A380:Die wohl größte Fehleinschätzung in der Geschichte der Luftfahrt

  • Airbus stellt im Jahr 2021 die Produktion des größten Passagierflugzeugs der Welt ein, der A380.
  • Emirates hatte zuvor die ohnehin schon mickrigen Aufträge für die Maschine storniert und war stattdessen auf die kleinere A350 umgeschwenkt.
  • "Damit haben wir keine Basis mehr, die Produktion fortzusetzen", begründet Airbus-Chef Tom Enders die Entscheidung.

Von Jens Flottau, Toulouse

In den vergangenen Jahren hat sich Airbus-intern die folgende Lesart durchgesetzt: "Der Airbus A380 ist ein großartiges Flugzeug, das sich früher oder später durchsetzen wird, weil der Luftverkehr so stark wächst. Wir haben es nur zu früh gebaut und hätten uns lieber noch ein bisschen mehr Zeit gelassen. Dann müssten wir jetzt nicht fünf Jahre überbrücken, bis die Nachfrage dann aber wirklich durch die Decke geht."

Die Interpretation der verzweifelten Lage für das größte Passagierflugzeug der Welt klang schön, vielleicht ein bisschen nach tragischen Umständen, aber zumindest nicht nach der wohl größten Fehleinschätzung in der Geschichte der zivilen Luftfahrt. Weil sich die A380 aber als genau diese herausgestellt hat, zieht der europäische Flugzeugbauer nun die bitteren Konsequenzen: Sein einst ambitioniertestes Programm, mit dem er endlich Boeing auf Augenhöhe begegnen wollte, wird 2021 eingestellt.

Airbus gab den Entschluss am frühen Donnerstag bekannt. Nach den Krisenjahren für die Maschine kam er nicht überraschend - es war eher erstaunlich, wie lange Airbus mit dem Schritt gewartet hat. Den Ausschlag hat nun ausgerechnet Emirates gegeben, mit bislang 162 festen Aufträgen der mit Abstand wichtigste Kunde für die A380. Emirates hatte zwar Anfang 2018 noch einmal 20 Maschinen bestellt und damit die Produktion von 2020 an auf absoluter Sparflamme von sechs Jets pro Jahr gesichert. Doch scheiterten nun die parallel laufenden Verhandlungen mit Triebwerksbauer Rolls-Royce endgültig. Emirates schwenkt um auf die kleinere A350, von der sie schon einmal 70 Flugzeuge gekauft und dann wieder storniert hatte. Außerdem bestellt die Airline die neueste Version der A330.

"Als Ergebnis dieser Entscheidung haben wir keinen substantiellen Auftragsbestand mehr", so Airbus-Chef Tom Enders. "Damit haben wir keine Basis mehr, die Produktion fortzusetzen." Bis 2021 wird Emirates noch insgesamt 14 A380 übernehmen, dann wird die Produktion gestoppt. Bis zu 3500 Arbeitsplätze sind von der Entscheidung betroffen. Airbus kündigte Gespräche mit den Sozialpartnern an, verwies aber darauf, dass das Wachstum anderer Programme den Mitarbeitern viele Möglichkeiten biete, intern künftig anderswo eingesetzt zu werden.

Die Kosten für das A380-Programm konnten nicht annähernd wieder hereingeholt werden

Für die A380 aber ist ohne Emirates jede Hoffnung dahin. Nur 313 Aufträge (Stand Ende Januar) hat Airbus seit dem Jahr 2000 für sie erhalten, 234 Maschinen sind ausgeliefert. Von den 79 übrigen hätte Emirates noch 53 bekommen. 20 weitere standen in den Büchern für das Leasingunternehmen Amedeo, drei weitere für eine Auffanggesellschaft der bankrotten russischen Fluglinie Transaero und noch mal drei für All Nippon Airways (ANA). Neben 14 Maschinen für Emirates dürften nur die drei ANA-Jets noch gebaut werden.

Gekostet hat das A380-Programm Schätzungen zufolge insgesamt rund 25 Milliarden Euro - mehr als doppelt so viel wie anfangs geplant. Die Kosten konnten nicht annähernd wieder hereingeholt werden.

Eine Maschine, die mit der 747 konkurrieren sollte

Die ursprünglichen Planungen für die A380, die auf die späten Achtzigerjahre zurückgehen, beruhten auf folgender Annahme: Konkurrent Boeing macht mit seinem größten Flugzeug, der 747, horrende Gewinne. Das Geld kann das Unternehmen für die Entwicklung neuer Modelle nutzen oder auch nur, um bei Verkaufskampagnen seiner kleineren Jets Kampfpreise zu bieten. Folglich braucht Airbus ein Flugzeug, das mit der 747 konkurrieren kann, um die damalige Dominanz bei den großen Langstreckenmaschinen zu durchbrechen und am erwarteten starken Wachstum zu partizipieren.

Eigentlich jedoch hat Airbus die A380 nicht zu früh, sondern zu spät gebaut. In den Jahren vor dem Programmstart im Jahr 2000 hatten die Airbus-Manager übersehen, dass auch die 747 damals schon ihre besten Zeiten hinter sich hatte und die Airlines lieber auf kleinere, zweimotorige Langstreckenjets setzten. Die Boeing 777 wurde bereits 1995 erstmals an United Airlines ausgeliefert und wurde ein durchschlagender Erfolg.

Diesen setzten eine Flugzeuggeneration später die 787 und der Airbus A350 fort, sie konnten sogar die Stückkosten der viel größeren A380 schlagen. Es gab spätestens jetzt auf der Kostenseite keinen Grund mehr, den Mega-Jet zu bestellen, wenn man mit geringerem Risiko und weniger Investitionen das gleiche Niveau erreichen würde. Bis zuletzt hatte Airbus argumentiert, dass das starke Wachstum und die Kapazitätsengpässe an den großen Flughäfen zwangsläufig dazu führen müssten, dass die Fluggesellschaften mehr große Flugzeuge wie die A380 bestellen. Das Problem: Was in der Theorie logisch erschien, ist in der Realität bis auf wenige Ausnahmen wie London-Heathrow, Los Angeles oder mit einigen Abstrichen Frankfurt nicht passiert.

Sein Ziel hat Airbus trotz allem erreicht

Zwar ist theoretisch noch immer denkbar, dass das Wachstum im Langstreckenverkehr die Fluglinien in den kommenden Jahren dazu zwingt, größere Maschinen einzusetzen. Doch im Moment scheint der Trend eher in die Gegenrichtung zu gehen - Airlines setzen noch kleinere Maschinen auf Nebenstrecken ein. Und selbst wenn sich der Trend in fünf Jahren drehen sollte: Wer will dann noch ein Flugzeug bestellen, das 25 Jahre zuvor gestartet worden und wirtschaftlich entsprechend unterlegen ist?

Die Ironie der Geschichte ist: Trotz der grandiosen Fehleinschätzung hat Airbus sein strategisches Ziel erreicht und teilt sich den Weltmarkt für zivile Flugzeuge mit Boeing auf. Die Kurz- und Mittelstreckenjets der A320neo-Familie verkaufen sich hervorragend, die A220 (ehemals Bombardier C Series) runden das Portfolio mit dem technisch derzeit modernsten Flugzeug ab. Und obwohl Airbus 2005 noch einmal Milliarden in die A380 stecken musste, um das Produktionschaos rund um fehlgeplante Kabelstränge zu beseitigen, beschloss das Unternehmen 2006, die zweimotorige A350 zu starten. Die ist offenbar so gut geraten, dass selbst wirtschaftlich einst marginale Strecken plötzlich profitabel zu fliegen sind.

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