Überraschender Wechsel:Airbus holt einen neuen Chef für die wichtigste Sparte

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Das Logo von Airbus an einer Produktionsstätte: Der Konzern hat Probleme mit den Auslieferungen. (Foto: SEBASTIEN SALOM-GOMIS/AFP)

Überraschend wird der jetzige MTU-Chef Lars Wagner zum europäischen Luftfahrtkonzern wechseln und das Geschäft mit Zivilflugzeugen übernehmen. Auf den Deutschen wartet ein harter Job.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Als die erste Maschine des europäischen Flugzeugherstellers Airbus vor ziemlich genau 52 Jahren in Toulouse zum Erstflug startete, stand der damals zehnjährige Christian Scherer auf dem Dach des Terminalgebäudes. Sein Vater Günter war als Flugtestingenieur an Bord. Danach machte Scherer junior selbst Karriere bei dem Unternehmen, dessen wichtigste Sparte Zivilflugzeuge (gleichzeitig der größte Gewinnlieferant) er seit Anfang des Jahres leitet.

Nun aber verabschiedet sich Scherer, dem wohl wenig wichtiger ist als Airbus, überraschend früh von seiner Herzensfirma. Denn Airbus kündigte an, den bisherigen Chef des Dax-Konzerns MTU Aero Engines, Lars Wagner, spätestens Anfang 2026 in den Vorstand zu holen, er soll dort auch die Aufgaben Scherers übernehmen. Der 49-jährige Wagner hatte dem Münchner Triebwerkshersteller und Zulieferer von Airbus mitgeteilt, er werde seinen Vertrag nicht verlängern – und das, obwohl auch er seinen aktuellen Job erst seit Anfang 2023 innehat. Der MTU-Aufsichtsrat teilte mit, man werde sich kurzfristig um einen Nachfolger kümmern.

MTU-Chef Lars Wagner (rechts), hier mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, ist seit 2015 bei dem Unternehmen. (Foto: Toni Heigl)

Es ist ein spektakulärer Wechsel, der erklärungsbedürftig ist. Die Zivilflugzeugsparte von Airbus boomt zwar, was die Auftragslage angeht, und hat den in einer tiefen Krise steckenden Konkurrenten Boeing mittlerweile weit abgehängt. Doch auf der Produktionsseite läuft es alles andere als rund – der angestrebte Produktionshochlauf musste mehrmals verschoben werden, und derzeit hakt es massiv bei den Lieferanten. Immer neue Probleme tauchen auf. „Die Auslieferungen sind stärker nach hinten verlagert, als wir gedacht hatten“, räumte Airbus-Chef Guillaume Faury am Mittwochabend ein. Von Januar bis September hat Airbus 497 Verkehrsflugzeuge an die Kunden übergeben, neun mehr als vor einem Jahr. Bis zum Jahresende sollen es 770 werden, doch vor allem Triebwerke sind Mangelware.

Er sei als sein Nachfolger „eine logische Wahl“, sagt der Vorgänger

Faury stellt aber klar, die neue Personalie habe „absolut gar nichts damit zu tun, dass Christian nicht seinen Job macht“. Mit Wagner seien er und Scherer selbst seit Langem im Gespräch gewesen, und die Gelegenheit, ihn zu holen, habe sich jetzt aufgetan. Sonst hätte Wagner wohl bei MTU verlängert. Wie es übrigens auch Faury selbst bei Airbus tun wird, dem entsprechenden Vorschlag des Verwaltungsrates für eine dritte Amtszeit des Franzosen müssen formal noch die Aktionäre bei der nächsten Hauptversammlung zustimmen. Scherer selbst sagt, er begrüßte die Nominierung Wagners, den er seit Langem kenne, sehr. Er sei als sein Nachfolger „eine logische Wahl“. Den Airbus-Plänen zufolge wird Scherer Wagner zunächst eine Weile einarbeiten, Details der Übergangsphase stehen noch nicht fest. Bei Airbus gibt es Leute, die glauben, die Rente mit 64 käme Scherer sehr gelegen nach so vielen Jahren im Top-Management und ungezählten Stunden in Flugzeugen, vor allem in seiner Zeit als (sehr erfolgreicher) Verkaufschef.

Wagners Profil passt für den Job hervorragend. Er ist für die Position noch ziemlich jung, und er hat eine lange Airbus-Vergangenheit – erst 2015 war er nach 20 Airbus-Jahren zu MTU gewechselt. Er ist anders als der Betriebswirt Scherer Luft- und Raumfahrtingenieur und wie dieser Deutscher – was in der mittlerweile eher informellen Rollenverteilung zwischen Deutschland und Frankreich bei Airbus auf dieser Hierarchieebene wichtig ist. Wagner ist ein Produktionsspezialist und Ingenieur durch und durch. Er gilt in der Branche seit Längerem als kommender Star, der Job bei MTU eher in der zweiten Reihe ist für ihn eine gute Startrampe gewesen.

Airbus-Konzernchef Guillaume Faury will seinen Vertrag verlängern. (Foto: CAROLINE BLUMBERG/AFP)

Bei Airbus wartet auf Wagner allerdings ein harter Job. Er muss das geplante Wachstum stemmen. Bis 2027 will Airbus 75 Maschinen der A320neo-Baureihe monatlich bauen, in den ersten neun Monaten 2024 waren es im Durchschnitt 44. Die Produktion des Langstreckenjets A350 soll bis 2028 verdreifacht werden, die der kleineren A220 ebenfalls, allerdings schon bis 2026. Zu Wagners Aufgaben wird es auch gehören, die Nachfolgegeneration der A320neo auf den Weg zu bringen. Airbus hat ein komplett neues Kurz- und Mittelstreckenflugzeug für die zweite Hälfte der 2030er-Jahre angekündigt. Doch mittlerweile ist eher für Ende des nächsten Jahrzehntes damit zu rechnen, zu sehr ist Airbus mit aktuellen Problemen beschäftigt, der Auftragsbestand ist auch bei den heutigen Modellen riesig.

Bei der Entwicklung eines neuen Flugzeuges wird Wagner seine Erfahrung in der Triebwerksbranche helfen, schließlich hängt der Erfolg eines solchen Projektes wesentlich von neuen Antrieben ab. Wollen die Branche und Airbus auch nur annähernd an ihr Ziel, 2050 klimaneutral zu fliegen, herankommen, ist das dringend nötig. MTU ist Teil des Konsortiums rund um Pratt & Whitney, das Motoren für die A320neo liefert. Pratt und Konkurrent CFM International (GE Aerospace und Safran) sind allerdings im Moment auch unter den Lieferanten, die Airbus die größten Probleme bereiten. Weil die neuen Pratt-Motoren bei Weitem nicht so lange halten wie die früheren Triebwerke, stehen weltweit Hunderte Airbus-Jets am Boden und warten auf Ersatzteile. Gleichzeitig braucht Airbus für die vielen neuen Maschinen, die in Toulouse, Hamburg, Mobile und Tianjin aus den Endmontagehallen rollen, jede Menge Triebwerke, für alle reicht es nicht.

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