kein Sicherheitsrisiko bestehe.

Auch andere Fluggesellschaften haben solche Mängel an ihren Maschinen gefunden, allerdings nicht so gravierende wie Qatar Airways. Airbus sagt, die Farbe und der Kohlefaserrumpf dehnten sich unterschiedlich schnell aus, dadurch reiße der Lack nach einiger Zeit. Bei Qatar Airways sind die Temperaturunterschiede in den heißen Sommern am Persischen Golf besonders groß. Es bestehe keinerlei Sicherheitsrisiko, eine Einschätzung, die auch die European Union Aviation Safety Agency (EASA) offiziell teilt.

Seit Dezember läuft eine Klage in London

Qatar Airways hatte im Dezember Klage gegen Airbus eingereicht, um die aus ihrer Sicht gerechtfertigten Schadenersatzansprüche vor einem Gericht in London geltend zu machen. Außerdem weigerte sich die Airline, zwei weitere zur Auslieferung anstehende A350 zu übernehmen und zu bezahlen. Insgesamt hat die Fluggesellschaft noch 23 der Langstreckenjets bestellt, die sie eigentlich bis 2026 alle übernehmen soll. Aus den Stellungnahmen vor Gericht geht hervor, dass die Airline offenbar auch die üblichen Abschlagszahlungen, die schon vor der Auslieferung fällig sind, ausgesetzt hat. Airbus hat darauf mutmaßlich mit der Stornierung der A321neo reagiert - allerdings kommentiert diesen Aspekt keine der Parteien öffentlich.

Qatar Airways muss wegen des Disputes erheblich umplanen, insbesondere in der Vorbereitung auf die Fußball-Weltmeisterschaft, die im November in dem Emirat beginnen soll. Die Fluggesellschaft hat sogar schon einige ihrer eigentlich stillgelegten A380 reaktiviert, um genügend Kapazität zu haben.

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