Airbus-Mutterkonzern in Turbulenzen:Daimler vor Absprung bei EADS

Die Bundesregierung ist alarmiert: Weil Anteilseigner Daimler bei EADS aussteigen will, fürchtet Berlin um den deutschen Einfluss beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern. Mehrere Alternativen werden geprüft.

Jens Flottau, Frankfurt

Neue Turbulenzen beim Luft- und Raumfahrtkonzern EADS: Nun zeichnet sich eine grundlegende Änderung in der Eigentümerstruktur ab. Offenbar will der Stuttgarter Autohersteller Daimler seine Anteile an dem Unternehmen abgeben, die Bundesregierung ist bereits alarmiert.

EADS verliert Umsatz und Gewinn im ersten Quartal

Der Rumpf des Transportflugzeuges A400M: Im Eigentümerkreis des Airbus-Mutterkonzern EADS gibt es Gerangel.

(Foto: ddp)

Auch die anderen EADS-Großaktionäre - die französische Lagardère-Gruppe und ein vorwiegend deutsches Bankenkonsortium - planen einen Ausstieg. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung finden bereits Gespräche, unter anderem mit der Bundesregierung, statt.

Der Prozess soll nach Informationen aus Branchenkreisen bis spätestens Ende 2012 abgeschlossen sein, womöglich aber auch deutlich früher. Der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans erklärte vieldeutig: "Es gibt keine Entwicklung, die ich an dieser Stelle öffentlich zu machen hätte." Der Autohersteller will sich zu dem Thema nicht äußern. Die EADS-Beteiligung passt offenbar nicht mehr in die Strategie, Daimler-Chef Dieter Zetsche will sich auf das Autogeschäft und die Entwicklung von Elektrofahrzeugen konzentrieren.

Komplizierte Eigentümerstruktur

EADS ist mit der Tochterfirma Airbus neben dem US-Unternehmen Boeing der führende Flugzeughersteller der Welt, zudem ist EADS eines der größten Raumfahrt- und Rüstungsunternehmen. Die Firma wurde 2000 als deutsch-französisches Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Die Eigentümerstrukturen sind kompliziert und bisher fein austariert. Kleinere Änderungen haben damit bereits große Auswirkungen auf das Gleichgewicht der Gesellschafter.

Daimler und der französische Staat halten derzeit jeweils 15 Prozent an EADS, Lagardère und das überwiegend deutsche Bankenkonsortium jeweils 7,5 Prozent. An Stimmrechten verfügt Daimler sogar über 22,5 Prozent.

Daimler und Lagardère hatten bereits 2007 zeitgleich ihre Anteile reduziert, damals war das Daimler-Paket bei den Banken über eine komplizierte Leih-Konstruktion ohne Stimmrechte geparkt worden. Diese sogenannte "Daedalus"-Konstruktion war im März 2010 verlängert worden und läuft Ende 2012 vermutlich endgültig aus.

Hochpolitische Angelegenheit

Die vier Anteilseigner bilden mit der spanischen Staatsholding SEPI (5,47 Prozent) den so genannten Aktionärspakt, der bei EADS das Sagen hat. An der Börse ist EADS 17 Milliarden Euro wert.

Weil beide Länder - sowohl Frankreich als auch Deutschland - die Luftfahrt als strategische Industrie betrachten, sind Machtverhältnisse bei EADS eine hochpolitische Angelegenheit. Beide Seiten achten peinlich genau auf ihren Einfluss. Es geht vor allem darum, welches Land einen größeren Teil der lukrativen Produktionsarbeiten oder Spitzenposten im Management an sich zieht.

Die Bundesregierung will deswegen auch nach einem Ausstieg von Daimler sicherstellen, dass die deutschen Interessen gewahrt sind - zumal die französische Seite im Aktionärspakt ein Vorkaufsrecht auf die deutschen Anteile hat. Die Vereinbarung sieht zudem vor, dass die Teilhaber nur im Einvernehmen aussteigen können.

Kanzlerin gegen direkte Beteiligung des Staates

Nach SZ-Informationen stehen derzeit mindestens vier Varianten zur Diskussion. Als wahrscheinlichste Lösung gilt, dass die derzeit von Daimler gehaltenen Anteile bei einem Konsortium unter der Leitung der staatlichen deutschen Bank KfW geparkt werden.

Dies dürfte Überzeugungsarbeit bei anderen Banken benötigen, die ja bereits jetzt über das Daedalus-Konstrukt an EADS beteiligt sind und ebenfalls wieder herauskommen wollen. Immerhin würde die Bundesregierung über die KfW-Lösung Zeit gewinnen. Eine direkte Staatsbeteiligung wie in Frankreich lehnen dem Vernehmen nach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ab.

Alternativ könnte Daimler die Anteile über die Börse verkaufen. Dabei müsste aber ebenfalls aus Sicht der Politik sichergestellt werden, dass das Gleichgewicht zwischen Frankreich und Deutschland erhalten bleibt. Das Problem würde auch dann noch bestehen, wenn sich auch Lagardère für diesen Weg entscheidet.

Der Zeitpunkt wäre nicht ungünstig: Der Aktienkurs von EADS ist seit dem vergangenen Frühjahr deutlich gestiegen. Dabei stagniert der Gewinn, weil die Aufwendungen für Neuentwicklung, etwa beim Transporter A400M oder die A 350, hoch sind.

Geplante Änderungen im Management wieder fraglich

Als eine weitere Option wird zumindest angedacht, dass der Daimler-Anteil in einer Stiftung platziert werden könnte, die nicht nur Banken, sondern auch einige kleinere Unternehmen der deutschen Luftfahrtindustrie kontrollieren.

Auch über einen Einstieg der zumindest indirekt mit Daimler verbündeten Investmentgesellschaft Mubadala aus Abu Dhabi wird derzeit spekuliert. Mubadala ist einer der Gründer von Aabar Investments, eine Beteiligungsfirma, die wiederum neun Prozent an Daimler hält.

Der wahrscheinliche Umbau der Eigentümerstruktur wirft auch die Frage auf, ob die geplanten Veränderungen im EADS-Management noch stattfinden können.

Turnusgemäß soll Mitte 2012 ein Deutscher, vermutlich Airbus-Chef Thomas Enders, den bisherigen EADS-Chef Louis Gallois ablösen, den Verwaltungsrat soll dann mit Arnaud Lagardère ein Franzose leiten, falls er dann überhaupt noch an Bord ist. Bei Airbus wiederum würde Fabrice Brégier an die Spitze nachrücken. Dieses Arrangement würde aber vermutlich nur dann umgesetzt werden, wenn die bisherigen Aktionäre bis dahin nicht verschwunden wären.

In Branchenkreisen heißt es, mit den anstehenden Umwälzungen könnte auch ein größerer Umbau einhergehen. Die Frage sei, ob und in welcher Form EADS an den Verteidigungs- und Raumfahrtsparten Cassidian und Astrium festhalten will.

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