Luftfahrt:Das Dilemma der Zulieferer

FILE PHOTO: An Airbus A320neo aircraft is pictured during a news conference to announce a partnership between Airbus and Bombardier on the C Series aircraft programme, in Colomiers near Toulouse

Ein Kurz- und Mittelstreckenjet der A320neo-Baureihe von Airbus. Der Flugzeughersteller baut die Maschinen auch in der Corona-Pandemie weiter.

(Foto: Regis Duvignau/Reuters)

Airbus will ab dem kommenden Jahr wieder deutlich mehr produzieren. Doch die kleineren Firmen der Branche zweifeln: Ist die Krise im Luftverkehr wirklich schon überwunden?

Von Jens Flottau, Frankfurt

Als Anfang 2020 die Luftfahrt wegen der Corona-Pandemie zeitweilig nahezu eingestellt wurde, traf Airbus eine wichtige Entscheidung. Obwohl keine Fluggesellschaft oder Leasingfirma neue Flugzeuge übernehmen wollte, produzierte Airbus die Kurz- und Mittelstreckenjets der A320neo-Baureihe weiter. Der Hersteller baute statt 60 Maschinen monatlich immerhin noch 40, auch wenn die fertigen Jets erst einmal monatelang eingemottet würden.

Die Entscheidung war für viele Zulieferer überlebensnotwendig. Airbus befürchtete damals wahrscheinlich zu Recht viele Pleiten bei kleineren Firmen und nahm in Kauf, milliardenteure Lagerbestände aufzubauen. Denn irgendwann würden die Spezialisten für die Kabinenausstattung, Rumpfteile oder Fahrwerke ja wieder gebraucht werden. Diese Zeit scheint gekommen zu sein: "Der Markt ist wieder da. Unsere Kunden wollen unsere Flugzeuge schneller, als wir sie liefern können", so Jürgen Westermeier, der bei Airbus als Einkaufschef die Lieferanten steuert, jüngst beim Aviation Forum in Hamburg. "Wir haben getan, was wir angekündigt haben", argumentiert er. Daher seien auch die Wachstumspläne "glaubwürdig."

Das Problem ist nur: Die Zulieferer trauen dem Ganzen nicht. Nach einer Umfrage der Unternehmensberatung H&Z verlassen sich 41 Prozent der Geschäftspartner nicht auf die Produktionsplanung des Luftfahrtkonzerns, sondern machen lieber ihre eigenen Pläne. Diese sehen Abschläge von bis zu 20 Prozent vor. Die kleineren Firmen der Branche sind also deutlich weniger optimistisch als Airbus, was die Erholung im Luftverkehr betrifft.

Auf Halde zu produzieren, kann sich niemand leisten

Was das bedeutet, macht Andreas Ockel, Vorstand beim österreichischen Kohlefaser-Spezialisten FACC, deutlich: "Eine einzige fehlende Komponente kann den Hochlauf stoppen." Dann würden alle anderen, die sich an die Airbus-Prognosen gehalten haben, auf Halde produzieren, was sich aber kaum einer leisten könne.

Airbus hat seinen Lieferanten schon im vergangenen Mai mitgeteilt, was Sache ist. Bis Ende 2021 sollen monatlich wieder rund 45 Flugzeuge der A320neo-Reihe gebaut werden. Bis Mitte 2023 will der Konzern dies auf 65 Maschinen steigern, so viele wie noch nie zuvor. 2025 sollen es sogar 75 im Monat sein, auch wenn das noch nicht formal beschlossen ist.

Der Grund ist vor allem der hohe Auftragsbestand. Airbus hat feste Bestellungen für mehr als 6200 Kurz- und Mittelstreckenjets, die Produktion ist selbst bei 65 Maschinen auf Jahre hinaus ausgebucht. Wenn der Hersteller überhaupt eine Chance haben will, einem neuen Kunden mittelfristig ein Flugzeug bauen zu können, müssen die Kadenzen deutlich erhöht werden. Und da viel mehr größere A321neo (und die Langstreckenversionen des Jets) bestellt werden als noch vor zwei Jahren, sind die einzelnen Flugzeuge viel komplexer als die mehr oder weniger standardisierten Maschinen, die auf Kurzstrecken eingesetzt werden.

Viele Zulieferer sind finanziell angeschlagen

Auch für die Zulieferer sind das eigentlich angesichts der vielen Beschränkungen im internationalen Luftverkehr überraschend gute Nachrichten. Doch viele von ihnen sind finanziell angeschlagen. Zunächst mussten sie in den Boom-Jahren vor 2020 einen nie erlebten Hochlauf vorfinanzieren, der alles andere als glatt lief und damit teurer als gedacht war. Dann verloren sie wegen Corona praktisch von einem Tag auf den anderen 50 Prozent der Bestellungen.

Und jetzt sollen sie erneut viel Geld in die Hand nehmen, auch wenn die Delta-Variante des Coronavirus die Erholung des Luftverkehrs verzögert hat und Omikron diese noch unsicherer macht. Airbus argumentiert, es solle mittlerweile genügend Vertrauen geben, "dass wir wirklich machen, was wir ankündigen", so Jürgen Schuler, Chef des Kabinen-Einkaufs bei Airbus. Doch mit Vertrauen alleine ist es offenbar nicht getan. Denn die vielen kleineren Firmen brauchen Kredite ihrer Hausbanken, um die Expansion zu finanzieren. Die Banken wiederum wollen oft feste Aufträge sehen, bevor sie Geld verleihen. Doch die verbindlichen Orders kommen manchmal nur wenige Monate, manchmal nur Wochen vor dem Liefertermin.

FACC-Vorstand Ockel hat einen Lösungsvorschlag: Wenn Airbus schon auf dem Hochlauf bestehe, solle der Konzern doch einfach viel früher fix bestellen. Bei Airbus prüft man den Vorschlag, heißt es in der Branche. Offiziell äußert sich das Unternehmen dazu nicht. Die Zeit indes drängt. "Es ist äußerst wichtig, dass die Nachfrage durch die Lieferkette nach unten weitergegeben wird", sagt Schuler. Ebenso müssten sich die Lieferanten an die Vorlaufzeiten halten. In einigen Fällen heißt das: Sie müssen bei manchen Komponenten schon heute die Stückzahlen produzieren, die Airbus selbst in der Endmontage erst in einem Jahr erreichen wird.

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