Airbnb:Wenn der Nachbar täglich wechselt

Der BGH muss entscheiden, ob Besitzer ihre Wohnung auch übers Netz an Touristen vermieten dürfen - selbst wenn die anderen Eigentümer im Haus das nicht wollen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Nein, Airbnb war an dem Rechtsstreit nicht beteiligt, über den der Bundesgerichtshof (BGH) an diesem Freitag verhandelt hat, es stritten die Eigentümer einer Wohnanlage in Papenburg. Dennoch war das so populäre wie umstrittene Vermietungsportal im Sitzungssaal N 004 der Elefant im Raum, den niemand übersehen konnte. Es ging letztlich um die Frage, ob Eigentümergemeinschaften dem Prinzip Airbnb juristisch entgegentreten können: Darf die Gemeinschaft, genervt vom ständigen Wechsel in der Nachbarschaft, dem Miteigentümer per Mehrheitsbeschluss die Ferienvermietung untersagen? Oder gehört es zum grundrechtlich geschützten Eigentum, dass man seine Wohnung eben auch an ständig wechselnde Gäste vergeben darf?

Geklagt hat die Eigentümerin einer Wohnung in der Kleinstadt im Emsland, und zwar gegen die sieben anderen Eigentümer in der Anlage, die mit ihren Kurzzeitvermietungen nicht einverstanden waren. Zwar wäre ihr das nach der ursprünglichen, für die Anlage maßgeblichen Teilungserklärung gestattet gewesen. Allerdings enthielt die Teilungserklärung eine sogenannte Öffnungsklausel, nach der die Regeln der Gemeinschaft geändert werden konnten - und zwar mit Dreiviertelmehrheit. Davon machte die Eigentümerversammlung im Frühjahr 2017 Gebrauch: Kurzzeitvermietungen an Feriengäste sollten fortan verboten sein, ebenso an Arbeiter, die zum Beispiel für ein paar Tage in der nahegelegenen Meyer-Werft eingesetzt waren.

30 Nächte

sind der typische Zeitraum, für den Airbnbs in Deutschland gebucht werden. Diese lange durchschnittliche Aufenthaltsdauer wird aber wohl durch Langzeitaufenthalte beispielsweise von Gastarbeitern oder Austauschstudenten beeinflusst. 2018 verzeichnete Airbnb 7,9 Millionen Gäste aus Deutschland in den über das Portal vermittelten Unterkünften weltweit. Davon waren die meisten offenbar Urlauber, denn im Durchschnitt blieben deutsche Gäste nur vier Nächte. Katharina Prechtl

Viele Großstädte nutzen inzwischen Zweckentfremdungsverbote, um zu verhindern, dass der knappe Wohnraum in lukrative Ferienwohnungen verwandelt wird. Auch Mieter haben nicht alle Freiheiten. Eine ganz normale Erlaubnis zur Untervermietung umfasst nicht automatisch auch die Befugnis, die Wohnung an Touristen zu vermieten, hat der BGH 2014 entschieden. Aber bei Eigentumswohnungen sind die Gewichte anders verteilt, das liegt an der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. 2010 hat der BGH daher den Eigentümern in solchen Anlagen die ziemlich großzügige Befugnis erteilt, ihre Wohnung auch an Feriengäste abzugeben. Das "bei einer Wohnnutzung typischerweise zu erwartende Maß" werde durch Kurzzeitgäste nicht überschritten, schrieb das Gericht. Das galt freilich nur für den Fall, dass sich dazu nichts in der Teilungserklärung findet. Umgekehrt könnten die Eigentümer - einstimmig - natürlich auch einen kompletten Airbnb-Bann für ihre Anlage aussprechen. Offen blieb nur: Was gilt, wenn man sich nicht einig ist? Was darf die Eigentümergemeinschaft regeln?

Zwar hat der BGH schon längst Öffnungsklauseln und Mehrheitsbeschlüsse im Wohnungseigentumsrecht gebilligt, sodass sich im zerstrittenen Club der Eigentümer auch mal die Mehrheit durchsetzen kann. Allerdings hat er im Jahr 2014 deutlich gemacht, dass "zum Schutz der Minderheit bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken" beachtet werden müssten. Soll heißen: Auch die Mehrheit darf das Wohnungseigentum des einzelnen nicht völlig aushöhlen.

Die BGH-Senatsvorsitzende Christina Stresemann machte nun deutlich, dass dem Eigentümer jedenfalls der "Kern" seines Eigentums verbleiben müsse. Ob dazu die unbeschränkte Vermietungsbefugnis gehört, ließ sie indes offen. "Es geht um kollidierende Interessen, die zum Ausgleich gebraucht werden müssen."

Impressions Of Alexanderplatz

In Berlin und vielen anderen Städten ist Wohnraum knapp.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)

An diesem Punkt warf Christian Rohnke, Anwalt der Eigentümergemeinschaft, das Stichwort Airbnb in die Debatte. "Es gibt mittlerweile einen gigantischen Markt der Wohnungsvermietung, das ist ein Massenphänomen." Oft sei es für die Bewohner solcher Anlagen nicht abzusehen, wer in der Nachbarschaft einziehe. In einer Zwei-Zimmer-Wohnungen könnten auch sechs Leute untergebracht werden. Was die Senatsvorsitzende zu dem Hinweis veranlasste, dass man gegen konkrete Störungen durchaus vorgehen könne - nicht nur gegen die Kurzzeitmieter selbst, sondern auch gegen die Eigentümer. Ein Urteil wird am 12. April verkündet.

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