Europäischer Flugzeughersteller:Airbus baut Flugzeuge jetzt auch in den USA

Fabrice Bregier, Robert Bentley

Handshake: Airbus-CEO Fabrice Brégier (2. v. li.) und Robert J. Bentley, Gouverneur von Alabama, wo Airbus ein Werk eröffnet.

(Foto: Dave Martin/AP)
  • Der europäische Flugzeugbauer Airbus eröffnet erstmals ein Werk in den USA.
  • Für in den USA verkaufte Flugzeuge lässt sich dabei nicht viel Geld sparen. Die Symbolkraft ist aber hoch.
  • Ziel von Airbus dürfte sein, US-Militäraufträge zu ergattern.

Analyse von Jens Flottau, Mobile

Es ist eine lange Reise für die Fracht aus Hamburg. Die großen Teile werden sorgfältig verpackt und festgezurrt und dann mit Hilfe eines großen Krans in ein Containerschiff verladen. 20, 21 oder 22 Tage später, das hängt vom Wetter ab, kommt das Schiff an seinem Zielhafen an, in Mobile im amerikanischen Bundesstaat Alabama. Dort entsteht, wenige Kilometer vom Golf von Mexiko entfernt, aus den Einzelteilen ein Flugzeug - ein Airbus.

Der europäische Flugzeughersteller wird künftig nicht nur in Toulouse und Hamburg sowie in der chinesischen Stadt Tianjin Maschinen der A320-Baureihe montieren, sondern auch in den USA, dem Heimatmarkt des Rivalen Boeing. Nach dem Start an diesem Montag wird die Produktion in Mobile in den kommenden zwei Jahren auf vier Maschinen pro Monat hochgefahren, knapp 50 Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge pro Jahr wird Airbus künftig in Mobile bauen. Boeing hingegen montiert die eigenen Jets immer noch ausschließlich in den USA.

Airbus-Group-Chef Tom Enders und Airbus-Commercial-Lenker Fabrice Brégier verfolgen seit Jahren die Idee, dass ein Teil der Flugzeuge auch dort gebaut werden sollten, wo sie gekauft werden. Die Endmontage macht zwar unter zehn Prozent der gesamten Wertschöpfung aus, aber die Symbolkraft ist hoch. Im Fall China war die Sache eindeutig. Bevor Airbus im Jahr 2008 beschloss, eine Endmontagelinie in Tianjin zu bauen (auf der heute ebenfalls vier Jets pro Monat produziert werden), kam das Unternehmen auf einen Marktanteil von rund 25 Prozent. Wenige Jahre später sind es rund 50 Prozent, was in etwa dem Weltmarktanteil entspricht.

Doch in China werden die Flugzeugaufträge immer noch sehr stark zentral gesteuert, das Wohlwollen des Staates ist besonders wichtig, auch wenn die Airlines versuchen, ihre eigenen Flugzeugwünsche bei den Behörden durchzudrücken. In den USA ist die Verbindung zwischen lokaler Produktion und Marktanteilen im Zivilflugzeugbau so nicht gegeben: Alle Fluggesellschaften sind privat und bestellen nach rein kommerziellen Erwägungen. Wo die Flugzeuge gebaut werden, spielt für sie keine Rolle. Dennoch hält es vor allem Enders für strategisch wichtig, in den USA eine stärkere industrielle Präsenz aufzubauen.

Denn es geht nicht nur um die Zivilflugzeuge, die bei Airbus allerdings die dominierende Rolle spielen. Die USA sind immer noch der mit Abstand wichtigste Verteidigungsmarkt der Welt. Beim nächsten großen Projekt möchte Airbus als heimischer Produzent wahrgenommen werden und nicht mehr als Importeur, bei dem Konkurrenten wie Boeing oder Lockheed Martin die Karte mit heimischen Arbeitsplätzen zu ziehen.

600-Millionen-Dollar-Investment

Airbus stand schon einmal kurz davor, in Mobile eine Fabrik zu bauen. Das Unternehmen hatte sich um den Bau von Tankflugzeugen für die amerikanische Luftwaffe beworben und wollte dafür eine modifizierte Version des Langstreckenjets A330 verwenden. Die Maschinen wären in Mobile umgebaut worden, doch nach langen Wirren verlor Airbus am Ende den Auftrag an Boeing. Als 2012 die Standortfrage für das A320-Werk geklärt werden musste, war Mobile erneut Thema. Im strukturschwachen Süden der USA sind die Bundesstaaten oft sehr offen für Starthilfen bei den Investitionen, und politische Unterstützung bekommen Firmen, die relativ hoch qualifizierte Arbeitsplätze schaffen wollen, sowieso. Die Kontakte bestanden noch, die Nähe des Hafens vereinfacht die Transportplanung und so entschied sich Airbus, rund 600 Millionen Dollar in den Standort zu investieren.

Das Werk in Mobile ähnelt dem in Hamburg, ist aber viel kleiner. Die Rumpfteile, Tragflächen und Leitwerke werden dafür aus den einzelnen Airbus-Werken in Deutschland, Frankreich und Großbritannien nach Hamburg gebracht. Sie werden dort auf Schiffe nach Mobile verladen. Seit 2012, als Brégier die Entscheidung für das neue Werk bekannt gab, hat sich die Lage für Airbus strategisch noch einmal verändert. Der Hersteller hat seither einen Auftragsboom für die A320-Baureihe erlebt, besonders die mit neuen Motoren ausgestattete A320 neo, die Ende dieses Jahres erstmals ausgeliefert wird. Mehr als 4000 Jets der neuen Version haben die Fluggesellschaften bestellt.

Deswegen hat Airbus beschlossen, die Produktion bis 2017 von 42 auf 50 Maschinen pro Monat zu erhöhen. Ohne Tianjin und Mobile, die dann zusammen auf acht Flugzeuge pro Monat kommen, wäre dies nicht zu schaffen. Mobile, als strategisches Projekt gestartet, wird also längst wegen der zusätzlichen Kapazität benötigt. Airbus geht womöglich noch weiter. Vermutlich bis Ende des Jahres soll entschieden werden, ob der Konzern die Produktion von 50 auf 60 oder mehr Jets erhöht. Vom weiteren Ausbau wird dann allerdings zunächst Hamburg profitieren, bevor Mobile, Toulouse oder Tianjin mehr Arbeit abbekommen. Längerfristig ist es aber nur eine Frage der Investitionen in Mobile.

Die Stadt würde den Ausbau des Standortes begrüßen, obwohl es ihr mit ihrer Schiffbauindustrie nicht schlecht geht. Sie gibt sich sowieso alle erdenkliche Mühe, die Europäer willkommen zu heißen: Das neue Werk hat die Adresse 320 Airbus Way.

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