Süddeutsche Zeitung

Airbus:Franzosen gegen Deutsche

In Paris wird über die Zukunft von Airbus-Chef Tom Enders spekuliert, Staatspräsident Emmanuel Macron will angeblich einen Landsmann an der Spitze. Aber kann die Politik ihn einfach ablösen lassen?

Von Caspar Busse und Michael Kläsgen

Tom Enders, 58, hatte seine Mitarbeiter schon Anfang Oktober auf turbulente Zeiten eingestellt. Es würden in diesen Monaten immer neue Berichte über Airbus in die Welt gesetzt, meinte der Vorstandschef des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns. Und: "Ich rechne da mit einigem." Aber ob er auch das erwartet hat? In dieser Woche wurde in Paris schon über seine Zukunft an der Spitze von Airbus spekuliert. Der französische Präsident Emmanuel Macron wolle einen Landsmann auf den Platz des Deutschen setzen, berichtete die französische Zeitung Canard Enchainé. Es gebe bereits eine Liste französischer Manager, die Enders beerben könnten. Im kommenden Jahr könnte es dann soweit sein.

Die Spekulationen um Enders' Zukunft sind ein neuer Höhepunkt im Streit bei und um Airbus. Der Deutsche, der seit 2012 an der Spitze des Airbus-Konzerns steht und für seine kompromisslose Art bekannt ist, hat sich seitdem nicht viele Freunde bei Airbus gemacht. Er hat das Unternehmen nicht nur von EADS in Airbus umbenannt, er hat es neu strukturiert, viele Doppelverantwortlichkeiten abgebaut und den Hauptsitz nach Toulouse verlegt. Seit dem vergangenen Jahr versucht er auch, die umfangreichen Korruptionsvorwürfe gegen Airbus aufzuklären. Dazu hat er bei den britischen Behörden sogar eine Selbstanzeige eingereicht. Seitdem wird ermittelt. Das Management räumte gerade Unregelmäßigkeiten auch in den USA bei Rüstungsgeschäften ein. Wie teuer diese und die gemeldeten Verstöße werden, kann Finanzchef Harald Wilhelm nicht beziffern: "In solchen Fällen ist das eher eine Frage von Jahren als von Monaten."

Das alles sorgt für erhebliche Unruhe, innerhalb des Konzerns, aber auch in der Politik, vor allem in Frankreich. Schon in den vergangenen Wochen gab es immer wieder Berichte, Enders sei selbst in die Korruptionsvorwürfe verwickelt. Immerhin arbeitet der Mann, der aus dem Sauerland stammt, bereits seit 1991 bei einer der Vorläuferunternehmen von Airbus. Er führt unter anderem die Verteidigungssparte und das Geschäft mit zivilen Verkehrsmaschinen. In beiden Bereichen soll es fragwürdige Zahlungen gegeben haben.

Enders steht also im Feuer. Aber könnte Macron ihn überhaupt ablösen lassen? Der staatliche Einfluss bei Airbus ist zuletzt deutlich zurück gedrängt worden, die Unternehmensführung, also die Corporate Governance, wurde reformiert, auch auf Betreiben von Enders. Macron selbst war daran als Wirtschaftsberater von Francois Hollande sogar beteiligt. Deutschland, Frankreich und Spanien halten zusammen etwa 25 Prozent der Aktien. Im Verwaltungsrat sitzen keine Politiker, sondern Manager. Enders aber machte Airbus zu einem "normalen" Unternehmen, was auch einen großen Teil von dessen Erfolg ausmacht, zumindest an der Börse. Trotzdem: Airbus gilt in Frankreich noch immer als sehr französisches Unternehmen.

Ein Durchregieren der Politik soll es aber nicht mehr geben. Enders, dessen aktueller Vertrag noch bis 2019 läuft, sei deshalb unbesorgt, berichten Insider. "Unsere Corporate Governance ist wasserdicht", heißt es bei Airbus. Von einem "heiklen Thema" ist dabei auch in französischen Regierungskreisen die Rede. Eine Schlüsselrolle kommt in dem Machtkampf Denis Ranque, 65, zu. Der Franzose ist seit 2013 Verwaltungsratschef von Airbus, und er sitzt zwischen allen Stühlen. Einerseits ist der frühere Unternehmenslenker Ranque dem deutschen Airbus-Chef Enders moralisch verpflichtet, andererseits muss er sich vorwerfen lassen, aufgrund seiner Loyalität zu Enders ebendiesen nicht genügend zu kontrollieren.

Die Beziehung ist von Anfang an eng: Enders rief Ranque Anfang 2013 an, um ihm den Posten des Verwaltungsratschefs in Aussicht zu stellen. Ranque sagte zu. Beide kannten sich aus Gesprächen über eine mögliche Fusion des Airbus-Vorgängers EADS mit dem Rüstungselektronikkonzern Thales, den Ranque bis 2009 leitete. Schon damals geriet Ranque in die Mühlen französischer Industriepolitik. Der damalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy drängte Thales zur Fusion mit Dassault Aviation. Ranque musste gehen. Seine Karriere war beendet. Er hangelte sich anschließend von einem Posten zum anderen, ohne wieder einen Konzern zu führen - bis Enders ihn anrief. Erst vor drei Wochen stärkte der Verwaltungsrat Enders. Das Management sei "stark und kompetent", teilte Verwaltungsratschef Ranque mit. Man habe volles Vertrauen. Doch wie lange noch?

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Quelle:
SZ vom 03.11.2017
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