Luftfahrtindustrie:Airbus verdoppelt Produktion in China

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Im Jahr 2009 wurde das erste Airbus-Flugzeug im chinesischen Tianjin fertiggestellt und an eine chinesische Airline übergeben. (Foto: Liu Jin/AFP)

Bis 2026 will der Flugzeughersteller mit der "A320neo"-Baureihe massiv wachsen. Da kommt ein Abkommen mit dem chinesischen Flugzeugbauer AVIC gerade recht, trotz aller politischen Spannungen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Als die chinesische Flugzeugbeschaffungsbehörde im vergangenen Jahr bei Airbus rund 300 neue Maschinen für die staatlichen Fluggesellschaften bestellte, war dies auf den ersten Blick nicht wie in solchen Fällen üblich mit Gegenleistungen verbunden. China schien einfach eine Menge neuer Airbus-Jets zu kaufen, um das angestrebte Wachstum im Luftverkehr auch darstellen zu können.

Seitdem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in der vergangenen Woche mit einer großen Wirtschaftsdelegation in Peking auftauchte, ist man eines Besseren belehrt. Zu der Delegation gehörte auch Airbus-Chef Guillaume Faury, und der unterzeichnete in Anwesenheit des Staatschefs einen neuen Vertrag mit dem chinesischen Luftfahrtkonzern Aviation Industry Corporation of China (AVIC) und der Investmentbehörde der Stadt Tianjin. Das Abkommen sieht vor, bis 2025 eine weitere Endmontagelinie für Flugzeuge der Kurz- und Mittelstreckenbaureihe A320neo im Airbus-Werk von Tianjin zu errichten. Bis zu zwölf statt bisher sechs Maschinen monatlich sollen von dort aus künftig vor allem an chinesische Airlines ausgeliefert werden.

Airbus braucht dringend mehr Produktionskapazitäten

Allerdings trifft es sich für Airbus hervorragend, dass China sich in der Regel industrielle Beteiligungen im Gegenzug für Großaufträge wünscht. Denn nichts kann Airbus derzeit besser gebrauchen als mehr Kapazität in der Produktion und wenn es dann auch noch bedeutet, einen strategischen Vorteil gegenüber dem Rivalen Boeing in einem der größten Märkte zu erreichen - umso besser. Bedenken, dass China zu viel zu schnell im Flugzeugbau lernt und seine eigene Industrie hochzieht, gibt es schon, seit Airbus in Tianjin 2008 die Fabrik gründete, haben aber nun auch die Expansion nicht verhindert.

Airbus plant, bis 2026 die Produktion der A320neo-Baureihe von durchschnittlich 43 im Monat auf 75 hochzufahren, denn die Nachfrage nach den Jets ist derzeit enorm. Eigentlich sollte das Ziel schon 2025 erreicht werden. Doch Faury und seine Leute hatten die Rechnung ohne die eigenen Lieferanten gemacht. Diese schaffen es derzeit nicht einmal, die aktuell geplante Produktion zu beliefern, geschweige denn höhere Raten. Vor allem bei den Triebwerksherstellern herrscht immer noch Chaos, es fehlen Teile in der Produktion und Ersatzteile für Reparaturen. Erst 2024 wird es, so hofft man bei Airbus, besser.

Aber auch die eigenen Kapazitäten müssen erweitert werden. Das Werk in Mobile, USA, bekommt eine zweite Endmontagelinie, die 2024 erste Maschinen produziert, Tianjin folgt dann 2025. Im Stammwerk Toulouse werden die zwei alten Fertigungsstraßen dichtgemacht und durch zwei neue ersetzt - im A380-Hangar auf der anderen Seite des Flughafens ist seit dem Ende des Riesen-Jets genügend Platz für den Bau des Bestsellers, für den Airbus derzeit noch 6000 weitere Bestellungen hat - genug für mehr als zehn Jahre Produktion. Hamburg behält vier Montagelinien und bleibt damit der größte Einzelstandort für die Maschinen der Baureihe, bei der vor allem die größere A321neo besonders gefragt ist. Allerdings findet auf der Basis der sechs zusätzlichen Linien künftig der Großteil der Produktion nicht mehr in Hamburg statt.

Was zur strategischen Produktionsplanung von Airbus passt. Die Maschinen im Werk Mobile, Alabama, werden vor allem an nordamerikanische Fluglinien ausgeliefert, die aus Tianjin an chinesische. Airbus glaubt, China werde künftig jedes fünfte Airbus-Flugzeug abnehmen. Derzeit sind aber nur acht Prozent der Produktion für Airlines in dem Land eingeplant, es müssen also weitere Aufträge folgen. Gut trifft sich für Airbus, dass Boeing nicht mit ähnlichen Geschäften rechnen kann. Zwar haben chinesische Airlines auf dem Papier derzeit mehr als 400 Boeing-Jets bestellt, aber ob die jemals ausgeliefert werden, ist angesichts der politischen Spannungen zwischen den USA und China zweifelhaft. Und Boeing war bislang auch viel vorsichtiger als Airbus, was industrielle Kooperationen angeht. Daran dürfte sich so bald nichts ändern.

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